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Es war einmal eine arme Frau und die hatte zwei Kinder, ein Knäblein, das Janchen hieß, und ein Mägdelein, welches Miekchen hieß. Eines Morgens nun gab sie jedem ein Butterbrot und schickte sie in den Wald, Reisig holen. Unterwegs kam ihnen die Mutter Gottes entgegen, gekleidet wie ein blutarmes Weib, und die sprach zu Miekchen: »Ach, Kind, ich hab so großen Hunger, gib mir doch etwas von deinem Butterbrot;« aber Miekchen drehte den Kopf um und sprach: »Nein, das thu ich nicht.« Da ging die Mutter Gottes zu Janchen und sprach: »Ach, Kind, ich hab so großen Hunger, gib mir doch etwas von deinem Butterbrot.« Janchen that das ganz gern, brach ein großes Stück ab und gab es der Mutter Gottes und die dankte ihm von Herzen dafür und ging des Weges weiter.
Ein paar Schritte fürder kam der Herr Jesus in Gestalt eines steinalten Männchens und sprach zu Mieken: »Ach, Kind, ich habe seit drei Tagen noch nichts gegessen und sterbe vor Hunger; gib mir doch was von deinem Butterbrot;« aber Mieken drehte den Kopf um und sprach: »Nein, das thu ich nicht.« Da ging der Herr Jesus zu Janchen und sprach: »Ach, Kind, ich habe seit drei Tagen nichts gegessen und sterbe fast vor Hunger; gib mir doch was von deinem Butterbrot.« Janchen gab ihm alles, was er noch hatte, und sprach: »Da hast du, ich hab nichts mehr und das thut mir leid.« – »Ich dank dir von Herzen, Janchen, ich habe genug damit,« sprach Jesus und zog zwei Küchelchen aus seiner Tasche, ein schwarzes und ein weißes; das schwarze gab er Mieken und das weiße gab er Janchen und sprach: »Nun werfet die Kügelchen auf die Erde und wo die hinlaufen, da müsset ihr auch hinlaufen.« Das thaten die Kinder und die Kügelchen liefen bis vor zwei Thore; das weiße vor ein weißes und das schwarze vor ein schwarzes. Janchen klopfte auf das weiße Thor und da kamen alsbald hunderttausend weiße, schöne Englein gelaufen, machten ihm auf und trugen ihn in den Himmel. Als Miekchen aber auf das schwarze Thor klopfte, da kamen mehr Teufel als Tage im Jahr, und die machten auf und zogen das böse Miekchen mit glühenden Haken in die Hölle.
Ein paar Schritte fürder kam der Herr Jesus in Gestalt eines steinalten Männchens und sprach zu Mieken: »Ach, Kind, ich habe seit drei Tagen noch nichts gegessen und sterbe vor Hunger; gib mir doch was von deinem Butterbrot;« aber Mieken drehte den Kopf um und sprach: »Nein, das thu ich nicht.« Da ging der Herr Jesus zu Janchen und sprach: »Ach, Kind, ich habe seit drei Tagen nichts gegessen und sterbe fast vor Hunger; gib mir doch was von deinem Butterbrot.« Janchen gab ihm alles, was er noch hatte, und sprach: »Da hast du, ich hab nichts mehr und das thut mir leid.« – »Ich dank dir von Herzen, Janchen, ich habe genug damit,« sprach Jesus und zog zwei Küchelchen aus seiner Tasche, ein schwarzes und ein weißes; das schwarze gab er Mieken und das weiße gab er Janchen und sprach: »Nun werfet die Kügelchen auf die Erde und wo die hinlaufen, da müsset ihr auch hinlaufen.« Das thaten die Kinder und die Kügelchen liefen bis vor zwei Thore; das weiße vor ein weißes und das schwarze vor ein schwarzes. Janchen klopfte auf das weiße Thor und da kamen alsbald hunderttausend weiße, schöne Englein gelaufen, machten ihm auf und trugen ihn in den Himmel. Als Miekchen aber auf das schwarze Thor klopfte, da kamen mehr Teufel als Tage im Jahr, und die machten auf und zogen das böse Miekchen mit glühenden Haken in die Hölle.
[Johann Wilhelm Wolf: Deutsche Märchen und Sagen]