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Märchenbasar

Vom Zauberring

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Es war einmal ein König, der eine einzige Tochter hatte und ein Hirt, dessen Sohn Schweine hütete. Der Hirtensohn und die Königstochter trafen sich oft, verliebten sich ineinander, und es kam so weit, daß sie erklärten, ohne einander nicht mehr leben zu können. Da ließ der König den Hirtenvater zu sich kommen und gebot ihm, seinen Sohn fortzuschicken. Der Vater kam sehr bedrückt nach Hause. Sein Sohn sah dies und fragte ihn nach dem Warum. „Ich bin traurig, weil ich dich fortschicken soll!“
„Väterchen“, sagte da der Sohn, „seid nicht traurig, so gehe ich eben auf Wanderschaft!“
Da umarmte ihn der Vater sehr herzlich und ließ ihn ziehen. Er verabschiedete sich auch von der Königstochter recht herzlich, die ihm versprach, auf ihn zu warten. So machte er sich auf und kam in einen Wald. Dort stieß er auf einen Mann, der einen Hund an der Leine führte. Er bat diesen Mann, ihm doch den Hund zu verkaufen. Doch jener wollte ihm das Tier nicht verkaufen, sondern schenken, aber schließlich nahm er doch ein Entgelt, und der Jüngling führte das Tier an der Leine mit sich fort. Er wanderte weiter und traf wieder einen Mann, der einen großen, kräftigen Kater bei sich hatte. Und auch diesen Mann bat er, ihm doch den Kater zu verkaufen, aber der wollte ihm das Tier durchaus schenken. Schließlich nahm er aber doch ein Entgelt. Der Jüngling nahm seine beiden Tierchen, den Hund und den Kater, an die Leine und wanderte mit ihnen weiter. Auf seinem Wege stieß er auf eine Insel, die sehr dicht mit Gras bewachsen war. Am Rande der Insel waren Bauern damit beschäftigt, das Gras abzumähen, doch sie ließen die Inselmitte aus. Er fragte sie, weshalb sie nur den Rand abmähten und nicht auch das Gras in der Mitte. Sie antworteten ihm, daß sich dies nicht getrauten, weil dort in der mitte ein großes Reptil säße, das ihnen Unglück bringen könne. Da sagte er zu ihnen, sie sollen ihm das Reptil verkaufen. Das kam ihnen so gelegen, daß sie schnellstens einen Boten zum Amtmann schickten, um ihm kundzutun, daß ihnen der Herrgott einen Menschen zugeführt hatte, der das Reptil kaufen wollte. Als der Bote zum Herrn Amtmann kam, war dieser eben damit beschäftigt, sein Mittagsmahl einzunehmen.

Sobald er von dem Boten den Grund seines Kommens erfragt und dieser ihm alles berichtet hatte, begab sich der Amtmann schnellstens zu seinen Leuten. Dort angekommen, fragte er den Schweinehirten, was er dafür verlange, wenn er ihnen das Reptil vom Halse schaffe. Dieser antwortete aber, daß er die Schlange nicht umsonst haben wolle, sondern daß er sie kaufen möchte. Schließlich einigten sich beide, und der Amtmann sagte: „Gib meinen Leuten, was du denkst!“ So gab er den Leuten etwas für einen Umtrunk und für Brot. Danach schritt er in die Mitte der Insel und rief: „Schlange, komm heraus, denn du gehörst mir!“ Da sprang die Schlange aus ihrem Loch hervor und wand sich um seinen Hals. Nachdem dies geschehen war, ging er mit seinen Tieren weiter; er hatte nun einen Hund, einen Kater und eine Schlange. Sie wanderten tief in den Wald hinein, wo sie zu nächtigen gedachten. Bevor er und seine Tiere sich schlafen legten, ordnete er an, daß jedes eine Stund wachen müsse, damit niemand die Schlange stehle. Der Hund wachte zuerst; da war aber nichts Böses geschehen. Dann kam die zweite stunde, der Kater hielt Wache, aber bei seiner Wache nickte r ein wenig ein. Und schon war die Schlange weg. Der Kater wachte auf, merkte, daß sein Herr keine Schlange mehr um den Hals hatte und sprach zu dem Hund:
„Bruderherz, ein großes Unglück ist geschehen, man hat unseren Herrn bestohlen, was werden wir jetzt tun, uns erwartet große Stafe!“ Sie liefen im Wald umher, suchten die Schlange, krochen auf die Bäume, der Hund scharrte, der Kater kroch ins Dickicht, aber die Schlange konnten sie nicht finden.

Da wurde ihr Herr wach: „Was habt ihr getan?“ klagte er. „Ihr habt schlecht gemacht, habt euch die Schlange stehlen lassen!“
Sie brachen alle drei auf, um die Schlange zu suchen. Bei ihrer Suche stießen sie auf eine Einsiedelei und baten um ein Nachtlager und obendrein ein Abendbrot. Der Einsiedler wollte es zunächst verweigern, fragte sie aus, wer sie wohl seien, und ließ sich erst nach herzlichem Bitten erweichen. Er gab dann dem Schweinehirten und den beiden Tieren ein Nachtlager und obendrein ein Abendbrot. Als sie sich zum Schlafen bereit machten, sagte der Hund zu dem Kater: „Lieber Bruder, hier werden wir suchen, hier ist unsere Schlange!“ Hierauf begab sich der Hund auf den Hof, der Kater blieb am Fenster. Als der Hund den Kater von draußen anbellte, öffnete der Schweinehirt das Fenster und ließ den Kater auf den Hof. Hund und Kater schlichen nun um die Einsiedelei und kamen an ein Kellerfenster, hinter dem sich die Schlange befand. Dies meldeten sie ihrem Herrn.
Der sagte zu dem Einsiedler: „Einsiedler, gib uns die Schlange zurück!“ Der Einsiedler widersprach nicht, sagte nur zu dem Schweinehirten: „Sie sei dein. Fordere keinerlei Geld von der Schlange, Herr, fordere nur das Steinchen, welches die Schlange an einer weißen Schnur am Körper trägt.“
Da ging der Mann in den Keller und rief: „Schlange, du gehörst wieder mir!“
Die Schlange hatte aber inzwischen ihre Schlangenhaut abgeworfen; im Keller saß eine wunderschöne Prinzessin, die sehr traurig aussah. Sie folgte ihm in die Stube und fragte ihn: „Herr, was verlangst du dafür, daß du mich aus der Schlangenhaut befreit hast? Wieviel Geld soll ich dir geben?“ Der Herr wollte aber keinerlei Geld, sondern nur das Steinchen, daß sie an der weißen Schnur am Halse trug. Dieses Steinchen wollte sie ihm aber nicht geben. Da sagte er zu ihr:
„Wenn du mir das Steinchen nicht gibst, mußt du wieder in die Haut schlüpfen, in der du bislang gesteckt hast!“ Da erschrak die Prinzessin sehr und gab ihm das Steinchen.

„Hier hast du es, Herr, als Erinnerung daß du mich aus dieser Schlangenhaut befreit hast.“
„Der Herr und die Prinzessin schieden in herzlicher Freundschaft voneinander.Zum Schluß sagte, sagte die Prinzessin zu ihm, daß er alles, was er sich wünsche und ersinne, ja die schöbsten Gewänder sofort bekommen werde, wenn er das Steinchen in die Hand nehme; alles Gewünschte würde sich dann schnellstens einfinden. Dann ging der Schweinehirt mit seinen beiden Tieren in Richtung Sonnenaufgang aus dem Walde heraus. Dabei nahm er das Steinchen in die Hand und dachte: „Ach, wäre ich doch schon bei meinen Eltern!“ Kaum hatte er dies gedacht, befand er sich auch schon bei seinem Vater. Sein Vater und seine Mutter waren vor Überraschung fast erstarrt. Er hatte stets in Liebe seiner Eltern gedacht, so hatte ihn der Herrgott auch erhört, und er sagte zu seinem Vater: „Vater, geh so schnell wie möglich zu unserem durchlauchten König und grüße ich und die Königin recht artig von mir, aber auch
die Prinzessin!“

Als sein Vater mit diesem Anliegen vor dem König erschien, ärgerte sich dieser sehr, daß der Hirtensohn zurückgekommen war. „König, sei nicht böse, morgen wird mein Sohn kommen, um die Prinzessin zu besuchen.“ Der Prinzessin war es seht angenehm, dies zu hören, aber der König sagte zu dem Hirten: „Mach, daß du nach Hause kommst, und sag deinem Sohn, er solle mir eine Straße von fünf Viertel Meilen bauen, auf der ich zu meinem Palast fahren kann; wenn er das nicht schafft, wird er durch mein Schwert den Tod finden, schafft er es aber, dann wird er mein Schwiegersohn.“ Sehr traurig und bekümmert ging der Hirt nach Hause; er war noch etliche Schritte vom Sohn entfernt, da lief ihm dieser schon erfreut entgegen und fragte: „Vater, warum bist du so betrübt?“Hierauf entgegnete sein Vater: „Mein Sohn, ich bringe dir keine gute Nachricht!“
„Vater, sei unbesorgt, alles wird gut werden!“ Kaum hatte der Vater von des Königs Begehr berichtet, war alles. was der Jüngling wünschte, schon fix und fertig. „Vater, begib dich so schnell wie möglich zum König, denn morgen fahre ich zur Hochzeit.“

Der König staunte nicht wenig, daß er der einfache Hirtenjunge so große Wunder für seinen König vollbracht hatte. Der alte Vater ging erneut in das Königsschloß, und da sagte der König zu ihm: „Da dein Sohn für mich das getan hat, steht ihm auch mein Schloß jederzeit offen.“ Erfreut kehrte der Vater heim. Sein Sohn zog sich die Hirtenkleidung an und fuhr gleich bei Sonnenaufgang zum König. Der König, die Königin und die Prinzessin sahen aus dem Fenster, und alle drei freuten sich, als sie den Hirtensohn kommen sahen. Für ihn lagen vornehme Gewänder schon bereit, aber er wollte davon nichts anziehen.
Im Königssaal gab es ein großes Festmahl, dort waren auch schon einige andere Könige versammelt, auch König Arcyus aus der Stadt Eno. Er war noch unvermählt, war aber ein Heide (das ist einer, der einen anderen Glauben hat als den unsrigen). Er hatte sich in allerletzter Zeit oft mit der Prinzessin getroffen, so daß es ihn sehr kränkte, daß sie jetzt den Sohn eines Hirten heiratete. Das junge Paar lebte nun schon ein Jahr und fünf Monate zusammen.

Eines Tages mußte aber der junge König August Cinius durch das Land fahren und war dreieinhalb Monate nicht zu Hause. Gerade zu dieser Zeit kam König Arcyus zu der Königin, der Frau des Königs August, zu Besuch.
Indessen hatte die Königin an ihrem Herrn Gemahl August keinen Gefallen mehr. Der zu Besuch weilende König Arcyus sagte zu der Königin, sie solle doch ihren Herrn fragen, was für ein Mittel er wohl habe, daß er alles, was er wolle, ja, was er nur denke, so rasch erhielte. Als König August nach Hause zurückkehrte, war seine Gemahlin schwer erkrankt, und kein Arzt konnte sie heilen. Der König fragte sie liebevoll, was ihr fehle. Hierauf antwortete sie: „Ach, mein König, mir träumte in der Nacht, daß mir sofort besser würde, wenn du mir dein Wundermittel verraten würdest.“ „Liebe Königin, hättest du mich danach schon früher gefragt, dann würde es dir längst besser gehen.“ König Arcyus saß indessen verborgen im Keller. König August und seine Frau nachtmahlten gemeinsam an ihrer Tafel, da sagte er zu ihr: „Ich trage ein Steinchen an einer weißen Schnur am Körper, aber wenn ich ihn verliere, werde ich sehr unglücklich werden.“ Da bewirtete die Königin ihren Gemahl August mit gutem Wein, bis er einschlief. Sie zog sein Messer aus der Scheide, schnitt das Steinchen von der Schnur ab und ließ König Arcyus aus dem Keller, so daß sie nun zusammen waren, dann nahm sie das Steinchen und dachte: „Aus diesem Palast, aus diesem Königreich sollen große Felsen, riesige Wälder und Heideflächen werden.“ Danach entfloh sie mit König Arcyus über das Meer.

König Arcyus wachte auf und war, wie auch der Vater der Königin, sein Schwiegervater, sehr verwundert, daß sie plötzlich mitten im Wald zwischen Felsen lagen. Der alte König war sehr verärgert: „Du Unglücksmensch, was muß ich deinetwegen erleben! Wir hatten prunkvolle Gemächer, ausgezeichnete Keller und jetzt muß ich deinetwegen im Wald zwischen Felsen liegen!“ Der alte König ließ auf dem Felde Mauern errichten und ordnete an, seinen Schwiegersohn darin einzumauern.
Nur ein kleines Fensterchen ließ er ihm, groß genug, daß gerade der Kater oder der Hund dort hindurchschlüpfen konnten.
Und der Eingemauerte war in seinem Verließ sehr traurig. Da sagten der Hund und der Kater zu ihm: „Sei nicht traurig, Herr, wir werden unser Steinchen suchen gehen, aber zuvor müssen wir für drei Jahre den Lebensunterhalt für dich beschaffen, damit du essen und zu trinken hast.“ Nachdem sie ihm Speisen und Getränke herbeigeschafft haben, zogen sie in die Welt. Zu guter Letzt kamen sie zum König Arcyus, der ihrem Herrn so übel mitgespielt hatte. Der Hund ging zu dem Koch in die Küche, und der Kater meldete sich beim Beschließer im Marstall, denn dort gab es unzählige Ratten. Der Hund diente dem Koch so gut, daß dieser außerordentlich zufrieden mit ihm war. Er ging zu dem Beschließer und sagte: „Beschließer, ich will dir eine Neuigkeit berichten: mir ist da ein Hund zugelaufen, der so scharf ist, daß er niemanden gestattet, auch nur etwas anzurühren.“ Hierauf sagte der Beschließer zum Koch: „Und mir ist ein großer Kater zugelaufen, der mir eine Vielzahl von Ratten wegfängt.“ Bereits drei Tage und drei Nächte weilten die beiden Tiere bei König Arcyus. Am dritten Tag in der achten Abendstunde tragen sich Kater und Hund und sprachen miteinander: „Bruder, hier befindet sich unser Steinchen!“ sagt der Hund zum Kater. „Was können wir tun, um den Stein zu bekommen!“ Da entgegnete der Kater: „Ich werde Ratten fangen, bis ich auf den Rattenkönig stoße!“ Der Kater räumte also unter den Ratten derart auf, daß Schlossherr und Beschließer höchst zufrieden waren.

Er hatte schon dreitausend Ratten getötet, doch auf den Rattenkönig war er noch nicht gestoßen; er hatte weitere dreitausend gefangen, aber wieder hatte er den Rattenkönig dabei nicht erwischt; schließlich tötete er nochmals dreitausend von ihnen und begegnete dabei dem Rattenkönig, der zu dem Kater sagte: „Halte ein, Kater, sage mir lieber, was du willst, und morde nicht so viele meiner Soldaten!“ Der Rattenkönig stieß einen Pfiff aus, da kamen viermal einhunderttausend von ihnen zusammen, aber keine von ihnen hatte das Steinchen. Darüber war der Kater sehr verärgert, und wenn er zuvor schon sehr viele Ratten getötet hatte, so töte er jetzt noch viel mehr von ihnen. Wieder sagte der Rattenkönig zum Kater: „Halte ein, Ritterkönig, töte mir nicht so viele meiner Soldaten, denn du bekommst deinen Gegenstand!“ Und erneut pfiff der Rattenkönig, da kamen ihrer sechsmal einhunderttausend und zum Schluß noch eine lahme Ratte angelaufen.

Der Kater war sehr erfreut, daß er endlich das Steinchen bekommen hatte, und meldete es sogleich dem Hund, wobei er zu dem Hund sagte: „Was wollen wir nun mit dem Steinchen tun?“ Hierauf entgegnete der Hund: „Morgen wird bei König Arcyus ein großes Fest sein, dazu muß der Koch die verschiedenartigsten Speisen bereiten, diese Speisen werden im Fenster stehen, und ich werde sie sorgsam bewachen müssen, aber du wirst auf den Hof gehen und an diesem Fenster kratzen, ich werde dich dann mächtig anknurren.“
Abends um die zehnte Stunde geschah es dann so, wie der Hund dem Kater gesagt hatte, der Kater hatte die Weisungen des Hundes befolgt; er nahm jetzt das Steinchen an der weißen Schnur und band es dem Hund um den Hals, dann ermahnte er ihn: „Bruderherz, gib gut acht auf Stein und Schnur!“ Als die Zeit herangerückt war, kam der Kater an das Fenster und kratzte mächtig daran.

Der Hund saß an der anderen Seite des Fensters in der Küche und knurrte. Der Koch wunderte sich sehr, daß der Hund den Kater so böse anknurrte, wurde schließlich darüber wütend, öffnete das Fenster und rief: „Jag ihn davon, diesen dreckigen Kater!“ Und auf der Wiese entflohen beide von König Arcyus Hof und waren beide heilfroh. Auf ihrer Flucht kamen sie an einen großen See. Sie mußten zusehen, wie sie an das andere Ufer gelangten.
Da sie aber seht hungrig waren, schlich der Kater in eine Bauernkate, kroch in die Kammer und nahm sich von dort genügend Eßbares mit. Sie stillten ihren Hunger, dann liefen sie zurück zum See und sagten zueinander: „Bruder, wir müssen nun tüchtig auf unsere Sachen achten!“ Der Kater war schon glücklich bis in die Mitte des Sees geschwommen, da fiel dem Hund das Steinchen ins Wasser und versank.

 
Als sie am anderen Ufer angekommen waren, fragten sie sich gegenseitig: „Bruder, was werden wir nun tun?“ So liefen sie ständig am Ufer entlang und fingen immerfort Frösche, denn sie wollten dabei auf den Froschkönig stoßen. Als sie ihn schließlich erwischten, sprach dieser zu ihnen: „Haltet inne, ihr Könige, tötet mir nicht so viele von meinen Soldaten, sagt mir lieber, was ihr von mir wollt!“ Sie sagten es ihm. Der Froschkönig pfiff, und schon kamen hunderttausend Frösche angeschwommen, aber keiner von ihnen hatte das Steinchen. Der Froschkönig pfiff erneut, da schwammen weitere hunderttausend Frösche ans Ufer. Schließlich pfiff er ein drittes Mal, doch da kamen gleich zweimal hunderttausend und ein einzelner Frosch ans Ufer, und dieser letzte Frosch hatte das Steinchen. Da waren Kater und Hund hoch erfreut, daß sie ihre Sachen wieder hatten. Der Kater nahm das Steinchen, band es dem Hund um den Hals, und beide liefen nun mit großer Freude zu ihrem Herrn.

Als sie bei ihm eintrafen, hatte der Ärmste gerade den letzten Bissen gegessen und den letzten Schluck getrunken. Da gaben ihm seine Tiere den wiedererlangten Stein zurück, und sogleich dachte er: „Diese Mauer hier soll zu Staub werden. Ich aber möchte an der stelle sein, an der ich geheiratet habe, und das Königsschloß, wenn es zuvor schon prachtvoll war, soll jetzt noch prachtvoller sein.“ Alles was er gedacht hatte, geschah dann augenblicklich. Sein Schwiegervater und seine Schwiegermutter waren hoch erfreut, daß aus dieser Waldeinöde und aus den Felsen ein so prächtiges Königreich entstanden war, prächtiger als je zuvor. Und sein Schwiegervater wußte gar nicht, was er ihm Gutes antun sollte, und fragte seinen Schwiegersohn, was dieser sich wünsche.Aber der Schwiegersohn antwortete: „Mein Vater, wir werden zunächst ein großes Fest, ein Gastmahl ausrichten!“ So richteten sie also für die neunte Abendstunde ein Gastmahl aus.

Hierzu versammelten sich alle Herren und Könige aus den eigenen und angrenzenden Landen. Er aber, der junge König August, ging mit seinen Tieren, mit dem Kater und dem Hund, in den Schloßgarten, nahm das Steinchen in die Hand und dachte: „In fünf Minuten soll meine Frau, die ich als erster geheiratet habe, hier erscheinen!“ Er war kaum aus dem Schloßgarten zurückgekehrt, da saß seine Frau bereits mit dem König Arcyus an der Festtafel.
Als der König August den Festsaal betrat, erkannte sie ihn nicht, doch er erkannte sie sogleich. Seine Gäste gaben sich gegenseitig Rätsel auf, alle rätselten mit.
Eine Dame aus dieser Gesellschaft, die eine gute Freundin von König August war, fragte die Runde: „Was verdient wohl eine Frau, die ihren eigenen Mann beraubte, ihn ins Unglück stürzte und mit einem anderen davon lief?“ Da sagte die Königin, die ungetreue Frau von König August: „Eine solche Frau ist nichts anderes wert, als daß man einen großen Holzstoß errichtet, diesen anbrennt und die Ungetreue auf den lodernden Scheiterhaufen wirft.“ Da sagte König August: „Den Tod, den du dir selbst erwählt hast, den sollst du auch erleiden.“ Und man errichtete auf dem Felde einen großen Scheiterhaufen und ließ sie darauf werfen, und das war ihr Ende.

Und König August regierte fortan allein. Und wenn er lebt, dann regiert er noch, wenn aber nicht, dann beißt er die Erde, genauso wie wir. Nachdem König August regierender König geworden war, kamen der Kater und der Hund zu ihm, hüpften auf seinen Tisch und sagten zu ihrem Herrn: „Herr nimm dein Schwert und schlage uns beide die Köpfe ab!“
König August weinte sehr um seine Tiere und sprach zu ihnen: „Ich würde mir lieber selbst den Kopf abschlagen, als euch beiden!“ Aber als beide darauf bestanden und er einsah, daß er es tun müsse, zog er sein Schwert und schlug den beiden die Köpfe ab.
Da flatterten zwei Tauben aus ihren Körpern empor und setzten sich ihm jede auf seine Schulter. Sie dankten ihm, flogen auf und schnurstracks zum Himmel empor, und nun, Amen.

 
Malinowski L.; a.a.a.O.;
Lancut/Kozielsk

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