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Märchenbasar

Der Teufel als Liebhaber

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Ein Elternpaar hatte eine Tochter, zu der kam tagtäglich ein Galan. Als er eines Abends wieder bei ihr weilte, bat er sie, ihn hinauszubegleiten, sie aber wollte nicht.
Doch ihre Mutter hieß sie, ihn hinauszubegleiten, aber nur bis in den Hausflur. Sie ging jedoch weiter. In jenem Dorf befand sich eine Kirche; und wie sie so mit ihm ging, standen sie unversehens an der Schwelle dieser Kirche. Hier nun mußte sie sehen, daß er von einem Altar zum anderen raste, hier die Kerzen zerbrach, dort alles hinunterfegte; sie aber ging danach in ihre Kammer und legte sich schlafen, ohne ihrer Mutter ein Sterbenswörtchen davon zu sagen.
Ihr Verehrer (es war ein verruchter Teufel) kam am nächsten Abend wieder zu ihr und bat sie, alles zu erzählen, was sie am Abend zuvor gesehen hatte, als sie ihn begleitete. Sie sagte aber, sie habe weder etwas gesehen noch gehört. Da fragte er sie: „Was ist dir lieber, willst du sagen, was du gesehen hast, als du mit mir gegangen bist, oder willst du, daß dein Vater stirbt?“

„Wenn es Gott gefällt, daß mein Vater sterben soll, so wird er sterben, aber ich habe nichts gesehen und nichts gehört!“ Und der Vater starb. Am dritten Tag erschien er aber wieder und sprach zu ihr: „Hättest du mir gesagt, was du gesehen hast, als du mit mir gegangen bist, dann hättest du deinen Vater noch. Was willst du jetzt, sagen, was du gesehen hast, oder willst du, daß dir auch deine Mutter noch wegstirbt?“ Darauf sie: „Ich habe werder etwas gesehen noch etwas gehört, und wenn Gott will, daß meine Mutter sterben soll, dann muß sie sterben!“ Und die Mutter starb ebenfalls. Ihr Galan kam auch am vierten Tag.
„Siehst du, hättest du gesagt, was du gesehen hast, so hättest du deine Mutter noch!“
Da sagte sie: „Sie starben, da der Herrgott nicht gewollt hat, daß sie länger leben, nun sind sie tot; ich aber habe nichts gesehen.“
Hierauf sagte er: „Was willst du, wirst du sagen, was du gesehen hast, nachdem du mich hinausbegleitet hattest, oder willst du selbst sterben?“ Sie entgegnete: „Ich habe nichts gesehen!“

Und sie ging unverzüglich zu der Gutsherrin und berichtete ihr, daß sie am nächsten Tag sterben müsse, und bat sie, daß man sie, wenn sie stürbe, im Zimmer nicht längs, sondern quer aufbahrte, mit den Füßen zum Fenster, nicht zur Tür, und daß man sie durch das Fenster und nicht durch die Tür hinaustrüge und sie nicht auf dem Friedhof begrübe, sondern in einem Graben neben dem Friedhof.
Und wie sie es gewünscht hatte, so wurde sie begraben – und es wuchs eine Lilie aus ihr hervor. Da fuhr ein Herr an dieser Lilie vorbei und sagte zu seinem Diener, er solle aussteigen und ihm diese Blume brechen. Der Diener ging hin und wollte sie pflücken. Die Blume aber sprach: „Brich mich nicht! Der mich haben möchte, soll selbst kommen, um mich zu pflücken.“ Und der Herr brach sie und steckte sie sich an den Hut. Dann fuhren sie zu einer Herberge, in der sie nächtigen wollten, und der Herr befahl seinem Koch, das Abendessen zu richten. Sie nahmen das Essen ein. Hernach bereitete der Lakai seinem Herrn das Nachtlager, und dieser legte sich schlafen. Der Lakai saß am Tisch und las, und der Hut seines Herrn lag auf dem Tisch.

Es schlug die zehnte Stunde, dann die elfte; als es aber zwölf geschlagen hatte, trat ein Fräulein hinter dem Hut hervor und sprach:
Oh, die Herren haben wohl keinen Gast erwartet, da sie nichts auf den Tellern gelassen haben.“ Kaum hatte das Fräulein dies ausgesprochen, war es verschwunden. Da legte sich auch der Lakai zum Schlafen nieder.
Anderntags erzählte er seinem Herrn, was sich in der Nacht zugetragen hatte, und obwohl sie gleich weiterreisen wollen, blieben sie deswegen noch an diesem Ort. Der Herr befahl seinem Koch ein Abendmahl zu richten und ein Gedeck für einen Gast auflegen. Der Lakai ging schlafen, der Herr aber setzte sich an den gedeckten Tisch und las beim Kerzenschein.
Es schlug die zehnte, die elfte und schließlich die zwölfte Stunde. Hinter dem Hut trat das Fräulein hervor und sprach: „Nun, heute waren die Herren höflich, sie haben einen Gast erwartet und den Tisch gut gedeckt.“

Indem sprang der Herr auf, ergriff das Fräulein an den Haaren und hielt es am Zopf fest.
Sie bat, er sie freilassen, denn ihre Zeit wäre gekommen. Aber er ließ sie nicht los, sondern nahm sie mit zu sich nach Hause. Zu Hause wollte er sich mit ihr vermählen, und tat es auch. Zur Hochzeit lud er viele Herren ein.
Sie fuhren zur Kirche, sie schritten durch die Kirche – in dem Augenblick eilte jener(der Teufel) herbei und fragte sie, was ihr lieber wäre, zu sagen, was sie gesehen hatte, als sie ihn begleitete, oder ein zweites Mal zu sterben.
Da umringten sie alle diese Herren und redeten auf sie ein, daß sie sagen sollte, was sie gesehen hatte, als sie jenen begleitete.
Und sie erzählte vor dem Pfarrer und allen diesen Herren, daß seinetwegen Vater und Mutter sterben mußten und schließlich sie selbst und daß sie ihn nicht nur bis zur Schwelle ihres Flures hinausbegleitet hatte, sondern bis an die Kirchenschwelle mit ihm gegangen war, und er sei dort über die Altäre gefahren, habe die Kandelaber umgeworfen und die Kerzen zerbrochen, sie aber sei, nachdem er alle Kerzen zerbrochen hatte, in ihre Kammer gegangen und habe sich schlafen gelegt und ihren Eltern von alledem nichts erzählt. Danach zerfloß er (der Teufel) in der Kirche zu einer Pechlache, sie aber wurde getraut. Ich war auch auf der Hochzeit, aber ich hatte eine trockene Zunge, und unter meinen Füßen knirschte der Sand.

 
Quelle: Kolberg, O. Lud.ser.XIV. Krakow 1881

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