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Von Armaiinu

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Es war einmal ein König, der hatte drei schöne Töchter. Als nun eines Tages die Prinzessinnen sich im Garten belustigten, brachen drei furchtbare Riesen in den Garten ein, und raubten die Prinzessinnen. Da ließ der König im ganzen Reich verkündigen, wer ihm die Töchter wiederbringe, solle sich eine von ihnen zur Gemahlin wählen, und nach ihm König sein. Es kamen viele und zogen aus, die Prinzessinnen zu finden, aber keiner von ihnen kehrte jemals zurück.
Nun kamen eines Tages auch drei Prinzen, die waren Brüder. Sie ließen sich vor den König führen und sprachen: »Königliche Majestät, wir sind gekommen, die Prinzessinnen zu erlösen.« »Ach,« antwortete der König, »es sind schon so viele ausgezogen und noch keiner ist wiedergekommen; hoffen wir zu dem Herrn, daß es euch besser glücken wird.«
Da wanderten die drei Prinzen fort, immer zu, ein Jahr, einen Monat und einen Tag, bis sie an ein schönes großes Schloß kamen, das mitten in einem großen Gute lag. Da verloren sie den Muth noch weiter zu wandern, und dachten: »Hier wollen wir bleiben, bis wir etwas Genaueres erfahren, wo die Prinzessinnen zu finden sind. Das Gut ist schön, und Wild gibt es im Ueberfluß, daß wir uns davon ernähren können.« Also blieben sie da, gingen auf die Jagd, und führten in dem schönen Schlosse ein herrliches Leben.
Unterdessen wartete der König immerfort auf seine Töchter und ihre Befreier, und da immer niemand kam, dachte er endlich: »Sie werden verschollen sein, wie die andern auch,« und war sehr traurig. Er hatte aber einen alten treuen Thürhüter, der war früher Soldat gewesen, und weil er im Kriege einen Arm und ein Bein verloren hatte, und nicht arbeiten konnte, so war er des Königs Thürhüter geworden, und hieß Armaiinu. Der kam zum König und sprach: »Königliche Majestät, ich will ausziehen, und die drei Prinzessinnen und die drei Prinzen suchen und sie euch wiederbringen.« Der König lachte und sprach: »O Armaiinu, wenn so viele starke, junge Leute dabei zu Grunde gegangen sind, wie wolltest du es unternehmen?« Armaiinu aber ließ sich von seinem Vorhaben nicht abbringen, also daß ihm der König endlich den erbetenen Urlaub geben mußte.
Da zog Armaiinu fort zu Fuß, und trug nur ein kleines kurzes Schwert, über das alle Leute lachten. Es war aber ein Zauberschwert, und wer das hatte, dem konnte nichts widerstehen. Armaiinu wanderte und wanderte, und weil er alt und lahm war, so brauchte er zwei Jahre, zwei Monate und zwei Tage, bis er zu dem Schloß kam, wo die drei Prinzen weilten. Endlich erreichte er es, trat herein, grüßte sie, und sprach: »Ich bin gekommen, nach euch zu sehen, edle Prinzen, und euch zu helfen, die Prinzessinnen wieder zu erlangen.« Die Prinzen lachten, aber sie hießen ihn doch willkommen. Da sprach Armaiinu: »Nun wollen wir noch einige Tage hier bleiben, und jeder von uns soll der Reihe nach im Schloß bleiben und kochen, derweil die andern auf die Jagd gehen.«
Die Prinzen waren es zufrieden, und am ersten Tag blieb der Aelteste da. Als er nun eben daran war, eine wilde Ente zu rupfen, trat ein gewaltiger Riese herein, der frug ihn mit drohender Stimme: »Wer hat dir erlaubt, in meinem Schlosse zu wohnen?« »Wir wohnen ja schon seit zwei Jahren hier,« antwortete der Prinz, »und erst jetzt fällt es euch ein, danach zu sehen.« »Antwortest du mir so?« rief der Riese, erhob seinen großen Stock, und prügelte den Prinzen durch, bis er halb todt liegen blieb. Als die andern wiederkamen, war die Ente erst halb gerupft, und der Prinz lag am Boden und stöhnte: »Ich habe auf einmal solches Leibweh bekommen,« sagte er, »und konnte deßhalb meine Arbeit nicht fortsetzen.«
Am zweiten Tag blieb der zweite Prinz da, es erging ihm aber nicht besser; während er eine wilde Ente rupfte, erschien der Riese und frug ihn, wer ihm erlaubt habe, im Schlosse zu wohnen, und da er dieselbe Antwort gab wie sein Bruder, so prügelte ihn der Riese durch, und ließ ihn halbtodt liegen. Als die andern kamen, fanden sie die Ente nur halb gerupft, und den Prinzen am Boden, der stöhnte: »Ach, ich habe auf einmal solches Kopfweh bekommen, daß ich in meiner Arbeit nicht fortfahren konnte.« Also mußten sie wieder hungrig zu Bette gehen. Der Aelteste aber sprach leise zum Zweiten: »Du, hat dich der Riese vielleicht auch durchgeprügelt?« »Ja,« antwortete der Andre, »wir wollen den Beiden dort nichts sagen. Haben wir unsre Prügel bekommen, so können sie auch welche kriegen.«
Am nächsten Morgen blieb der jüngste Prinz zu Hause, es erging ihm aber nicht besser als seinen Brüdern; als die andern Abends heimkamen, war die Ente kaum zur Hälfte gerupft, und der Prinz lag am Boden und stöhnte: »Ach, es ist mir so unwohl geworden, darum konnte ich nichts machen.« »Nun, das ist nett,« sprach Armaiinu, »ihr seid drei kräftige junge Leute, und nun müssen wir dreimal nacheinander hungrig zu Bette gehen, weil der eine Leibweh bekommt, und der andre Kopfweh, und es dem dritten unwohl wird. Ich sehe schon, morgen muß der arme Armaiinu zu Hause bleiben und für alle arbeiten.« »Ja,« dachten die drei Brüder, »bleibe du nur zu Hause, und koste die Prügel, die wir haben schmecken müssen.«
Am vierten Tag also blieb Armaiinu zu Hause, und als er eben eine Ente rupfte, erschien der Riese und sprach mit drohender Stimme: »Seid ihr noch immer da? Warte nur, heute bringe ich dich um.« Armaiinu aber zog sein Zauberschwert, ging auf den Riesen los und hieb ihm den Kopf ab. Dann briet er das Wild, und als die Anderen kamen, stand er ganz vergnügt unter der Thür und rief ihnen zu: »Ihr kommt zu guter Stunde, denn das Essen ist fertig.« Da verwunderten sie sich sehr und frugen ihn, ob niemand gekommen wäre. »O ja,« sprach Armaiinu, »es kam so ein unhöflicher Kerl, dem habe ich den Kopf abgeschnitten.« Da erschraken die Prinzen und dachten: »Das geht nicht mit rechten Dingen zu.«
Am andern Morgen sprach Armaiinu: »Nun wollen wir aber auch gehen, die Prinzessinnen zu erlösen; hinter dem Hause ist eine große Cisterne, da muß sich einer von uns hinunterlassen, denn da unten sind die armen Mädchen gefangen.« »Gut,« antwortete der älteste Prinz, »ich will es versuchen.« Da nahmen sie einen großen Korb und banden ihn an einen Strick, und der Prinz stellte sich in den Korb und nahm auch ein Glöckchen mit; wenn er das läutete, sollten ihn die Anderen wieder hinaufziehen. Wer aber auf den Grund der Cisterne gelangen wollte, mußte durch einen großen Wind, durch ein großes Wasser und durch ein großes Feuer hindurch. Als nun der Prinz zum großen Wind kam, ward ihm so bange, daß er sein Glöckchen läutete und sich hinauf ziehen ließ.
Nun wollte der zweite Prinz sein Glück versuchen und hielt auch muthig aus, bis er durch den großen Wind gekommen war. Als er aber das Wasser an seinen Füßen spürte, verlor er den Muth, läutete und ließ sich hinaufziehen.
Nun war die Reihe an dem Jüngsten. Der ging muthig durch den Wind und durch das Wasser hindurch; als er aber das Feuer spürte, mochte er nicht weiter und ließ sich hinaufziehen.
»Nun muß wohl der arme Armaiinu sein Glück versuchen,« sprach der Alte, stieg in den Korb und ließ sich in die Cisterne hinunter. Er ging muthig durch den Wind, das Wasser und das Feuer und kam glücklich unten an. Da stieg er aus dem Korb und wanderte ein wenig in einem dunkeln Raum, bis er eine Thüre sah, unter der schien das Licht hindurch. Als er aber aufmachte, sah er einen schönen Saal, darin saß die älteste Prinzessin vor einem wunderschönen Spiegel, und vor ihr lag der eine Riese und ruhte mit seinem Kopf in ihrem Schoß. Da zog Armaiinu sein Zauberschwert und hieb dem Riesen den Kopf ab, ohne daß er auch nur erwachte. Die Prinzessin aber wies mit der Hand auf eine Thüre, und als er diese öffnete und durchging, kam er in einen zweiten Saal, darin saß die zweite Prinzessin wie ihre Schwester vor einem wunderschönen Spiegel und vor ihr lag der zweite Riese und ruhte mit seinem Kopf auf ihrem Schoß. Armaiinu aber schlug ihm den Kopf ab und ging dann durch eine Thüre in den dritten Saal, wo die jüngste Prinzessin saß wie ihre Schwester vor einem Spiegel und des dritten Riesen Kopf in ihrem Schoß haltend. Da schlug Armaiinu auch diesem Riesen den Kopf ab und befreite so die Prinzessinnen. Nun führte er sie alle drei an den Ort, wo noch der Korb hing, setzte die älteste Prinzessin hinein und läutete das Glöckchen. Die Prinzen zogen die Prinzessin hinauf und ließen dann den Korb wieder hinunter. Da setzte Armaiinu auch die zweite Prinzessin in den Korb und zuletzt auch die Jüngste. Als aber die drei Prinzen die Töchter des Königs herausgezogen hatten, sprachen sie untereinander: »Wir wollen den alten Thürhüter unten sitzen lassen, so wird uns allein der Lohn für die Befreiung der Prinzessinnen.« Da drohten sie den Mädchen, sie zu ermorden, wenn sie nicht einen heiligen Eid schwören würden Nichts zu verrathen, und eilten davon. Als sie nun an des Königs Hof kamen, sagten sie: »Königliche Majestät, nach langem Kampf und großer Mühe ist es uns gelungen, eure Töchter zu befreien und die Riesen umzubringen.« Da war der König hoch erfreut und ließ eine glänzende Hochzeit veranstalten und jeder Prinz heirathete eine Prinzessin.
Unterdessen hatte Armaiinu lange in der Cisterne gewartet und mit seinem Glöckchen geläutet, aber der Korb wurde nicht wieder heruntergelassen und er merkte endlich, daß die Prinzen ihn verrathen hatten. Da ging er zurück in die schönen Säle und sah alle die herrlichen Schätze, die dort gesammelt waren. Aber er empfand nur Zorn darüber, denn er dachte, daß alle die Schätze ihm nichts helfen könnten, so lange er in der Cisterne gefangen saß. Wie er nun vor dem Spiegel stand, vor dem die älteste Prinzessin gesessen hatte, übermannte ihn der Zorn, daß er einen großen Stein gegen den Spiegel warf und ihn in tausend Stücke zerbrach. Aus dem Spiegel aber fiel ein prachtvoller Kaisermantel und eine Kaiserkrone heraus. »Was hilft mir der schöne Mantel und die Krone, wenn ich nicht aus der Cisterne hinaus kann?« rief er, und zerriß ihn in tausend Stücke. Dann ging er in den zweiten Saal und zerbrach auch den andern Spiegel. Da fielen ein Kaisermantel und eine Kaiserkrone heraus, die waren noch viel prächtiger als die ersten. Armaiinu wollte diesen Mantel auch zerreißen, da er aber sah, wie prächtig gestickt er war, so wollte er ihn doch nicht verderben, und ging hin und zerbrach auch den dritten Spiegel. Da fiel ein kleines Pfeifchen heraus, und als er es an den Mund setzte und hinein blies, rief eine Stimme: »Befiehl.« »So wünsche ich mir, ein junger schöner Mann zu sein,« rief Armaiinu. Da wurde er in einen jungen wunderschönen Mann verwandelt, legte den prächtigen Kaisermantel an und setzte die Krone auf, und war nun anzuschauen wie ein mächtiger Kaiser. Da pfiff er wieder und wünschte sich aus der Cisterne hinaus und in demselben Augenblick stand er an der freien Luft. Da wünschte er sich noch ein großes Gefolge und einen sechsspännigen Wagen und fuhr dann nach den Hof des Königs.
Als aber der König hörte, der Kaiser der ganzen Welt zöge in sein Reich ein, eilte er ihm entgegen und fiel ihm zu Füßen. Armaiinu aber hob ihn freundlich auf und sagte, er wolle heute bei ihm zu Tische sein.
Also wurde ein glänzendes Mahl gehalten, und nach dem Essen sollte ein jeder eine Geschichte erzählen. Da sprach Armaiinu: »Ich will euch die Geschichte eines armen Thürhüters erzählen, und hub an, und erzählte seine eigene Geschichte.« Die drei Prinzen aber, die nebst ihren Frauen mit zu Tische saßen, erschraken sehr, als sie diese Geschichte hörten, und Armaiinu rief: »Ja, königliche Majestät, und ich bin der arme Armaiinu, und diese drei Prinzen sind die Verräther, die mich im Stich gelassen haben, und wenn es noch eines Beweises bedarf, so seht doch nur, wie sie alle drei so blaß und entstellt aussehen.« Da ließ der König die drei Prinzen hinausführen und erhängen, und sprach zu Armaiinu: »Wähle dir nun eine meiner Töchter aus, und wenn ich sterbe, so sollst du König sein.« Armaiinu aber sprach: »Nein, königliche Majestät, euren Töchtern gebührt es, drei Königssöhne zu heirathen; ich aber wünsche mir nichts anderes, als in eurem Dienst als euer treuer Armaiinu zu sterben.« Da wünschte er sich in seine frühere Gestalt zurück und wurde wieder der lahme einarmige Armaiinu, der er früher gewesen war, und blieb des Königs Thürhüter, bis er starb. Die drei Prinzessinnen aber heiratheten mit der Zeit drei edle Königssöhne, und blieben glücklich und zufrieden, und wir sind leer ausgegangen.

[Italien: Laura Gonzenbach: Sicilianische Märchen]

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