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Märchenbasar

Von den zwölf Räubern

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Es waren einmal zwei Brüder, die waren beide arm und elend, hatten viele Kinder und wenig Geld. Da sprach eines Tages der eine von ihnen zu seiner Frau: »Ich will über Land gehen, vielleicht finde ich dann etwas Arbeit, daß ich ein wenig Geld verdienen kann.« Also machte er sich auf, und wanderte immer grade aus, bis er endlich auf einen hohen Berg kam. Da setzte er sich hin und dachte an sein trauriges Schicksal. Wie er nun so da saß, sah er auf einmal zwölf Räuber des Wegs daher kommen. »Ach, ich Unglücklicher,« dachte er, »wenn die mich hier finden, so morden sie mich,« und da er in der Nähe einen dichten Busch sah, versteckte er sich dahinter, bis die Räuber vorübergezogen sein würden. Die stiegen mit vielen Schätzen beladen den Berg hinauf, anstatt aber weiter zu gehen, hielten sie vor einem hohen Felsen, und der erste sprach: »Thu dich auf, Thür«, und alsbald that sich eine Thür im Felsen auf, und sie gingen alle zwölf hinein. Der Felsen aber schloß sich hinter ihnen.
Nach einer Weile kamen sie wieder heraus, und der letzte sagte: »Schließe dich, Thür«, und der Felsen schloß sich hinter ihnen. »Ei,« dachte nun der Arme, »da gibt es was zu holen,« und als die Räuber alle verschwunden waren, schlich er hinter dem Busch hervor, und stellte sich vor den Felsen: »Thu dich auf, Thür,« und sogleich öffnete sich die Thür, daß er hineingehen konnte. »Schließe dich, Thür,« und alsobald schloß sie sich hinter ihm. Da sah er denn nun alle Schätze der Welt aufgespeichert, denn Alles, was die Räuber stahlen, trugen sie dahin. Der arme Mann küßte den Boden, als er all das Gold und die vielen Schätze sah, füllte seine Taschen mit Goldmünzen, so viel er nur tragen konnte und sprach: »Thu dich auf, Thür,« da öffnete sich der Felsen, und er ging hinaus, und sagte: »Schließe dich, Thür,« damit der Felsen sich wieder schließen sollte. Dann ging er vergnügt nach Hause, und sprach zu seiner Frau: »Gott hat uns Ueberfluß geschickt; nun können wir fröhlich und sorglos leben.« Da fing er mit dem Geld einen keinen Handel an, und Gott gab seinen Segen, daß ihm Alles wohl gerieth.
Als nun sein Bruder sah, daß es ihm wohl ging, kam er zu ihm und sprach: »Lieber Bruder, sage mir, wie bist du zu all dem Geld gekommen. Sage es mir doch, damit ich auch hingehen kann und mir ein wenig hole.«
Da antwortete ihm sein Bruder: »So und so ist es mir ergangen, und wenn du hingehen willst, so wirst du noch ganze Berge von Gold finden. Auf Eines aber mußt du wohl achten, wenn die Räuber hineingehen, mußt du sie zählen, und wenn sie wieder herauskommen, mußt du sie noch einmal zählen, damit ja nicht einer darin geblieben ist.« Der Bruder machte sich auf, und kam bald auf den hohen Berg, wo die Räuber wohnten. Da versteckte er sich hinter einen Busch, und bald kamen die Räuber, und er zählte sie und es waren elf; denn als sie damals nach Hause kamen und fanden, daß an dem Gelde etwas fehlte, sagte der Hauptmann: »Von nun an soll jeden Tag Einer zu Hause bleiben, denn der Schurke, der uns einmal bestohlen hat, wird wohl auch zum zweiten Male kommen.«
Das konnten nun die beiden Brüder nicht wissen, und als der arme hinter dem Busch Versteckte die Räuber wieder herauskommen sah, zählte er sie noch einmal und es waren wieder elf. »Nun,« dachte er, »elf sind hinein und elf sind auch wieder herausgekommen, nun kann ich sicher hineingehen.« Da stellte er sich vor den Felsen und sprach: »Thu dich auf, Thür,« und die Thür that sich auf, und er ging hinein. Drinnen lag das Gold in großen Haufen, und Niemand war zu sehen. Da füllte er sich die Taschen mit Gold; als er aber hinaus wollte, sprang auf einmal der zwölfte Räuber hervor und erschlug ihn.
Als die Räuber wieder nach Hause kamen, und den Ermordeten sahen, sprachen sie: »So, du Spitzbube, jetzt hast du deinen Lohn gekriegt.« Unterdessen wartete der andre Bruder immer noch auf seinen armen Bruder, und als er gar nicht mehr kam, dachte er: »Gewiß haben ihn die Räuber gefangen und getödtet.« Da nahm er die Frau und die Kinder seines Bruders zu sich, und sorgte für sie, und blieb glücklich und zufrieden, und die Alte sitzt ohne Zähne da.

[Italien: Laura Gonzenbach: Sicilianische Märchen]

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