Es war einmal ein König, der hatte einen schneidigen Sohn, alt genug zum Heiraten. Der König sprach: »Mein lieber Sohn, du sollst gehen und dich verheiraten.« Nun gut. Er stieg auf den Aufboden und suchte die Schriften der Tage und fing an, in diesen zu lesen. Er las und weinte und las und weinte. »Warum weinst du so, mein Sohn?« – »Wie soll ich nicht weinen, Väterchen, es steht hier geschrieben, ich solle mir die schöne Rora, welche zwölf Feen aus Tau gemacht haben, holen; und ich weiß nicht, wo sie wohnt.« Nun gut. Er rüstet sich für die Reise, die schöne Rora zu suchen. Nur einmal kam ein Engel und sagte: »Auch ich will mit dir gehen, wir wollen Busenfreunde (frate de cruce) sein.« Sie zogen die Säbel heraus und schwuren bei Brot und Salz. Dann gingen sie beide zum heiligen Freitag.
»Guten Tag, heiliger Freitag.«
»Ich danke dir, Sohn des Königs, was bringt dich zu mir?«
»Wo wohnt die schöne Rora?«
Der heilige Freitag wußte es nicht, schickte ihn aber zum heiligen Sonnabend, der wohne eine Treppe höher. Sie stiegen hinauf zum heiligen Samstag.
»Guten Morgen, heiliger Samstag.«
»Ich danke, Sohn des Königs, was bringt dich zu mir?«
»Kannst du mir nicht berichten, wo die schöne Rora, welche zwölf Feen aus Tau gemacht haben, wohnt?«
»Gehe hinauf zum heiligen Sonntag, der wohnt drei Treppen höher.« Er stieg hinauf zum heiligen Sonntag.
»Guten Morgen, heiliger Sonntag.«
»Ich danke, Sohn des Königs, was bringt dich zu mir?«
»Kannst du mir nicht sagen, wo die schöne Rora, von zwölf Feen aus Tau gemacht, wohnt?«
Der heilige Sonntag gab ihm sein Pferd, auf dem er in die Kirche ritt, und belehrte ihn, er solle nur aufsitzen und reiten, das Pferd kenne den Weg. Zuvor nahm er das Herz der Eiche und berührte den Kopf, damit der Königssohn wie ein alter Mann aussehe, denn die Feen ließen nur Alte hinein. Dort sei immer Tanz, immer Tanz; elf Feen wären wie andere Menschen, die zwölfte habe drei Augen, vor der müßte er sich hüten. Rora liege in einer Lade eingeschlossen. Wenn es zwölf schlage, schlafe auch das dritte Auge, dann solle er die Lade nehmen. Aber öffnen dürfe er sie nicht, solange er noch unterwegs sei; wenn er die Rora auf dem Wege sehe, so verliere er sie und bekomme sie nie mehr. Der Königssohn dankte, setzte sich aufs Pferd, sein Engel stieg hinter ihn, und nun ritten sie, bis sie zu den zwölf Feen kamen. Dann tat er alles, wie ihn der heilige Sonntag gelehrt. Das Pferd lief, so schnell es konnte, nach Hause, damit es da sei, wenn die Glocken zur Kirche läuteten, den Sonntag hinzutragen.
Als der Tanz zu Ende war, sagte die dreiäugige Fee zu den andern: »Legt euch jetzt schlafen, ich setze mich auf die Lade und hüte die Rora.« Gut. Nur kurze Zeit verging, und alles schlief, nur das Auge im Nacken wachte und wollte sich nicht schließen, bis es zwölf schlug. Nachher schlief auch dieses. Als der Königssohn dies sah, nahm er die Lade mit der Rora und ging und ging, bis er in den Wald kam, dann konnte er sich nicht mehr enthalten sie zu sehen. Wie sehr ihn auch der Engel und Rora selbst bat, zu warten, bis sie zu Hause wären, so nahm er doch den Säbel und öffnete nur ein wenig; nur einmal erhellte sich die Welt, als ob die Sonne aufgehe, die Fee öffnete alle drei Augen zugleich, und ihr Pferd wieherte und sprang bis an die Decke. Die Alte fragte das Pferd: »Was denkst du, mein Pferd, werden wir sie noch erreichen?«
»Was ist denn geschehen?«
»Der Königssohn hat uns das Mädchen genommen. Können wir noch einen Ofen voll Brot und einen Ochsen essen und ein Faß Wein trinken?«
»Wir können das alles essen und trinken und sie einholen.« Sie aßen und tranken und holten sie ein, und als sie sie eingeholt, hieb die Fee dem Königssohn den Kopf ab und nahm sich das Mädchen.
Der Engel ging und hieb sich einen Ast vom roten Hornstrauch ab, nahm von diesem die drei Zweiglein, rieb dem Königssohn mit diesen Kopf und Leib, und sogleich schlug er die Augen auf und sagte: »Ach, Bruder mein, wie schwer hab‘ ich hier geschlafen.«
»Schwer, wirklich, wenn ich nicht gewesen, wärst du nie mehr erwacht.«
»Was soll ich jetzt machen?«
»Komm, wir gehen wieder zum heiligen Sonntag.« Sie gingen.
»Guten Morgen, heiliger Sonntag.«
»Du sollst leben, Sohn des Königs.«
»Sei so gut und lehr mich, was ich machen soll. Sieh, wie es mir ergangen.« So und so. Er erzählte genau der Wahrheit gemäß, wie es sich zugetragen hatte.
Der heilige Sonntag schüttelte den Kopf und sprach: »Warum gehorchtest du nicht zuerst, jetzt ist es noch schwerer als bisher. Aber merk jetzt gut auf, was ich dir sage: Du sollst gehen zur Mutter des Drachen, welche hinter den schwarzen Bergen wohnt, diese schlagen ihre Spitzen in einem fort zusammen und stehen nur fünf Minuten um Mitternacht still. In dieser Zeit sollst du geschwind zwischen durchgehen. Dann mußt du dich bei der Alten als Knecht verdingen, darfst aber keinen andern Lohn verlangen als das achtfüßige Füllen, welches die Stute füllnen wird, während du sie hütest. Ich will dir wieder mein Pferd geben, auf dem ich in die Kirche reite, nur mußt du dafür sorgen, daß es zurück kommt, bis die Glocken läuten.« Nun gut.
Der Königssohn schwang sich aufs Pferd, der Engel setzte sich hinter ihn. So ritten sie nun und ritten bis nahe an einen Wald, dort trafen sie einen Raben mit einem verletzten Fuß, der Königssohn wollte ihn schießen. »Na, schieß mich nicht, komm lieber und verbinde mich.« Dieser zog sein Taschentuch aus dem Busen und band ihm den Fuß. Der Rabe dankte, gab ihm eine Feder und sprach: »Ich will dir auch einmal helfen.«
Nun ritten sie weiter und kamen an einen Bach, an dessen Ufer lag ein Fisch auf dem Sande fast tot und rief: »Komm, mein Bursche, und leg mich wieder ins Wasser, sonst sterbe ich hier vor Kälte und Hunger; nimm dir dafür eine Schuppe von mir, du kannst dich auch einmal auf mich verlassen.«
Er nahm den Fisch, warf ihn ins Wasser, die Schuppe aber steckte er in die Tasche.
Als sie eine Strecke weitergeritten, sahen sie einen Fuchs, der saß und wehklagte über seinen wehen Fuß. Der Königssohn zog wieder sein Tüchlein aus dem Busen und band ihm den Fuß. Der Fuchs dankte und sagte: »Zieh dir ein Haar von mir heraus, ich will dir auch einmal gehorchen.« Er zog ein Haar heraus, legte es in die Tasche und sprach: »Gott helfe dir.« Dann ritt er weiter, immer weiter bis zu den schwarzen Gebirgen, die die Häupter immer zusammenschlagen. Dort wartete er bis zwölf Uhr, nachher standen sie still. Gleich beeilte er sich, zwischen ihnen hindurchzukommen, und langte bei der Mutter des Drachen an. Als er in den Hof trat, erschrak er sehr, da er sah, wie alle Häupter der Knechte, die dort gedient, am Zaun aufgesteckt waren, aber trotz aller Angst trat er in die Stube: »Guten Morgen, Mutter des Drachen!«
»Ich danke, Sohn des Königs, was bringt dich zu mir?«
»Sieh, ich bin gekommen, um mich bei dir als Knecht zu verdingen.« – »Nun gut, ich dinge dich, hier hast du keine andere Arbeit, als daß du meine Stute hütest, aber wisse: Falls du sie verlierst, schlage ich dir den Kopf ab und hänge ihn auch zu den andern. Nun, was verlangst du als Lohn, Sohn des Königs?«
»Ich verlange nicht viel, nur das Füllen, welches die Stute in diesem Jahre füllnen wird« (damals hatte aber das Jahr nur drei Tage).
Nun gut. Er nahm die Stute, trieb sie auf seidenes Gras und hütete sie. Nur einmal übermannte ihn der süße Schlaf, nur ein wenig, und wie er die Augen öffnete, sah er die Stute nirgends. »Was soll ich nun machen? Jetzt haut mir die Alte den Kopf ab.« Wie er so stand und nicht wußte, was er tun sollte, steckte er die Hand in die Tasche, in welcher er die Feder vom Raben hatte. Als die Hand die Feder berührte, kamen die Raben aus der ganzen Welt herbeigeflogen und fragten: »Was wünschest du, unser Herr?« – »Nun seht, wie es mir ergangen. Ich hütete die Stute, da bezwang mich ein Schlaf, der süße, und wie ich die Augen öffnete, sah ich sie nirgends; jetzt schlägt mir die Drachenmutter den Kopf ab.«
»Fürchte dich nicht, sie macht dir nichts, bis zwölf Uhr bringen wir dir die Stute. Die Alte hat sie in einen Adler verwandelt, da flog sie in die Wolken und hat dort ein Füllen mit acht Füßen gefüllent. Wenn du sie siehst, sollst du ihr gleich den Zaum über den Kopf werfen, dann wird aus dem Adler gleich wieder die Stute.« Gut.
Sie flogen wie der Wind, und nur ein wenig, so kamen sie zurück mit dem Adler. Der Königssohn warf den Zaum über seinen Kopf, und gleich stand die Stute da mit einem achtfüßigen Füllen. Nun blieb sie ruhig da, er konnte ohne Sorge um sie sein. Als es zwölf schlug, kam die Alte und ärgerte sich sehr, als sie die Stute im Grase fressend sah und das Füllen mit acht Füßen bei ihr.
Am andern Tag nahm der Knecht die Stute wieder und trieb sie auf das seidene Gras und hütete sie, da überkam ihn wieder der süße Schlaf, nur ein wenig, doch als er die Augen öffnete, war sie wieder fort, und er konnte sie nirgends finden. Aber jetzt erschrak er nicht so sehr, er zog die Schuppe heraus, und wie er sie in die Hand nahm, versammelten sich gleich die Fische aus allen Wässern und fragten: »Was wünschest du, unser Herr?« Er sagte ihnen, wie es ihm ergangen. »Wart nur ein wenig, wir bringen dir die Stute. Die Alte hat sie in einen Fisch verwandelt und zu uns ins Wasser gebracht.« Die Fische zogen zurück und brachten schnell einen großen, großen Fisch; der Knecht warf ihm den Zaum über den Kopf, und gleich stand die Stute im Grase fressend. Als es zwölf schlug, kam die Alte und ärgerte sich furchtbar, als sie das Pferd neben dem Knecht im Grase sah, und dachte: »Warte nur, Königssohn, morgen hau‘ ich dir doch den Kopf ab und steck‘ ihn an einen Stecken wie die andern.« Gut.
Am dritten Tag trieb er sie wieder aufs Gras, und wieder betrog ihn der Schlaf, aber nur grade auf einen Augenblick, doch die Stute war fort. Als der Knecht die Augen öffnete, sah er sie nirgends. Nun zog er das Haar des Fuchses heraus, gleich versammelten sich die Füchse aus der ganzen Welt und fragten: »Was wünschest du, unser Herr?« – »Nun seht, wie es mir ergangen.«
»Wenn es nur das ist, dann helfen wir dir gleich. Die Mutter des Drachen hat die Stute in ein Ei verwandelt und in eine Lade gelegt und sitzt darauf. Komm, wir gehen jetzt in den Hof, wir begeben uns zwischen die Hühner, dann wird die Alte herauskommen, du gehst aber schnell hinein, öffnest die Lade, wirfst den Zaum über das Ei, gleich steht das Pferd da, und du reitest in den Hof.« So geschah es. Als die Füchse in den Hof drangen, war das ein Lärmen, die Hühner gackerten, die Hähne krähten; die Alte hörte es und lief hinaus, der Knecht lief hinein, öffnete die Lade, warf den Zaum über das Ei, setzte sich auf die Stute und ritt hinaus zur Alten; eben schlug es zwölf und das Jahr war zu Ende. Dann gab ihm die Alte seinen Lohn.
Er setzte sich auf das Füllen und machte sich auf den Weg zur schönen Rora. Er ritt und ritt bis gegen Abend, nur einmal sagte das Füllen: »Lieber Herr, du mußt mir erlauben, umzukehren zu meiner Mutter und noch eine Nacht an ihr zu trinken, damit ich stärker werde.«
»Ich würde dich ja lassen, aber du kommst dann nicht mehr.« – »Oh, ich komme, lieber Herr, ich bin dir zugeteilt und du mir.« Das Füllen lief fort, kam aber am nächsten Morgen mit dem Tag wieder. Nun gingen sie weiter, abends bat das Füllen wieder, er möchte es zu seiner Mutter lassen. Am dritten Abend sagte es: »Nur dreimal, lieber Herr, bis jetzt hast du mich auf dem Rücken getragen, dann werde ich dich tragen, dann sollst du reiten! Fürchte dich nicht!« Gut.
Als das Füllen nach der dritten Nacht von seiner Mutter zurückkehrte, war es kein Füllen mehr, jetzt war es ein Pferd, größer und feuriger als seine Mutter, auch als sein Bruder, welchen die Fee mit den drei Augen hielt, denn dieser hatte nur sechs Füße. An diesem Tage gelangten sie zur schönen Rora. Diese saß am Fenster und säumte mit goldenem Faden. Der Sohn des Königs hob sie durchs Fenster aufs Pferd, und das Pferd rannte fort wie Feuer. Die Alte mit den drei Augen war ein wenig eingenickt, als sie wieder um sich sah, sah sie sich ohne Rora. Gut. Sie war sehr bestürzt und ging in den Stall zu ihrem Pferd, das wieherte und sprang vom Boden bis ans Dach. »Was denkst du, mein Pferd, können wir sie noch einholen?« – »Wir müssen gleich aufbrechen, sonst können wir sie nicht mehr erreichen.« Sie machten sich auf und ritten und ritten schneller als der Gedanke und holten sie ein, aber das Pferd war sehr ermüdet. Als sie nahe an ihnen waren, wandte sich das Pferd mit den acht Füßen um und schlug die Alte zu Boden, der Engel zog das Schwert und hieb ihr den Kopf ab. Das Pferd blieb bei seinem Bruder. Nun wurden beide an einen Wagen gespannt. Der Bräutigam mit der Braut saßen vorne nebeneinander, der Engel setzte sich in den Korb (serigla). Da hörte er einen Vogel singen: »Deine Mutter erwartet dich mit einem vergifteten Pferd, wenn du dich drauf setzest, wirst du zerspringen. (Es war die Stiefmutter.) Wer dies hört und es sagt, wird eine Steinsäule.« Zum zweiten Male sang der Vogel: »Deine Mutter erwartet dich mit einem Becher voll vergiftetem Wein, wenn du ihn trinkst, wirst du zerspringen, wer es hört und sagt, der wird eine Steinsäule.« Zum dritten Male sang der Vogel: »Deine Mutter erwartet dich mit einem weißen Hemd voll Gift, wenn du es anziehst, wirst du zerspringen. Wer dies hört und dir es sagt, der wird eine Steinsäule.«
Der Engel hatte alle diese Worte gut verstanden, aber die beiden andern plauderten und hörten nichts.
Als sie zu Hause ankamen, wurde das Tor geöffnet, und die Königin kam ihnen mit einem Pferd entgegen. Als der Bräutigam sich darauf setzen wollte, zog der Engel das Schwert und hieb das Pferd in zwei Teile. Alle Leute, welche dies sahen, erschraken und wußten nicht, was dies sein könnte. Als sie in den Hof traten, kam wieder die Mutter mit einem Becher voll Wein zum Gruße. Der Engel stieß ihr den Becher aus der Hand, daß der Wein sich verschüttete. Nun traten sie ins Haus. Die Mutter brachte ein weißes Hemd, als der Sohn es anziehen wollte, nahm es der Engel und warf es ins Feuer, daß der Ofen zerbarst.
Jetzt wurden aber alle Leute zornig und wollten den Engel hängen, wenn er nicht sage, warum er dies alles getan. Da fing er an zu erzählen, wie er den Vogel hätte singen hören, und als er vom Pferd erzählte, wurde er Stein bis an die Knie, als er zum Becher kam, wurde er Stein bis ans Herz, und als er ans Hemd kam, da war er ein Stein bis über den Kopf. Und wie sie auch klagten, wie sie auch weinten und jammerten, die Rora mit dem Sohn des Königs, sie konnten es nicht ändern.
Als ein Jahr vergangen, bekam das junge Paar einen Knaben, so schön, der wuchs gesund wie ein Fisch. Ein Jahr verging nach dem andern, bis vier verflossen waren. Da stieg der Sohn des Königs auf den Aufboden und fand wieder die Bücher der Tage und las darin, nur einmal rief er seine Frau herbei und sprach zu ihr: »Sieh nur, was hier geschrieben steht: Wenn wir die Steinsäule mit dem Blut unseres Knaben bestreichen, dann kommt der Engel wieder heraus.« – »Heit! wir machen es.« – »Aber wer soll den Knaben töten?« – »Du.« – »Nein Du.« So streitend gingen sie mit dem Kind beide zur Steinsäule. Nun standen beide und wußten nicht, wie sie an diese Arbeit gehen sollten. Das Kind spielte da herum, nur einmal stieß es seine Hand an den Stein, daß das Blut floß, und legte die blutende Hand auf den Stein, da zersprang er, und der Engel stand zwischen ihnen gesund und schön und sagte: »Ach, wie lange ich geschlafen hab.« Nun war große Freude unter ihnen allen. Der Engel lebte nun mit ihnen in Friede und Gesundheit und geehrt, und wenn er noch ist, so lebt er auch heute.
Erzählt von Jakob Janku, Alze
[Rumänien: Pauline Schullerus: Rumänische Volksmärchen aus dem mittleren Harbachtal]