In einem weit entfernten Königreich, hinter dreimal neun Ländern im dreimal zehnten Reich lebte einst ein starker und mächtiger König. Der König hatte einen mutigen Jägersmann in Diensten und dieser Jäger besaß ein tapferes Pferd. Eines Tages ritt der Jäger auf einer Jagd durch den tiefen Wald. Er folgte einem alten, verwitterten Pfad und plötzlich lag da auf dem Boden eine goldene Feder vom Feuervogel. Sie glänzte so hell wie eine Flamme. Da sagte das Pferd zum Jäger: „Nimm diese Feder nicht! Wenn du sie nimmst, wirst du großes Unglück kennen lernen!“ Der Jäger bedachte die Worte des Pferdes wohl – sollte er sie aufheben oder nicht ? Wenn er sie aufhob und zu seinem König brachte, würde er sicherlich eine große Belohnung erhalten. Und gab es etwas, das es nicht wert war, dem König zu Diensten zu sein?
So hörte der Jägersmann nicht auf sein Pferd, hob die Feder des Feuervogels auf und brachte sie dem König als Geschenk. „Ich danke dir“ sprach der König, doch sein Herz war angesichts der goldenen Feder voll der Gier. „Aber wenn du die Feder des Feuervogels finden konntest, so finde auch den Feuervogel selbst. Wenn du dies nicht kannst, so verlierst du deinen Kopf!“ Der Jäger weinte bittere Tränen und ging zurück zu seinem tapferen Pferd. „Warum weinst du?“ fragte ihn das Ross. „Der König hat mir befohlen, ihm den Feuervogel zu bringen!“ „Habe ich dich nicht gewarnt, die Feder zu nehmen? Doch gräme und ängstige dich nicht. Dies ist nicht das Unglück, das auf dich wartet. Geh zum König und frag nach hundert Scheffeln Korn, die morgen auf ein offenes Feld gestreut werden sollen.“
Der Jäger tat wie geheißen und ritt am folgenden Tag zu diesem Feld, stieg von seinem Pferd und versteckte sich inter einem Baum. Nach einer Weile hörte ein Rauschen im Wald – der Feuervogel kam geflogen. Er erreichte das Feld, ließ sich dort nieder und begann, das Korn aufzupicken. Leise näherte sich ihm das Pferd, stieg mit seinen Hufen auf seine Flügel und drückte sie auf den Boden. Der Jäger kam aus seinem Versteck, rannte zum Feuervogel und fesselte ihn mit Stricken. Darauf band er ihn an sein Pferd und ritt zurück zum Schloss. Dort zeigte er den Feuervogel dem König. Dieser bestaunte den Vogel mit Entzücken, dankte dem Jägersmann für seine Dienste, erhob ihn in den Adelsstand und gab ihm sofort eine andere Order. „Nun musst du mir eine Braut suchen. Hinter dem dreimal neunten Land am Ende der Welt lebt die wunderschöne Prinzessin Wasilisa – sie ist die, die ich begehre. Wenn du sie mir bringst, überhäufe ich dich mit Silber und Gold. Wenn nicht, wist du deinen Kopf verlieren.“
Der Jäger weinte erneut bittere Tränen und ging zurück zu seinem Pferd. „Warum weinst du, Meister?“ fragte ihn das Ross. „Der König hat mir befohlen, Prinzessin Wasilisa zu ihm zu bringen!“ “Gräme und ängstige dich nicht. Dies ist noch immer nicht das Unglück, das auf dich wartet. Geh zum König und frag nach einem Zelt mit einem goldenen Dach sowie nach aller Art von Speis und Trank für die Reise.“
Der König gab ihm Speis und Trank und ein Zelt mit goldenem Dach ebenso. Der Jäger bestieg sein tapferes Pferd und ritt hinter das dreimal neunte Land. Nach einiger Zeit erreichte er das Ende der Welt, wo die rote Sonne aus dem blauen Meer stieg. Auf dem Meer erblickte er die Prinzessin Wasilisa. Sie war voll der Schönheit und segelte dort in einem silbernen Boot mit goldenen Rudern. Der Jägersmann stieg von seinem Pferd, schickte es auf eine saftige Weide und errichte das Zelt mit dem goldenen Dach. Dann tischte er darin alle Arten von Speisen und Getränken auf. Er setzt sich, bewirtete sich selbst und wartete auf die Prinzessin.
Prinzessin Wasilisa erblickte das goldene Dach des Zeltes, segelte ans Ufer, verließ ihr Boot und schritt zum Zelt. „Seid gegrüßt, Prinzessin Wasilisa“ sagte der Jägersmann „seid mein Gast uns testet meine erlesenen Weine!“ Wasilisa betrat das Zelt und sie begannen zu essen und trinken und sich zu unterhalten. Die Prinzessin trank ein großes Glas von dunklem Wein, wurde betrunken und fiel in Schlaf. Der Jäger rief sein Pferd, faltete das Zelt zusammen und ritt schnell wie der Wind zusammen mit der schlafenden Prinzessin nach Hause.
Sie kamen zum König und als dieser Wasilisa erblickte, war er hoch erfreut. Er dankte dem Jägersmann für seine Dienste, beschenkte ihn mit großem Reichtum und gab ihm Titel mit höchsten Würden. Währenddessen erwachte Wasilisa, entdeckte, dass sie weit entfernt war von ihrer blauen See und begann sich zu grämen und zu weinen. In ihrem lieblichen Gesicht lag tiefer Schmerz. Egal was der König sagte, um sie zu trösten, alles war umsonst. Der König wollte sie heiraten, doch sie sprach: „Schick den, der mich hierher brachte, zurück zu der blauen See. In der Mitte der See liegt ein Stein, darunter ist meine Hochzeitsrobe versteckt. Ohne die Robe werde ich nicht heiraten.“ Der König ließ sofort den Jägersmann rufen und sprach zu ihm: „Eile zurück zum Ende der Welt, wo die rote Sonne aufgeht. Dort in der See liegt ein großer Stein und unter dem Stein liegt Prinzessin Wasilisas Hochzeitskleid. Hole das Kleid und bringe es hierher – es ist Zeit meine Hochzeit zu feiern. Wenn du es bringst, belohne ich dich noch reicher als zuvor, wenn nicht, verlierst du deinen Kopf!“
Der Jäger weinte wieder bittere Tränen und ging zurück zu seinem Pferd. „Dieses mal“ dachte er „werde ich dem Tod nicht entkommen!“ „Warum weinst du, Meister?“ fragte das Ross. „Der König befahl mir, Wasilisas Hochzeitsrobe vom Grund der tiefen See zu holen. „Nun siehst du es! Riet ich dir nicht, die goldene Feder nicht zu nehmen oder du wirst das Unglück kennen lernen? Doch fürchte dich nicht. Dies ist noch immer nicht das Unglück, das auf dich wartet. Setze dich nieder auf meinem Rücken und lass uns reisen zur großen blauen See.
Nach einiger Zeit erreichte der Jägersmann wieder das Ende der Welt und zügelte sein Ross an der Küste der See. Das Pferd sah eine große Krabbe über den Sand kriechen und trat mit seinem schweren Huf in ihren Nacken. „Tötet mich nicht, lasst mir das Leben“ sprach die Krabbe „Ich will für euch tun, was ihr wollt.“ Das Pferd antwortete: „In der Mitte der weiten See liegt ein großer Stein. Unter dem Stein liegt Prinzessin Wasilisas Hochzeitsgewand versteckt. Bring mir das Kleid!“ Die Krabbe rief etwas mit lauter Stimme über die weite blaue See und auf einmal kamen eine unzählbar große Menge von Krabben – große und kleine – zum Ufer geschwommen. Der Krabbenkönig gab ein Kommando und sie sprangen alle zurück ins Wasser. Schon nach einer Stunde fanden sie Prinzessin Wasilisas Hochzeitsrobe am Grund der See, direkt unter dem großen Stein.
Der mutige Jägersmann ging darauf mit dem Hochzeitsgewand zurück zum König, doch die Prinzessin war noch immer verstockt. „Ich werde dich nicht heiraten, bevor du den Jäger in kochendem Wasser badest.“ Der König ließ einen großen Kessel mit Wasser füllen, wies die Diener an, ihn zu heizen und den Jäger hineinzuwerfen, sobald das Wasser anfing zu kochen. Dann war alles bereit, das Wasser kochte und brodelte und der Jägersmann wurde zum Kessel gebracht. „Nun, das ist das Unglück!“ dachte er, „Warum nur habe ich die goldene Feder des Feuervogels aufgehoben? Warum habe ich nicht auf mein Pferd gehört?“ Er dachte an sein tapferes Ross und sprach zum König: „König, mein Herr! Lass mich lebe wohl zu meinem Pferd sagen, bevor ich sterbe.“ „Gehe, sag lebe wohl zu ihm“ sprach da der König.
Der Jäger ging zu seinem Pferd und weinte bittere Tränen. „Warum weinst du, Meister?“ fragte ihn das Ross. „Der König befahl, mich in kochendem Wasser zu baden.“ „Ängstige dich nicht, du wirst überleben!“ Und das Pferd verzauberte den Jäger, so dass das kochende Wasser seinen Körper nicht verletzen konnte. Der Jägersmann kam zurück vom Stall, die Diener brachten ihn zum Kessel und warfen ihn direkt hinein. Er tauchte seinen Kopf ein oder zweimal unter, sprang aus dem Kessel und hatte sich in einen stattlichen und ansehnlichen Mann verwandelt. Als der König sah, dass der Jäger so stattlich und schön im kochenden Wasser geworden war, wollte er auch darin baden. Er sprang in den Topf und fing auf der Stelle an zu kochen. Nach seinem Tod wurde der tapfere Jägersmann König, heiratete die Prinzessin Wasilisa und sie lebten viele Jahre glücklich bis an ihr Ende.
Russisches Volksmärchen