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Märchenbasar

Wie der Schäfer zu seinem Glück kam

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Vor langer, langer Zeit, war’s gestern oder heut`, da lebte ein Knabe, dem Vater und Mutter gestorben waren, in einer kleinen Hütte auf dem Land.
Das einzige, das er besaß, war ein altes Schaf, welches ihm seine Eltern hinterlassen hatten. Dieses Schaf war ihm sehr ans Herz gewachsen und ein treuer Freund geworden.
Trotz seiner Armut war der Junge stets zufrieden mit sich und seinem Leben. Er ernährte sich von der wenigen Milch, die sein Schaf ihm schenkte, sammelte Pilze und Beeren im Wald und gab sich Mühe, für sein Tier die besten Kräuter zu suchen. Niemals beschwerte er sich, obwohl er Grund dazu gehabt hätte.

Eines schönen Tages im Sommer, die Sonne brannte glühend heiß vom Himmel, arbeitete er in seinem winzig kleinen Garten, als plötzlich drei alte, schwarz gekleidete, bucklige Männlein vor ihm standen.
Der Junge begrüßte die Wanderer freundlich und wunderte sich: „Was führt euch bei dieser großen Hitze in diese Gegend?“
„Wir haben einen Auftrag zu erfüllen!“, antwortete einer von ihnen, während er sich den Schweiß von der Stirn wischte.
„Habt ihr denn nichts zu trinken und zu essen dabei?“, fragte der Junge.
Die Männlein schüttelten den Kopf und sagten: „Nein, diese Last wollten wir uns nicht auch noch aufbürden. Schließlich sind wir nicht mehr die Jüngsten!“
„Oh, hier gibt es weit und breit keine Einkehrmöglichkeit!“, betonte der Junge. „Ein stundenlanger Fußmarsch steht euch bevor.“
Und weil er Mitleid mit den alten Männlein hatte, bat er sie in seine bescheidene Hütte hinein und gab ihnen zu essen und zu trinken. Mit einem Lächeln im Gesicht verzehrten die Fremden alles, was der Junge auf den Tisch gestellt hatte.
Beschämt schaute der Junge in die Runde und lief dann in den kleinen angrenzenden Stall, um sein Schaf zu melken. Hastig eilte er in die Hütte zurück und reichte den Männlein die Milch: „Das ist alles, was ich euch anbieten kann! Mehr habe ich nicht!“
Die Besucher entgegneten: „Vielen Dank! Nun sind wir satt!“
Schon wollten sie sich zum Aufbruch bereit machen.
„Was, um diese Tageszeit wollt ihr noch weitermarschieren?“, fragte der Junge entrüstet. „Da wäre es doch besser, wenn ihr die Nacht hier verbringt. Meine Hütte ist zwar klein, aber fein!“
Wie freuten sich da die Fremden, als sie das hörten und nahmen das Angebot dankend an.
Die vier saßen noch lange zusammen und unterhielten sich.
„Wie viele Schafe hältst du in deinem Stall?“, wollte einer wissen.
„Ach, nur eines, und das ist auch schon alt!“, entgegnete der Junge.
„Wieso schaffst du dir nicht ein weiteres Schaf an?“, fragte einer der Fremden.
„Wie sollte ich, wo ich doch kaum was zu essen für uns beide habe! Auch fehlt mir dafür das Geld!“, antwortete der Junge. „Aber das macht nichts, ich habe alles, was ich brauche.“
„Vielleicht solltest du deinem Schaf Kräuter zum Fressen geben!“, schlug ein Männlein vor.
Lachend sagte der Junge: „Aber für mein Schaf sammle ich doch schon die besten Kräuter, die ich finden kann!“
Irgendwann gingen alle zu Bett.

In aller Herrgottsfrühe hörte der Junge auf einmal sein Schaf blöken. Schnell lief er in den Stall, um nach dem Schaf zu schauen. Doch zuerst fielen ihm die vielen weißen Blumen vor seiner Hütte auf. Was war denn das? Die waren gestern noch nicht da, oder doch?
Ein himmlischer Duft lag in der Luft, und als der Junge das Schaf aus dem Stall holte, lief dieses sofort auf die weißen Blumen zu und begann gierig die Pflanzen zu fressen. So satt wie an jenem Tag war es noch nie zuvor gewesen.
Der Junge sah dem Schaf vergnügt zu, bis ihm seine Gäste in Erinnerung kamen. Er lief zur Hütte, ließ verwundert seinen Blick durch die Hütte schweifen, doch von den Männlein fehlte jede Spur.
Also ging der Junge wieder an seine Arbeit im Garten und war den ganzen Tag über damit beschäftigt.

Am Abend legte er sich erschöpft in sein Bett und wurde am Tag danach abermals vom lauten Blöken seines Schafes geweckt.
Wiederum lief er in den Stall und konnte kaum glauben, was er dort sah. Dort befanden sich auf einmal zwei Schafe! Wie konnte das sein? Träumte er?
Da besann er sich auf die Worte der Männlein, wie sie ihn fragten, weshalb er nur ein Schaf besaß und von Kräutern sprachen.
Wer waren diese Fremden? Konnten sie etwa zaubern?
Den Jungen interessierte es nicht weiter. Er ließ die Schafe auf die Wiese, und abermals begannen diese gierig von den wohlduftenden, weißen Blüten zu fressen.

Auch am darauffolgenden Tag geschah es wie am Tag zuvor: das Schaf blökte und als der Junge in den Stall kam, hatten sich die Schafe vermehrt.
Schließlich wurde der Stall zu klein. Dem Jungen blieb nichts anderes übrig, als ein paar Schafe zu verkaufen.

Tag für Tag wiederholte sich die Vermehrung der Schafe. Mittlerweile hatte der Junge so viel Geld beim Verkauf von Schafen eingenommen, dass er seine Hütte und den Stall vergrößern konnte.
Aber die Vermehrung der Schafe nahm kein Ende. Der Junge fand es merkwürdig, dass diese Kräuter , mit welchen die Wiese vor seinem Haus übersät war, niemals enden wollten, egal wie viele die Schafe davon verzehrten.
So lange sie von diesen wunderschönen Blumen fraßen, verdoppelten sie sich tagtäglich.
Da war es auch nicht verwunderlich, dass der Junge zu einem reichen Schäfer heranwuchs und im ganzen Land bekannt war.

Natürlich gelangte diese Neuigkeit auch bis zum König, der gerade einen Mann für seine Tochter suchte.
Der König ließ den Schäfer zu sich bringen und war sogleich von ihm angetan. Er war davon überzeugt, dass der junge Mann der geeignete Schwiegersohn für ihn sei.
Als der Schäfer der Prinzessin vorgestellt wurde, verliebte dieser sich augenblicklich in sie.

Wie konnte es anders sein! Der König ließ ein wunderschönes Hochzeitsfest ausrichten, zu dem viele Gäste geladen waren. Darunter befanden sich auch drei alte, schwarz gekleidete, bucklige Männlein, die auf das frisch vermählte Paar zu schritten und der Prinzessin einen wunderschönen, weißen, wohlduftenden Blumenstrauß überreichten: „Wir bringen Blumen zum Geschenk und bedanken uns für die Freundlichkeit sowie Gastfreundschaft. Denn wer alles gibt, was er hat, auch wenn er wenig hat, der soll reich belohnt werden!“
Mit diesen Worten waren sie auf Nimmerwiedersehen verschwunden.
„Wer war das?“, fragte die Prinzessin ihren Gemahl.
Nachdenklich sagte der Schäfer: „Diesen Männlein habe ich es zu verdanken, dass ich dich kennengelernt habe!“

Das Hochzeitsfest dauerte noch ewig lange. Vielleicht dauert es immer noch!?
Die Schafe aber fraßen in der Zwischenzeit genüsslich von den herrlich duftenden, weißen Kräutern und vermehrten sich und vermehrten sich.
Die Menschen aber nannten dieses seltsame Kraut „Schafgarbe“.

Quelle: Carmen Kofler

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