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Zauberers Töchterlein

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(1)
Es war einmal ein Knabe, der auszog, um einen Dienst zu suchen; und als er so wanderte, begegnete er einem Manne, der ihn fragte, wohin er wollte. »Ja,« antwortete er, »ich gehe hinaus in die weite Welt, um mir einen Dienst zu suchen.« – »Da kannst du ja gleich mit mir gehen und bei mir dienen,« sagte der Mann; »ich brauche just einen solchen Knaben, wie du einer bist. Und du sollst auch einen recht guten Lohn bei mir bekommen: das erste Jahr einen Scheffel Geld, und zwei im zweiten, und drei im dritten; denn du mußt mir drei Jahre lang dienen und mir in allem und jedem gehorchen, und wenn es dir auch noch so sonderbar vorkommt. Aber du brauchst dich nie vor den Dingen, die ich dir befehle, zu fürchten, denn es ist nie eine Gefahr dabei, wenn du nur zu folgen verstehst.«
Damit war die Sache abgemacht und der Knabe folgte dem Manne, bei dem er sich verdingt hatte, in dessen Wohnung. Und das war eine sonderbare Wohnung, denn er wohnte in einem Hügel mitten im wilden Wald; und der Knabe sah da keinen andern Menschen, als seinen Herrn; und der war ein gewaltiger Zauberer, der eine so große Macht über Menschen und Thiere hatte, daß es ganz entsetzlich war.
Am darauffolgenden Tag sollte der Knabe seinen Dienst antreten. Fürs erste trug ihm der Zauberer auf, alle wilden Thiere des Waldes, die er gebunden hatte, zu füttern. Es waren sowohl Wölfe und Bären als Hirsche und Hasen, die der Zauberer in Herden und Hürden zusammengesammelt und in seinen Stall, der unter der Erde lag und wohl eine Meile lang und breit war, gebracht. Der Knabe verrichtete trotzdem seine Arbeit in einem Tage und der Zauberer lobte ihn und sagte, daß er seine Sache recht brav gemacht habe.
Am nächsten Morgen sagte der Zauberer zu ihm: »Ja, heute brauchen die Thiere nicht gefüttert zu werden, denn sie bekommen nicht alle Tage etwas zu fressen. Jetzt will ich dir erlauben so lange zu spielen, bis sie wieder gefüttert werden müssen.« Darauf sagte der Zauberer noch einige Worte zu ihm, die er nicht verstand, und im selben Augenblick war aus dem Knaben ein Hase geworden, der in den Wald hinaussprang.
Da konnte er freilich gut springen, aber das war auch nothwendig, und er mußte genug laufen; denn wer ihn nur immer erblickte, wollte auf ihn schießen, und die Hunde hetzten und setzten ihm bellend nach, sobald sie nur seine Fährte fanden. Jetzt war er ja das einzige Thier im Walde, denn der Zauberer hatte alle anderen unten in seinem Stall eingeschlossen, so daß alle Jäger des ganzen Landes große Lust hatten, dem Hasen einmal einen Treffer auf den Pelz zu geben. Sie hatten aber kein Glück dabei, denn es gab keinen Hund, der ihn einholen, und keinen Schützen, der ihn treffen konnte. Sie schossen immer und alleweil daneben, und der Hase lief und sprang immer weiter fort. Das war zwar ein sehr unruhiges Leben, aber endlich gewöhnte er sich daran, als er merkte, daß keine Gefahr für ihn dabei war; und schließlich machte es ihm sogar Spaß, alle die vielen Jäger sammt ihren Hunden, die so sehr auf ihn versessen waren, zum Narren zu halten.
So ging es ein ganzes Jahr, und als dieses um war, rief ihn der Zauberer heim, denn er stand ja jetzt auch in seiner Macht, wie alle anderen Thiere. Dann sagte der Zauberer abermals einige Worte zu ihm, die er nicht verstand, und augenblicklich war aus dem Hasen wieder ein Mensch geworden. »Nun, wie gefällt dir dein Dienst bei mir?« fragte der Zauberer, »und wie gefällt es dir, ein Hase zu sein?« – »Oh, es gefällt mir recht gut,« erwiderte der Knabe, »nie konnte ich früher so schnell über Grund und Boden dahin laufen.« Darauf zeigte ihm der Zauberer den Scheffel Geld, den er schon verdient hatte, und der Knabe war es wohl zufrieden, ihm auch das nächste Jahr zu dienen.
Am ersten Tag des neuen Dienstjahres hatte er dieselbe Arbeit zu verrichten, wie im vorigen Jahr: er mußte wieder alle Thiere im Stalle des Zauberers füttern. Und als er das gethan, sagte der Zauberer abermals einige Worte zu ihm, und da flog er als Rabe verwandelt hoch in die Luft empor. Das gefiel dem Knaben recht gut, denn jetzt konnte er ja noch viel schneller weiter kommen, als da er als Hase herumlief, und hier konnten ihn auch keine Hunde hetzen, so daß er rein zum Vergnügen herumfliegen konnte. Aber gar bald merkte er, daß er auch hier keinen Frieden hatte, wenn auch keine Gefahr für ihn vorhanden war; denn alle Schützen und Jäger, die ihn erblickten, nahmen ihn auf’s Korn und knallten los, denn es war weit und breit kein anderer Vogel als der Rabe zu sehen, weil der Zauberer alle eingefangen hatte.
Aber er gewöhnte sich auch daran, als er merkte, daß ihn niemand treffen konnte; und so flog er das ganze Jahr herum, bis ihn der Zauberer wieder heim rief und dann einige Worte zu ihm sagte, die ihm seine menschliche Gestalt zurückgaben. »Nun, wie gefiel es dir, als Rabe herumzufliegen?« fragte ihn der Zauberer. »Oh, es gefiel mir recht gut, denn alle meine Lebtage konnte ich früher nicht so hoch in die Luft hinaufkommen.« Darauf zeigte ihm der Zauberer die zwei Scheffel Geld, die er sich in diesem Jahre verdient hatte und die an der Seite des einen Scheffels vom vorigen Jahr standen. Und der Knabe blieb gerne noch das dritte Jahr in des Zauberers Diensten.
Am nächsten Tag bekam der Knabe seine alte Arbeit: nämlich alle wilden Thiere zu füttern. Und als es geschehen war, sagte der Zauberer wieder einige Worte zu ihm, und aus dem Knaben war dabei ein Fisch geworden, der hinaus in den Waldbach sprang. Er schwamm darin auf und nieder und es unterhielt ihn ausgezeichnet, sich so mit dem Strome treiben zu lassen; und schließlich schwamm er bis ins Meer hinaus, und da schwamm er immer weiter und weiter, bis er einmal zu einem gläsernen Schloß kam, das auf dem Grunde des Meeres stand. Er konnte in alle Zimmer und Säle hineinschauen, und da sah es prächtig darin aus: alles Hausgeräthe war aus weißem Wallfischbein gemacht und mit Gold und Perlen eingelegt und mit den weichsten Kissen in allen Regenbogenfarben gepolstert, und ringsum lagen Teppiche, die wie das feinste Moos aussahen; und auch Blumen und Bäume waren da mit wunderlich gekrümmten Zweigen und Aesten, die sowohl grün und gelb, als roth und weiß waren. Und kleine Springbrunnen quellten aus den kunstreichsten Schneckenhäusern empor und ließen ihr Wasser in klare Muschelschalen niederfallen und machten damit die lieblichste Musik, die das ganze Schloß erfüllte. Aber das allerschönste von allem war doch ein kleines junges Mädchen, das da ganz allein herumging. Das Mädchen ging von einem Zimmer ins andere, aber man konnte nichts davon sehen, daß es auch eine Freude an all‘ der Pracht, die es umgab, gehabt hätte. Es ging so traurig in seiner Einsamkeit umher, und es fiel ihm nicht einmal ein, sich in den blanken Glaswänden, die sich ringsumher befanden, zu spiegeln, wiewohl es doch das Schönste und Niedlichste war, das man nur sehen konnte. Und dasselbe meinte auch der Knabe, während er rund um das Schloß herumschwamm und von allen Seiten hineinguckte.
»Da möchte ich doch zehnmal lieber ein Mensch sein, als so ein armer, stummer Fisch, wie ich jetzt einer sein muß,« sagte der Knabe zu sich selbst. »Wer nur darauf kommen könnte, was für Worte der Zauberer immer spricht, wenn er mich verwandelt.« Er schwamm und grübelte und dachte nach, bis es ihm endlich einfiel, wie die Formel lautete, die der Zauberer sprach. Und da probirte er es sogleich, sie vor sich hin zu sagen: – und im selben Augenblick stand er auch schon als Mensch unten auf dem Grunde des Meeres.
Da beeilte er sich in das gläserne Schloß hinein zu kommen und ging zu dem jungen Mädchen hin und sprach es an, das darüber beinahe auf den Tod erschrak. Aber er redete dem Mädchen so freundlich zu und erklärte ihr, wie er da herunter gekommen, so daß es sich bald wieder von seinem Schrecken erholte und dann recht froh war über die Gesellschaft, die es in seiner greulichen Einsamkeit, in der es seine Tage verbringen mußte, gefunden. Die Zeit verging nun den beiden so rasch, daß der Bursche, – denn jetzt war er ja schon ein vollkommener Bursche geworden und längst kein Knabe mehr – ganz und gar vergaß, wie lange er da gewesen war.
Eines Tages sagte das Mädchen zu ihm, daß es nun an der Zeit sei, daß er sich wieder in einen Fisch verwandle, denn der Zauberer werde ihn jetzt bald heimrufen und er müsse dann fort. Aber noch vorher müsse er seine Fischgestalt haben, sonst könne er nicht lebend durchs Meer kommen. Jedoch schon früher, als er so da unten war, hatte es ihm gesagt, daß es eine Tochter desselben Zauberers sei, bei dem der Bursche diente, und der hatte sie hier unten eingeschlossen, damit er ruhig sein konnte, daß sie hier vollkommen sicher wäre. Des Zauberers Tochter hatte nun einen Rath ausfindig gemacht, wie sie es vielleicht ermöglichen könnten, sich wiederzusehen und sich dann zu bekommen und die Erlaubniß zu erhalten, bei einander bleiben zu dürfen. Aber dazu waren viele Dinge zu beobachten, und er mußte sehr genau Acht auf alles geben, was sie ihm sagte.
Sie erzählte ihm, daß alle Könige in den Ländern rings umher dem Zauberer, ihrem Vater Geld schuldig seien; und der König in jenem Königreiche, dessen Namen sie ihm jetzt nannte, komme zunächst an die Reihe, seine Schuld bezahlen zu müssen; und konnte er zur rechten Zeit nicht bezahlen, so sollte er enthauptet werden. »Und er kann nicht bezahlen,« sagte sie, »das weiß ich ganz bestimmt.« – »Nun mußt du vor allem deinen Dienst bei meinem Vater kündigen, denn jetzt sind die ausbedungenen drei Jahre um und du kannst wieder weiter ziehen. Drum nimm deine sechs Scheffel Geld und wandere in das Königreich, das ich dir vorher bezeichnete, und tritt bei dem König desselben in Dienste. Wenn es nun gegen die Zeit geht, da, wie ich dir gesagt habe, die Schuld fällig ist, dann wirst du leicht bemerken, daß der König schlecht aufgelegt sein wird. Da mußt du ihm sagen, daß du wohl wüßtest, was ihn bedrücke, und daß es das Geld sei, das er dem Zauberer schulde, aber nicht bezahlen könne – denn ich weiß, daß er es nicht hat -. Aber du kannst es ihm leihen, denn es sind gerade sechs Scheffel, die du ja hast. Du darfst ihm jedoch das Geld nur unter der Bedingung leihen, daß er dich mitnimmt, wenn er zu meinem Vater geht, um zu bezahlen, und dir erlaubt, als Hofnarr vorauszulaufen. Kommst du dann zu dem Zauberer, so mußt du allerlei Narrenstreiche vollführen und schauen, daß du ihm eine Anzahl Fenster einschlagen kannst, wie überhaupt alle möglichen und erdenklichen Unglücke dieser Art anrichten. Darüber wird mein Vater schrecklich zornig werden; und weil der König verantworten muß, was sein Narr thut, so wird er ihn, trotzdem er seine Schuld bezahlt hat, verurtheilen, entweder drei Fragen richtig zu beantworten oder das Leben verlieren zu müssen. Die erste Frage, die mein Vater stellen wird, wird lauten: »Wo ist meine Tochter?« Da mußt du vortreten und sagen: »Sie ist auf des Meeres Grund.« Dann wird er dich fragen, ob du sie erkennen kannst, und darauf mußt du »Ja« antworten. Da wird er mit einer Menge Frauenzimmern hervorkommen und diese an dir vorbeiführen, damit du dir die aussuchen kannst, welche du für seine Tochter hältst. Aber du wirst mich auf keinen Fall erkennen können und deshalb werde ich dich, wenn ich an dir vorbeigehe, so zupfen, daß du es spüren kannst, und da mußt du mich augenblicklich packen und festhalten. Und damit hast du die erste Frage gelöst. Seine nächste Frage wird lauten: »Wo ist mein Herz?« Und da mußt du wieder vortreten und sagen: »Es ist in einem Fisch.« – »Kennst du diesen Fisch?« wird er dann fragen, und du mußt abermals »Ja« darauf antworten. Da wird er alle Arten von Fischen herkommen lassen und du mußt dann unter ihnen den rechten auswählen. Aber da werde ich schon Obacht geben, daß ich mich an deiner Seite aufhalten kann, und wenn der rechte Fisch kommt, werde ich dir einen schwachen Puff geben und da mußt du ihn schnell ergreifen und dich beeilen ihn aufzuschneiden. Dann ist es aus mit dem Zauberer und er wird keine weiteren Fragen mehr stellen.«
Als der Bursche diesen guten Rath und Bescheid, was er alles zu thun, wenn er wieder auf festes Land komme, vernommen hatte, galt es nur noch sich zu erinnern, was es war, was der Zauberer immer sagte, wenn er ihn aus einem Menschen in ein Thier verwandelte. Aber das hatte er vergessen und des Zauberers Töchterlein wußte es auch nicht. Er ging den ganzen Tag wie verzweifelt herum und dachte und dachte, und sann und grübelte; – aber es fiel ihm doch nicht ein, wie die Formel lautete. Er konnte die ganze Nacht nicht schlafen und erst gegen die Morgenstunde fiel er in einen leisen Schlummer und da ging ihm plötzlich ein Licht auf und es fiel ihm ein, wie der Zauberer zu sagen pflegte. Er sagte es so schnell als möglich nach und augenblicklich war er wieder ein Fisch und huschte ins Meer hinaus. Gleich darauf wurde ihm gerufen und er schwamm im Nu durchs Meer und hinein in den Waldbach, an dessen Ufer der Zauberer stand und dieselben Worte wie sonst sprach und ihn wieder in einen Menschen verwandelte.
»Nun, wie gefiel es dir als Fisch herumzuschwimmen?« fragte der Zauberer. »Ja, das hat mir noch am allerbesten gefallen,« antwortete der Bursche, und das war gewiß keine Lüge, wie jeder wissen kann. Darauf zeigte ihm der Zauberer die drei Scheffel Geld, die er sich im letzten Jahre verdient hatte und die neben den andern dreien standen, – und alle sechs gehörten jetzt ihm. »So wirst du mir wohl noch ein Jahr dienen wollen?« fragte ihn der Zauberer, »und dann bekommst du dafür sechs Scheffel, macht zusammen zwölf, und das ist gewiß ein schöner Lohn.« – »Nein,« erwiderte der Bursche, jetzt habe er genug und danke dem Himmel, daß diese Zeit um wäre, denn er sehne sich jetzt auch wo anders zu dienen und andere Leute und andere Bräuche zu sehen. Aber später wolle er vielleicht wieder einmal zu ihm zurückkommen. »Ja,« sagte der Zauberer, »dann wirst du mir jederzeit willkommen sein.« Der Bursche hatte ihm, wie sie miteinander ausgemacht hatten, durch drei Jahre treu gedient, sodaß er nichts dagegen einwenden konnte, daß der Bursche weiterziehen wollte.
Er bekam jetzt seine sechs Scheffel Geld und machte sich auf den Weg geradeaus in das Königreich, das ihm seine Liebste damals genannt hatte. Er vergrub sein Geld auf einem heimlichen Orte in der Nähe des königlichen Hofes, und ging dann ins Schloß und bat, daß man ihn hier in Dienst nehme. Das geschah auch und er wurde da Stallknecht und mußte die Pferde des Königs warten und pflegen. So verging eine kurze Zeit und er richtete ein scharfes Augenmerk darauf, wie sich der König härmte und niemals ruhig oder fröhlich gewesen. So kam er eines Tages wieder in den Stall hinunter und da war niemand anderes zur Stelle als unser Stallknecht, der jetzt geradeheraus zum König sagte, daß er mit »Seiner Majestät allergnädigster Erlaubniß« ihn fragen wollte, warum er denn immer gar so traurig sei und sich so abhärme. »Was hilft es darüber zu sprechen,« entgegnete der König, »du kannst mir ja doch nicht helfen.« – »Ja, das könne Seine Majestät doch nicht wissen,« sagte der Knecht darauf, »denn ich weiß es ja doch ganz genau, was dem König so schwer auf dem Herzen liegt; und ich weiß sogar Rath, wie das Geld bezahlt werden kann.« Ja, das war eine andere Sache und der König ließ sich weiter in ein Gespräch mit diesem Stallknecht ein, der sagte, daß er ihm die sechs Scheffel Geld wohl leihen könnte, es aber nur unter der Bedingung thue, daß er ihn mitnehme und ihn als Hofnarren gekleidet vorauslaufen lasse, wenn er zu dem Zauberer reise, um seine Schuld zu bezahlen. Er wolle zwar einige Tollheiten begehen, für die der König strenge zur Rechenschaft gezogen würde, aber er werde schon selbst alles so verantworten, daß dem Könige nicht das geringste Leid zugefügt werden könnte. Der König ging mit Freuden auf alles ein, was sein Stallknecht verlangte; und es war jetzt auch schon die höchste Zeit, daß sie sich auf die Strümpfe machten.
Als sie endlich zur Wohnung des Zauberers kamen, befand sich diese nicht innerhalb des Hügels, sondern oben auf demselben stand ein großes Schloß, das der Bursche früher noch nie gesehen hatte – denn der Zauberer konnte es ja ganz nach seinem Belieben sichtbar oder unsichtbar machen. Und nach allem, was der Bursche von des Zauberers Künsten schon kannte, wunderte er sich auch gar nicht darüber. Als sie ganz in die Nähe des Schlosses kamen, das aussah, als wäre es nur aus reinstem Glas, da lief der Bursche voraus als der Hofnarr des Königs Er sprang vorwärts und rückwärts und stand bald auf dem Kopf, bald auf den Beinen und schlug dabei so viele große Glasscheiben und Glasthüren des Zauberers zusammen, daß es ganz entsetzlich war, und warf um was er nur irgend konnte, und richtete eine gefährliche Zerstörung an.
Der Zauberer stürzte ganz wüthend vor Zorn heraus und schimpfte den König wie einen alten Schuhlappen herunter, weil er einen solchen unbändigen Narren mit sich führte, und sagte: daß ihm der König nicht den geringsten Schaden, den ihm der Narr zugefügt hatte, ersetzen könnte, nachdem er nicht einmal im Stande sei, seine alte Schuld auszugleichen. Aber da ergriff der Hofnarr das Wort und sagte: »O ja, er ist es schon im Stande!« Und der König rückte mit den sechs Scheffeln Geld heraus, die ihm der Bursche geliehen hatte. Die wurden dann abgemessen, und alles stimmte genau. Darauf hatte der Zauberer freilich nicht gerechnet, aber er konnte nichts dagegen einwenden. Die alte Schuld war also richtig bei Heller und Pfennig bezahlt und der König erhielt seine Schuldverschreibung wieder zurück. Aber damit war der Schaden, der dem Zauberer heute zugefügt worden, noch nicht ersetzt und der König hatte auch nichts, um ihn zu bezahlen. Da sprach der Zauberer das Urtheil über ihn aus, daß er entweder drei Fragen, die er ihm aufgeben werde, richtig beantworten müsse, oder doch enthauptet werden solle, wie es im Contract der alten Schuld stand.
Da blieb nichts anderes übrig, als zu versuchen, des Zauberers Räthsel aufzulösen. Der Narr stellte sich knapp an die Seite des Königs, während der Zauberer mit seinen Fragen herausrückte. Und zuerst fragte er: »Wo ist meine Tochter?« Da ergriff der Narr das Wort und sagte: »Sie ist unten auf des Meeres Grund.« – »Woher weißt du das?« fragte darauf der Zauberer. »Das hat der kleine Fisch gesehen,« antwortete der Narr. »Würdest du sie erkennen?« fragte der Zauberer weiter. »O ja, komme nur her mit ihr,« erwiderte der Hofnarr. Da ließ der Zauberer eine ganze Reihe von Mädchen an ihm vorbeigehen, eins hinter dem andern; aber das waren nichts als Schatten, Schein und Blendwerk. Beinahe zu allerletzt kam wirklich des Zauberers Töchterlein. Das zupfte den Narren im Vorbeigehen, daß er es spüren konnte, denn es zwickte ihn so in den Arm, daß er beinahe laut aufgeschrien hätte. Aber er that es doch lieber nicht, sondern faßte sie rasch um den Leib und hielt sie fest. Jetzt sah der Bursche schon selbst, daß er das rechte Mädchen getroffen, und der Zauberer mußte zugestehen, daß sein erstes Räthsel gelöst war.
Jetzt fragte er weiter: »Aber wo ist mein Herz?« – »Das ist in einem Fisch,« antwortete der Hofnarr. »Kennst du diesen Fisch auch?« fragte der Zauberer. »Ja, lasse ihn nur herkommen!« war die Antwort des Narren. Da kamen alle Fische vorbeigeschwommen, und währenddem stand seine Liebste, des Zauberers Töchterlein an seiner Seite. Als ganz zuletzt der Rechte kam, gab sie ihm einen leisen Puff und er ergriff so rasch als möglich den Fisch, stieß ihm das Messer in den Leib, schlitzte ihn auf, riß ihm das Herz heraus und schnitt dieses mitten entzwei.
Da fiel im selben Augenblick der böse Zauberer todt um und in lauter Kieselsteine auseinander. Und alle Fesseln, die der Zauberer gelegt hatte, sprangen zu gleicher Zeit; und alle die wilden Thiere und Vögel, die er zusammengefangen und unter der Erde eingeschlossen hielt, kamen jetzt hervor und zerstreuten sich im Walde und in der Luft. Und der Bursche ging mit seiner Liebsten in das Schloß, das nun ihnen gehörte, und da hielten sie ihre Hochzeit, und alle Könige, die ringsumher regierten und sämmtlich Schuldner des Zauberers, jetzt aber von allen Schulden befreit waren, kamen zur Hochzeitsfeier und erwählten den Burschen zu ihrem Kaiser, und er regierte sie in Frieden miteinander und lebte mit seiner schönen Frau Kaiserin in Herrlichkeit und Freuden auf seinem Schlosse. Und wenn sie seitdem noch nicht gestorben sind, so leben sie heute noch.

[Dänemark: Svend Grundtvig: Dänische Volksmärchen]

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