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Die kluge Marie

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Es war einmal ein Händler, der wohnte in der Nähe des Königspalastes, und er hatte drei Töchter. Marie war die jüngste und die schönste. Der Händler war Witwer, und der König beauftragte ihn, eine Reise zu machen. Sobald der König ihn rufen ließ, ging er hin und er kehrte sehr traurig nach Hause zurück, weil er seine Töchter allein lassen mußte. Er gab ihnen aber drei Töpfe mit Basilienkraut und sagte: »Meine lieben Töchter, ich verreise im Auftrage des Königs und lasse jeder von euch einen Topf. Die Töpfe sollen mir später sagen, was geschehen ist.« »Nichts wird geschehen!« antworteten seine Töchter. Der Vater reiste ab, und am nächsten Tag kam der König mit zwei Freunden die über die Abreise des Vaters betrübten Mädchen besuchen. Die drei Schwestern saßen gerade beim Essen, als sie es an die Tür klopfen hörten. Die Älteste achtete nicht auf Maries Ermahnungen und öffnete dem König die Tür. Marie war auch über die zweite Schwester erzürnt, welche die Ankömmlinge einlud, sich an den Tisch zu setzen, und sagte: »Wir wollen einen Tropfen Wein im Keller holen. Ich nehme den Schlüssel mit, meine älteste Schwester das Licht, und die mittlere den Krug.« Der König entgegnete: »Geht nicht, wir wollen keinen Wein.« Auch die beiden älteren Schwestern antworteten ihr: »Wir können nicht gehen.« »Ihr wollt nicht gehen, nun, dann gehe ich allein.« Und sie ging. Im Flur löschte sie das Licht und stellte die Kerze und den Krug auf die Treppe, ging von da zum Hause einer Nachbarin und klopfte an die Tür. Die Nachbarin kam und fragte: »Wer ist da zu so später Stunde?« »Laßt mich ein, ich habe mich mit meiner ältesten Schwester gestritten, und damit sie nicht länger mit mir zankt, bin ich hierher gekommen um hier zu schlafen.« Uns sie verbrachte dort die Nacht. Der König war über die Arglist Maries sehr erbost. Am nächsten Tage ging sie nach Haus und sah, daß die Töpfe ihrer Schwestern verwelkt waren, und sie freute sich sehr, den ihren in üppigem Grün zu sehen. Da das Zimmer der ältesten Schwester auf das Gut des Königs hinausging, wollten die beiden Schwestern ein paar Mispeln von dort haben. Marie kletterte an einem Seil hinab, pflückte die Mispeln und kehrte ins Haus zurück. Dann begehrte die Älteste Limonen. Marie ging und begegnete dem Winzer, der sie fragte: »Was tut Ihr hier, nichtsnutziges Fräulein?« Sie gab ihm einen Stoß und zog ihm die Beine weg mit den Worten: »Scheltet Ihr mich noch immer? Dann wartet da.« Und er starb aufgespießt an einem Stachel des Limonenbaums. Marie kletterte an dem Seil hoch und gelangte sehr verdrießlich in ihr Haus, wo sie ihren Sehwesten sagte: »Dieses war das letzte Mal!« Am nächsten Tag wollte die mittlere Schwester Bananen, und sie bat so sehr, daß Marie hinging. Dort traf sie den König, der ihr sagte: »So kommst du also immer noch her? Jetzt sollst du dafür büßen!« Der König begann, ihr Fragen nach dem, was vorgefallen war, zu stellen, und Marie leugnete nichts. Schließlich sagte ihr der König: »Komm hinter mir her, im Hause sollst du für alles büßen.« Und er dachte, daß Marie ihm folgte, und ging voran. Als er sich plötzlich umsah, sah er nichts mehr, weder Marie, noch das Seil, und er wußte nicht, wie sie entschlüpft war. Der König war so zornig, daß er vor Wut krank wurde.
Die beiden älteren Schwestern heiraten zwei Freunde des Königs und bekamen zwei Knaben. Marie nahm diese und steckte sie in einen prächtigen Korb, den sie mit feinen Blumen schmückte, so daß niemand sagen konnte, daß sie darin zwei Kinder trug. Marie verkleidete sich als Jungen und setzte sich den Korb auf den Kopf, und als sie am Hause des Königs vorbeikam, da rief sie laut: »Wer will diese Blumen dem König bringen, der Liebeskummer hat?« Der König, der im Bett lag, befahl, den Korb zu kaufen. Sie trug den Korb hin, und als sie angekommen war, sagte sie: »Ach, jetzt habe ich den anderen vergessen.« Und sie ging wieder hinaus und ließ den Korb beim König zurück. Der hörte ein Greinen im Korb, ging hin, um nachzusehen, und fand die beiden Kinder. Er war voller Zorn und gedachte, sich zu rächen. Als der Händler, der Vater der Mädchen, zurückkam, ließ der König ihm durch einen Pagen befehlen, ihm einen steinernen Mantel zu machen. Der Händler kam sehr traurig nach Haus, denn er konnte keinen steinernen Mantel machen, und er war auch traurig, weil seine beiden ältesten Töchter verheiratet waren und ihre Töpfe verwelkt waren. Als sie ihn fragten, was er hätte, trat Marie hervor und sagte: »Laßt’s Euch nicht verdrießen, Vater, wenn der König Euch befiehlt, einen steinernen Mantel zu schneidern. Nehmt nur diese Kreide mit, um ihm die Schnitte anzuzeichnen.« Er tat wie ihm geheißen. Der König antwortete ihm, daß dies nicht möglich sei, und der Händler entgegnete: »Dann es ist mir auch nicht möglich, den Mantel zu machen.« »Dann mußt du mir deine Tochter Marie übergeben.« Der Händler kam noch trauriger nach Haus. »Meine liebe Tochter,« sagte er, »der König will, daß ich dich in den Palast bringe. Es ist unser Unglück.« »Seid unbesorgt, Vater. Laßt eine Puppe machen, die mir ähnlich sieht, und eine Schnur daran befestigen, so daß man am Kopf ziehen kann, damit er ja oder nein sagt. Und im Hals soll die Puppe mit Honig gefüllt werden.«
Der König sagte zu seinen Pagen: »Wenn hier ein Herr mit einem Mädchen erscheint und sie mich sprechen wollen, dann führt das Mädchen in meine Kammer und laßt ihn fortgehen.« Die kluge Marie kam herein und legte sich unter das Bett. Die Puppe legte sie in das Bett und behielt die Schnur in der Hand. Als der König eintrat, sah er die Puppe an und sagte: »Fräulein Klug-Marie, laßt es Euch gut gehen.« Marie zog an der Schnur, und die Puppe senkte den Kopf. Daraufhin sagte der König: »Wir wollen abrechnen.« Und er fing ganz am Anfang an, als sie in den Weinkeller ging, bis hin zu dem Blumenkorb. Und die kluge Marie zog ständig an der Schnur. Der König fuhr fort: »Wer mich so hintergangen hat, der verdient den Tod.« Er packte einen Degen und schlug die Puppe den Kopf ab. Der Honig spritzte hervor und fiel ihm auf die Lippe, da sagte er: »Ach, kluge Marie, weise Marie, so süß im Tod, und so bitter im Leben!« Wer ein so großes Verbrechen beging, der verdiente wohl den Tod. Und der König ging, um sie zu töten, als die kluge Marie, die leibhaftige, unter dem Bett hervorkam und ihn umarmte. Am nächsten Tage heirateten sie und waren sehr glücklich.

[Portugal: T. Braga: Contos tradicionaes do povo portuguez]

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