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Die Eselsleiche

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In dem reizenden Thale, das von Schio über Vallarsa gegen Roveredo führt und Valli genannt wird, weil es aus zwei Thälern besteht, nämlich Val di Conti und Val di Signori, lebte einst ein ziemlich bemittelter Bauer. Er besass einen Esel, den er ungemein gerne hatte. Als dieser Esel endlich umstand, so war das Leidwesen seines Herrn nicht klein, und da er dem geliebten Griso sonst nichts Liebes mehr erweisen konnte, wollte er ihm eine förmliche Leiche halten lassen, und ging daher zum Pfarrer von Valli, dem er sein Anliegen vorbrachte.
Entrüstet fuhr der Pfarrer über diesen Antrag auf, und nachdem er den Bauern ärger als einen Heiden und Ketzer behandelt und ihm tüchtig die Leviten gelesen hatte, jagte er ihn zur Thüre hinaus.
Das ist aber eben nicht die rechte Art, wie man einem Bauern eine Idee aus dem Kopfe reden kann, und somit hatte auch des Pfarrers Strafpredigt keinen andern Erfolg, als dass der Bauer schnurgerade vom Pfarrer im Thal zu einem Pfarrer im Gebirge ging, und fester als je entschlossen, seinem Esel eine Leiche halten zu lassen, diesem den nämlichen Antrag machte.
Der Gebirgspfarrer hatte, wie viele seiner Mitbrüder, viel und beschwerlichen Dienst, aber eine weniger als mässig dotirte Pfründe, deren Hauptvortheile in einer sehr schönen Aussicht und sehr gesunden Luft bestanden. Nebenbei war er kein Feind von einem zuweilen etwas derben Spass. Er hörte den Bauer sehr gelassen an und bemerkte bloss, dass die Leiche etwas kostspielig sein werde.
»Nun,« fragte der Bauer, »was kann sie kosten?«
»Wenigstens dreissig Lire, und diese sind im Voraus zu bezahlen.«
»Gut,« sagte der Bauer ganz zufrieden, »hier habt ihr die dreissig Lire, aber macht die Sache fein ordentlich, damit sich der Pfarrer zu Valli recht ärgert.«
Richtig fand sich zur festgesetzten Stunde der Pfarrer mit dem Messner, Kirchendienern und Trägern ein und der Leichenzug begann. Auch der Pfarrer von Valli begegnete dem Zuge, anscheinend zufälligerweise, in Wirklichkeit aber in der Absicht, selbst zu sehen, ob der Scandal stattfinde oder nicht. Als ihn aber der Pfarrer vom Gebirge wahrnahm, stimmte er sogleich mit ernsthafter Miene und lauter Stimme folgendes Lied an:

L’arciprete delle Valli
Non ha saputo fare
Chiappar le Lire trenta
Per seppelir la giumenta,
Tira i can e tira i forbi,
Chi ne mangerà ne diventa orbi.

Der Pfarrer aus dem Thal
Hat nicht gekannt den Fall,
Für einen Esel begraben
Dreissig Schimmel zu haben.
Schiess die Hund und schiess die Füchs,
Von diesen dreissig kriegst du nichts.

Schallendes Gelächter empfing den armen Erzpriester von Valli, der seinen Aerger kaum zu verbergen im Stande war.
Als der Zug in dem Dorfe auf dem Berge angekommen war, liess der Pfarrer den Esel über den Berg hinabwerfen und sagte zum Bauern: »Guter Freund! die dreissig Lire habe ich redlich verdient, die Leiche habe ich gehalten, den Erzpriester geärgert, aber begraben müsst ihr den Esel schon selbst.« Die Bauern aber von Enna, Valli, Gisberti und andern Orten in der Nähe lachten noch lange über den Possen, den der lustige Pfaffe vom Berge seinem grämlichen Confrater im Thale und dessen eigensinnigen Pfarrkinde gespielt.

[Italien: Georg Widter/Adam Wolf: Volksmärchen aus Venetien]

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