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Wie die Prinzessin gerettet wurde

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Vor langer, langer Zeit, wars gestern oder wars heut, da saß ein König auf seinem Thron und vergoss bittere Tränen. Er schien in den vergangenen Wochen um Jahre gealtert zu sein. Eigentlich gehörte es sich nicht für einen König zu weinen, doch sein Kummer war so groß, dass es ihn nicht im Geringsten kümmerte. Seine Tochter war seit geraumer Zeit verschwunden. Das ganze Königreich wurde nach ihr abgesucht, doch ohne Erfolg. Der König rechnete mit dem Schlimmsten. Er befürchtete, dass die Prinzessin ins benachbarte Land des Riesen gelangt war. Böse Geschichten wurden darüber erzählt.
Der König ließ verkünden, dass er mutige Herren zur Befreiung seiner Tochter suchte. Er würde den Retter auch reichlich belohnen. Jedoch meldete sich nach dem sechsten Prinzen keiner mehr, der es wagen wollte, in dieses gefährliche Land vorzudringen. Denn nicht einer kehrte zurück. Da war es doch verständlich, dass der König vor lauter Angst und Sorge um seine einzige Tochter den Kopf hängen ließ und ans Regieren nicht mehr zu denken war.

Auf dem Schlosshof lebte auch ein junger Mann, der stets gutgelaunt und froher Dinge die riesige Schafherde des Königs hütete. Das Schicksal seines Herrn machte ihn äußerst traurig, schließlich war der König immer gerecht und gütig gewesen, bevor ihn die Schwermut befiel. So beschloss der Hirte ins Land des Riesen zu gehen, um die Prinzessin zu befreien. Schließlich hatte er einen hellen Kopf, war kein Schwächling und Furcht war ihm fremd. Ein Lied vor sich her pfeifend und mit einem Rucksack auf dem Rücken wanderte er mutig auf das unbekannte Land zu und wagte sich über dessen Grenzen. Nach einem weiten und ermüdenden Marsch erreichte er endlich die Höhle des Riesen. Dieser hockte davor und bewachte den Eingang. Plötzlich schnüffelte er in die Luft, erblickte den ungebetenen Gast und donnerte: „Nanu, wen haben wir denn da? Ein neues Männlein ist gekommen. Das siebente! Möchtest du mir Gesellschaft leisten? Mir ist nämlich so schrecklich langweilig! Die anderen haben keine Ideen mehr mich zu unterhalten! Oder willst du wie die anderen Schwächlinge die schöne Prinzessin befreien?“
„Ja, genau das will ich! Ich werde sie befreien!“, ereiferte sich der Hirte.
Der Riese streckte seine Hand aus und umfasste den Hirten mit seinen Fingern. Dann betrat er die Höhle und setzte den Eindringling auf einem gigantischen Tisch ab. Dort saßen bereits die Prinzessin und die verschwundenen sechs Prinzen.

„So, was willst du Wurm unternehmen, um die Prinzessin zu retten, hä?“, herrschte ihn der Riese an. Der Hirte ließ sich von dieser Brüllerei nicht einschüchtern, schmunzelte und antwortete ohne Furcht: „Stell drei Aufgaben! Löse ich zwei davon, gehe ich als Sieger hervor und du musst uns alle freilassen!“
„Hm!“,
grinste der Riese. „Einverstanden! Doch gewinne ich, dann bleiben alle hier in meiner Höhle und ihr leistet mir Gesellschaft bis an euer Lebensende!“

Die Augen des Hirten verdunkelten sich nachdenklich, doch dann antwortete er mit fester Stimme: „Es gilt!“
„Gut!“ Der Riese rieb sich vergnügt die Hände. „Wer
zuerst am höchsten Gipfel angelangt ist und schlussendlich am höchsten steigen kann, hat die erste Aufgabe gelöst!“ Darüber musste der Riese so sehr lachen, dass er beinahe die Menschen vom Tisch gepustet hätte.
Dieses Angebot nahm der findige Hirte gerne an. Gemeinsam gingen sie ins Freie. Der Riese vergaß jedoch nicht, die Höhle sorgfältig zu versperren. Auf das Startzeichen hin stampfte der Riese los und erreichte völlig außer Atem den höchsten Gipfel seines Landes, aber vom Gegner? Weit und breit keine Spur! Plötzlich vernahm er eine Stimme, die höhnte: „Und? Wer ist nun am höchsten aufgestiegen?“
Verwundert schaute sich der Riese um, konnte aber niemanden erblicken. Der Hirte hingegen sprang auf dessen Kopf
herum und lachte: „Ha, ha! Ich bin noch viel höher wie du aufgestiegen!“
Der Hirte hatte sich vor der Höhle heimlich unter des Riesen Hose geschlichen und war langsam immer höher hinaufgeklettert. Der Riese merkte, dass er reingelegt worden war und überlegte nun angestrengt, wie er es dem Menschlein mit der nächsten Aufgabe heimzahlen konnte. Wutschnaubend marschierte er los und knurrte dabei: „Du bist schlau! Aber du hast noch zwei Aufgaben zu lösen, und das wird dir nicht gelingen!“
Wieder in der Höhle angelangt sagte der Riese: „Wer bis zum nächsten Abend die größere Leinendecke nähen kann, hat die zweite Aufgabe gelöst. Ha! Diesmal wirst du verlieren! Mit meinen riesigen Händen bin ich tausendmal
schneller wie du!“
Und schon begannen sie aus bunten Stofffetzen jeder eine Decke zu nähen.

Am nächsten Abend überprüften sie das Ergebnis. Der Riese grinste über beide Ohren und polterte: „Hab ich’s dir nicht gesagt? Leider hast du dieses Mal verloren!“
Eine Aufgabe haben wir noch offen!“, schrie ihm der Hirte ins Gesicht.
„Ja, ja! Eine ist noch offen! Mir fällt aber nichts mehr ein!“ brummte der Riese. Plötzlich schien er gut gelaunt und sagte: „Da ich diesmal gewonnen habe, darfst du dir eine Aufgabe einfallen lassen.“
Darauf hatte der Hirte nur gewartet: „Ich habe in meinem Rucksack Erde aus meinem Land mitgebracht. Wer schafft es, länger den Duft dessen Erde einzusaugen, hat gewonnen und geht als Sieger hervor!“
Der Riese machte ein verblüfftes Gesicht und der Hirte fragte listig: „Weigerst du dich etwa, weil es fremde Erde ist?“
„Natürlich nicht! Her mit dem Rucksack!“, schrie der Riese wieder wütend.

Die Prinzessin und die Männer standen auf dem Tisch. Während der Junge seinen Rucksack hervorholte, der mit gemahlenem schwarzen Pfeffer gefüllt war, setzten sich d
ie Prinzessin und die Männer auf die Leinendecke und hielten einander fest. In der Nacht hatte der Hirte diesen Plan geschmiedet und den anderen mitgeteilt. Als der Riese den kleinen Rucksack sah, lachte er höhnisch: „Ah, diesen Duft sauge ich alleine auf, der reicht nicht für zwei!“ Schon beugte er seinen Kopf darüber und atmete so tief, wie es nur ein Riese kann, ein. Was dann geschah, ist bald erzählt. In seiner Nase kribbelte und kitzelte es so ungeheuerlich, dass er heftig niesen musste: „Ha-ha-ha- hatschi!“ Und wieder: „Ha-ha-ha-hatschi!“
Es wurde immer schlimmer. Plötzlich prustete er so unglaublich, dass der Nieser unter die Leinendecke fuhr und sie samt Menschen mit einem heftigen Luftstoß zur Höhle hinausgeweht wurde – weit über das ganze Land hinweg bis zum Königreich der Prinzessin. Die Prinzen bedankten sich bei dem einfachen Mann und brachen unverzüglich in ihre Reiche auf.


Wie war der König glücklich, als er seiner Tochter
gegenüberstand. Er konnte es kaum glauben und weinte – dieses Mal aber Freudentränen!
Den findigen Hirten hatte die Prinzessin mittlerweile
so sehr ins Herz geschlossen, dass sie ihren Vater bat, ihn heiraten zu dürfen. Schließlich wäre sie ohne die Klugheit dieses einfachen Menschen noch immer in der Gewalt des bösen Riesen. Der König war einverstanden, ließ ein dreitägiges märchenhaftes Hochzeitsfest ausrichten und schenkte seinem Schwiegersohn das Königreich und seine Krone samt Zepter dazu. Der junge König regierte das Volk in Weisheit und Güte, kannte er doch wie kein anderer die Nöte und Sorgen der einfachen Leute.

Quelle: Carmen Kofler

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