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Märchenbasar

Omakaki Iwke oder die Krötenfrau

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Eine schöne junge Frau lebte einsam und verlassen im Wald, und das einzige lebende Wesen, das sie um sich hatte, war ein treuer Hund. Doch sie konnte von großem Glück sagen, denn jeden Morgen, nachdem sie aufgestanden war, fand sie ein großes Stück Fleisch vor ihrem Wigwam liegen. Da sie nun die Neugier plagte, wer ihr dieses eigentlich bringe, so stand sie einst sehr früh auf und bemerkte einen schönen Jüngling, der sich langsam ihrer Hütte nahte. Sie begegneten sich, grüßten sich – und heirateten auch bald danach. Nach Verlauf eines Jahres waren sie auch im Besitz eines munteren Sohnes.
Nun begab es sich einst, daß der glückliche Gatte eines Abends nicht zur gewöhnlichen Zeit von der Jagd nach Hause kam. Da er auch am folgenden Tag noch nicht zurückkam, sang die ängstliche Frau ihr Söhnlein in den Schlaf und befahl ihrem Hund, auf es achtzugeben und es zu schaukeln, wenn es schreie. Dann verließ sie ihre Hütte.
Doch als sie ungefähr zehn Minuten lang weg war, hörte sie auf einmal ein heftiges Gebell ihres treuen Hundes, worauf sie augenblicklich zurückeilte, zu ihrem größten Schreck aber weder Hund noch Kind vorfand. Auf dem Boden lagen zahlreiche Stücke der reich bestickten Kinderdecke verstreut, die wahrscheinlich der Hund bei seinem Kampf mit der berüchtigten Omakaki Ikwe oder der Krötenfrau abgerissen hatte; denn jene allbekannte teuflische Hexe war es gewesen, die das Kind gestohlen hatte. Die Mutter lief nun eilends weiter und kam in eine Hütte, die von alten Weibern bewohnt war, die ihr mitteilten, daß die alte Diebin soeben hier vorbeigeeilt sei. Dann gaben sie ihr schnelle Mokassins, womit sie dreimal so schnell laufen konnte, und zeigten ihr auch den Weg zum Wigwam der nächsten Noko oder Großmutter.
Dort angekommen, fand sie neue Mokassins, die noch schneller waren. Ihre alten stellte sie mit den Zehen rückwärts zeigend vor die Tür, und sogleich traten diese ihren Heimweg allein an.
So reiste sie lange Zeit über Berge, Felder und Flüsse, bis ihr zuletzt eine dieser medizinenen Großmütter sagte, daß die von ihr verfolgte Hexe nicht weit von ihr wohne. Dabei gab sie ihr den Rat, sich ebenfalls ein kleines Häuschen zu bauen und eine hölzerne Schüssel vor die Tür zu stellen, die sie mit ihrer Milch füllen sollte. Ihr erstes Kind, nämlich der Hund, würde diese bald entdecken, sie selbst erkennen und ihr dann sicherlich zur Rettung seines Bruders behilflich sein.
So kam es denn auch. Sie setzte dem Hund die Milch vor und sagte: »Sieh, mein lieber Sohn, das ist von der Speise, wie sie dir deine rechte Mutter gab!«
Der Hund verstand sie und lief zu seinem jungen Herrn zurück, der eben mit schwerer Beute beladen von der Jagd nach Hause eilte. Er erzählte ihm nun seine ganze Familiengeschichte haarklein; daß er, als er noch in den Windeln gelegen habe, von der Krötenfrau geraubt worden und daß jetzt seine rechte Mutter gekommen sei, um ihn wieder zu holen.
Darauf warf der Jüngling seine Beute nieder und sagte seiner vermeintlichen Mutter, der alten Hexe, sie solle der armen Fremden, die dort in der Nähe wohne, auch etwas davon abgeben. Das wollte aber die Krötenfrau durchaus nicht; doch als ihr Sohn fest darauf bestand, warf sie ihr mürrisch ein Stück Fleisch vor die Tür und rief: »Hört da, fremde Frau, das schickt Euch mein Sohn!«
Jene ließ es jedoch ruhig liegen.
Nach einiger Zeit besuchte sie auch ihr wirklicher Sohn, dem sie ebenfalls von ihrer Milch zu trinken gab und ihm dabei die Geschichte seiner eigentlichen Herkunft erzählte, die ihm etwas unglaublich vorkam. »Stelle dich krank, mein Sohn, wenn du nach Hause kommst«, sagte sie; »und wenn dich die Hexe fragt, was dir fehlt, so antworte, du möchtest gern die Decke sehen, in die sie dich als Kind gewickelt habe. Dein Hundebruder hat einige Fetzen davon abgerissen, die ich dir jetzt zeigen will.«
Nachdem sie ihm diese gezeigt hatte, ging er nachdenklich heim und fragte die Krötenfrau: »Sag, warum bin ich denn so verschieden von deinen übrigen Kindern?«
»Oh, es war gerade schönes Wetter, als du geboren wurdest; das ist die Ursache. Aber, mein Sohn, dir scheint etwas zu fehlen?«
»Ja, Mutter, ich möchte gern mein Wiegenzeug einmal sehen.«
Sie ging fort und holte das ihrer anderen Kinder, und als er damit nicht zufrieden zu sein schien, holte sie auch die reich verzierte, an mehreren Stellen zerrissene Decke, deren Farben genau dieselben waren, die er an den Fetzen bei seiner echten Mutter bemerkt hatte.
Nun tat er, als sei ihm wieder wohl, ging fort auf die Jagd und tötete einen fetten Bären. Mit Hilfe seines Hundebruders hob er seine Jagdbeute auf einen dick beasteten Baum, schnitt dem Tier die Zunge heraus und nahm sie mit nach Hause. Dort erzählte er der Alten, daß er einen großen, mächtigen Bären erlegt habe, ihn aber sehr weit, beinahe am Ende der Welt, habe liegen lassen.
»Oh, es ist sicher nicht so weit, daß ich ihn heute nicht mehr holen könnte«, antwortete sie und lief eilends nach der angegebenen Richtung.
Als sie nun fort war, erschlugen der junge Mann und sein Hund die vier anderen Kinder der Hexe, stopften jedem einen Klumpen Fett in den Mund und stellten die toten Körper aufrecht gegen die Tür. Danach liefen sie zur rechten Mutter des jungen Mannes, die nun schnell mit ihnen entfloh.
Die Krötenfrau hatte viel Zeit und Mühe gebraucht, den toten Bären vom Baum herabzuholen und nach Hause zu schleppen. »Aber warum freßt ihr eurem Bruder sein Haarfett weg?« rief sie fuchsteufelswild ihren Kindern entgegen; denn sie meinte, sie lebten noch und äßen den ganzen Fettvorrat auf. Bald bemerkte sie aber das Unheil, das die Entflohenen angerichtet hatten, und wutentbrannt rannte sie ihnen nach.
Da sie nun ungeheuer schnell laufen konnte, so holte sie sie auch bald ein. Der junge Mann warf ihr einen großen Stein in den Weg, so daß sie niederstürzte; doch da sie keinen erheblichen Schaden nahm, war sie ihnen bald wieder auf den Fersen. Nun warf er sein Messer hinter sich; sie fiel hinein und verwundete sich, kam ihnen aber doch wieder nach. Da versteckte sich denn der Hund ungesehen im Gesträuch am Weg und fiel sie, als sie an ihm vorbeilief, plötzlich im Rücken an und zerriß sie in tausend Fetzen. Aus jenen Fetzen entstanden später giftige Disteln und gefährliche Dornbüsche.
Die Fliehenden konnten nun gemächlich ausruhen, sich in Frieden eine wohnliche Hütte bauen und ungestört ein glückliches Leben führen.

Quelle: Karl Knortz, Märchen und Sagen der Indianer Nordamerikas

 

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