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Der verzauberte Ring

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Es war einmal ein armer Holzfäller, der lebte mit seiner Frau und seinen drei Töchtern am Rande eines dichten, dunklen Waldes. Die Familie war arm, doch sie waren zufrieden, solange sie sich ihre kargen Mahlzeiten teilen konnten. Doch eines harten Winters schwand ihr Glück, als eine schwere Krankheit die Mutter hinwegraffte. Die Töchter und der Vater trauerten sehr, doch die Arbeit im Wald musste weitergehen.

Eines Tages, als der Holzfäller tiefer in den Wald ging, als er es je gewagt hatte, stieß er auf einen alten, verfallenen Turm, den er zuvor noch nie gesehen hatte. Die schweren Eisentore waren von Efeu umwachsen und knarrten, als der Wind durch die Öffnungen wehte. Neugierig trat der Holzfäller näher und sah, dass in dem Turm eine schwere eiserne Truhe stand, die so verrostet war, dass man glauben könnte, sie sei seit Jahrhunderten nicht mehr geöffnet worden.

Der Holzfäller zögerte. Doch als er die Truhe öffnete, fand er darin einen kleinen Beutel, der mit Goldmünzen gefüllt war, und ein kleines Stück Pergament, auf dem stand: „Wer mit reinem Herzen dies Gold nimmt, dem sei es gegönnt. Doch wer es aus Gier nimmt, den wird das Unglück heimsuchen.“

Der Holzfäller dachte an seine Töchter und beschloss, das Gold mitzunehmen, um ihnen ein besseres Leben zu ermöglichen. Er kehrte nach Hause zurück, erzählte seinen Töchtern nichts von der Warnung und begann, das Gold sorgsam auszugeben. Das Leben der Familie wurde leichter, doch mit dem Gold kamen auch Schatten über das Haus. Der Holzfäller wurde verbittert und misstrauisch, und die einst so fröhlichen Töchter stritten sich nun oft.

Eines Abends, als ein Sturm über das Land zog, hörten die drei Töchter ein leises Klopfen an der Tür. Als sie öffneten, stand ein altes Weib davor, in Lumpen gehüllt und mit einem langen, krummen Stock in der Hand. „Habt Mitleid mit einer alten Frau,“ sprach sie mit zitternder Stimme, „und gebt mir etwas zu essen und ein Dach über dem Kopf für die Nacht.“

Die älteste Tochter, die einst gutherzig und liebevoll gewesen war, schüttelte den Kopf. „Wir haben selbst kaum genug für uns,“ sagte sie kalt und wollte die Tür schließen. Doch die jüngste Tochter, die noch immer ein reines Herz hatte, nahm die Hand der alten Frau und führte sie ins Haus.

Am nächsten Morgen, als der Sturm sich gelegt hatte, war die alte Frau verschwunden, doch auf dem Tisch lag ein kleiner goldener Ring.

Verwundert hob die jüngste Tochter den Ring auf und betrachtete ihn genau. Er schien alt zu sein, doch er funkelte im Morgenlicht, als wäre er aus reinem Gold geschmiedet. Sie steckte ihn sich an den Finger, und im selben Augenblick wurde das Haus von einem warmen Licht erfüllt. Die beiden älteren Schwestern eilten herbei und sahen den Glanz, der von dem Ring ausging. Doch statt sich zu freuen, wurden sie von Neid erfüllt.

„Gib uns den Ring,“ forderte die älteste Schwester mit harter Stimme. „Er gehört uns allen.“ Doch die jüngste Tochter spürte, dass der Ring etwas Besonderes war, und schüttelte den Kopf. „Der Ring wurde mir überlassen, und ich werde ihn nicht hergeben.“

In der Nacht, während die jüngste Tochter schlief, schlichen sich die beiden älteren Schwestern in ihr Zimmer und stahlen ihr den Ring. Kaum hatten sie ihn jedoch berührt, da verwandelte sich der Ring in eine kalte Eisenkette, die sich um ihre Finger wand und sie festhielt. Ein tiefer Donner hallte durch das Haus, und die beiden Schwestern schrien vor Angst, doch die Kette ließ sie nicht los.

Da trat die jüngste Tochter hinzu, geweckt vom Lärm, und sah, was geschehen war. Mit einem reinen Herzen und voller Mitgefühl sprach sie leise: „Ich vergebe euch. Lasst uns den Ring zurückgeben, und vielleicht wird die alte Frau uns vergeben.“

Kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen, löste sich die Eisenkette und der Ring fiel zu Boden. Erneut strahlte das warme Licht durch das Haus, und der Ring verwandelte sich in eine kleine goldene Blume. Die Blume öffnete ihre Blütenblätter, und aus ihr erhob sich ein feiner Nebel, der sich vor den Schwestern zu der Gestalt der alten Frau verdichtete. Doch die alte Frau war nun jung und schön, mit einem Antlitz so rein wie der Morgentau.

„Ihr habt die Prüfung bestanden,“ sprach die Frau mit sanfter Stimme. „Das Gold aus dem Turm war ein Fluch, der auf eurer Gier und eurer Uneinigkeit lastete. Doch durch die Güte und das Verzeihen der jüngsten Tochter ist der Fluch gebrochen. Nun soll euer Haus wieder in Frieden leben.“

Mit diesen Worten verschwand die Frau, und der Ring blieb als goldene Blume zurück, die niemals welken würde. Der Vater und seine Töchter lebten fortan ohne Streit und Missgunst. Sie waren zwar nicht reich, aber das Glück kehrte in ihr Haus zurück, und sie lebten in Frieden bis an ihr Lebensende.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.

© Mario Eberlein

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