Es war tiefe Nacht in Afrika und alle Tiere schliefen friedlich. Elefantenjunge Bruno aber nicht. Der hatte sich nämlich heimlich, mit seinem Spielgefährten, dem Zebra Hugo, verabredet. Die beiden wollten zum großen Fluss wandern.
Auf dem sollte es schwimmende Häuser geben. So erzählte es jedenfalls ein alter Elefantenbulle. Einen hohlen Affenbrotbaum hatten sie sich als Treffpunkt ausgemacht. Dorthin schlich nun der kleine Elefant. Er wollte gerade an der schlummernden Giraffenfamilie vorbei huschen, als jemand flüsterte: ,,Nimm mich mit, Bruno.“ Der blieb wie angewurzelt stehen.
Das Giraffenmädchen Mala reckte sich drohend auf:
,,Wenn nicht, dann schlage ich Alarm!“
,,Psst, nein“, wisperte der Dickhäuter, „du kannst nicht mit. Das ist viel zu gefährlich.“
,,Hör auf, mit dem blöden Jungensgefasel, ich komme mit, oder?“
,,Ja, ja, komm schon, sei bloß leise.“
Hugo wartete schon aufgeregt am Baum. ,,Ich sehe wohl nicht richtig, wieso schleppst du die hier an?“, wollte er wissen.
Die beiden Freunde tuschelten kurz miteinander und sahen ein, dass sie die Giraffe mitnehmen mussten. Anderenfalls konnten sie ihr Abenteuer gleich vergessen. Also zogen die drei los zum großen Fluss.
Im fahlen Mondlicht sah alles fremd und sehr gespenstisch aus. Mala zeigte überhaupt keine Furcht. Sie fühlte sich mit den starken Gefährten sicher. Vor ihnen tauchte eine Baumgruppe auf, an der sie eben vorbeiziehen wollten, als der Mond sich hinter einer dicken Wolke versteckte. In der Dunkelheit knackten Zweige.
,,Huch, was ist das?“, zischte ängstlich der kleine Rüssel.
,,Was ist was?“, fragte die Giraffe.
,,Da, schon wieder, hört ihr es denn nicht?“
,,Nee, lass uns weiter gehen“, meinte das Zebra.
,,Knack, Knackknack.“
Das hörten sie alle drei, drängten sich dicht zusammen und warteten auf etwas ganz Schreckliches.
Im zurückkehrenden Mondschein stand ein Gnu vor ihnen.
,,Uff, hast du uns vielleicht erschreckt“, trompetete Bruno erleichtert.
,,Wieso das denn, ihr habt wohl was ausgefressen“, meinte das Gnu höhnisch.
,,Nö, nö“, plapperte der Langhals, „kommt man auf diesem Wege zum Fluss?“
,,Woher soll ich das wissen!“
Damit verschwand der unfreundliche Geselle zwischen den Bäumen. Das Grüppchen trottete weiter, geradewegs in den Sonnenaufgang hinein.
,,Was rumpelt da so merkwürdig?“, erkundigte sich der aufmerksam lauschende Hugo.
,,Ist ja nur mein Bauch, der vor lauter Hunger rumort“, jammerte Bruno.
Eine Futterpause hätten sie schon längst vertragen und so füllten sie ihre leeren Mägen mit dem üppig wachsenden Grünzeug. Gesättigt marschierte das Trio weiter.
*
Der Weg wollte und wollte kein Ende nehmen. Gegen Abend trafen sie eine Zebuherde. Von ihr erfuhren die Abenteurer, dass es noch zwei Tage bis zum Wasser dauere. Das Giraffchen konnte vor Müdigkeit kaum noch die Augen offen halten. Deshalb suchten sie einen geeigneten Rastplatz und fielen sofort in tiefen Schlaf.
Lautes Vogelgezwitscher weckte die Ausreißer recht früh auf. Noch nicht ganz ausgeschlafen setzten sie träge die Wanderung fort. Auf ihrer langen Tour begegneten ihnen Löwen, Hyänen, Elefanten, Giraffen, Zebras und anderes Getier. Zum Glück gerieten sie nirgendwo in Gefahr. Nur einmal, da wäre Hugo beinahe von einer Giftschlange gebissen worden. Doch im letzten Moment konnte Bruno das Biest mit seinem Rüssel wegschleudern.
Es dunkelte bereits und keine Spur vom Fluss zu sehen. Dabei waren sie schon sechs lange Tage unterwegs. Erschöpft lagerten die drei Freunde unter einer Akazie zur Nachtruhe.
*
,,He, ihr Langschläfer, aufwachen, los, los“, weckte Mala die Jungs, „wir sind da, es ist geschafft, Hurra!“
,,Hm, hä, was ist los?“, brummte das schlaftrunkene Zebra mürrisch.
Hinter den Büschen glitzerte zum Greifen nahe der langersehnte Strom. Da war es wirklich, das große schwimmende Haus.
,,Können wir es auch von drinnen ansehen?“, möchte Mala wissen.
,,Ja, ich glaube schon“, brabbelte Hugo,“ aber wir müssen bis zur Nacht warten.“
Der Platz hinter der Böschung eignete sich prima zum Ausruhen. Wieder und wieder schaute einer nach, ob die Menschen mit ihrem hin und her Gerenne bald aufhören. Die schleppten pausenlos Säcke, Körbe und Kisten in das Haus auf dem Wasser.
Stockfinster war es, als endlich Stille einkehrte und da unten niemand mehr herumrannte.
Vorsichtig näherten sich die kleinen Helden dem Schiff. Das Zebra betrat als erster den schrägen Aufgang. Hinter ihm der Elefant, dann folgte Mala. Mitten auf der schwankenden Planke stotterte Bruno: ,,Oh, da, da, gehe ich nicht rein.“
,,Quatsch nicht, los weiter“, wurde er ungeduldig von hinten gestupst.
Die Schiffsmannschaft vergnügte sich an Land und somit konnte das Trio seine maßlose Neugier stillen.
Während der Besichtigung gelangten sie auch in den Schiffsbauch. Hier befanden sich Unmengen köstlicher Sachen für ihren großen Hunger.
Nach Herzenslust zu schmausen macht gewaltig müde und bald hörte man nur noch sattes Schnarchen.
,,Ach, ist mir übel und schwindelig“, stellte Mala am Morgen fest.
,,Mir ist auch mächtig taumelig“, stöhnte Bruno.
Sie spürten den Seegang, der Frachter hatte in der Nacht abgelegt, um zu seinem Heimathafen zurück zu kehren.
Schon seit Stunden schüttelte es die drei gewaltig durch, als jemand von der Mannschaft in den Laderaum kam.
,,Sapperlot, beim Klabautermann, träume ich, oder war es gestern ein Bier zu viel?“, rief der Matrose ungläubig. ,,He Männer, kommt her, das müsst ihr euch ansehen!“
Einige kamen sofort angerannt und staunten nicht schlecht. Aber keiner von ihnen wusste, wie und wann die völlig verängstigten Jungtiere auf das Frachtschiff gelangt waren. Unglücklicherweise konnte nirgendwo mehr angelegt werden, um die blinden Passagiere von Bord zu bringen. Zwei Wochen dauerte die Reise bis zum Ziel. Die Seeleute kümmerten sich liebevoll um die drei kleinen Tierkinder.
Im Hafen warteten schon nette Zooleute. Sie nahmen Mala, Hugo und Bruno mit und gaben ihnen ein neues Zuhause.
Dort werden sie nun jeden Tag von vielen Kindern besucht.
Quelle: Ulla Magonz