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Das Madejlager

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An einem düstern Tag im Herbst gelangte ein von einer weiten Reise heimkehrenden Kaufmann mit seinem Wagen, der mit Waren aus einer fremden Stadt schwer beladen war, um die Abendstunde in einen dichten Wald.
Nun hatte ihm sein Kutscher, obwohl es noch wenig früh war, geraten, sein Nachtlager in dem vorm Walde gelegenen Dörfchen aufzuschlagen, denn er wußte, daß sich der Wald über drei Meilen ausdehnte, überdies war Regen gefallen und der Weg, ohnehin nicht der beste, schwierig zu befahren, so daß man nicht früher als gegen Mitternacht beim nächsten Quartier ankommen würde. Jedoch der ungeduldige Kaufmann, der nach mehrmonatiger Abwesenheit so schnell wie möglich das eigene Haus erreichen und vor allen Dingen seine geliebte Frau wiedersehen wollte, mochte nicht soviel kostbare Zeit vergeuden; er beschloß also, doch bis zur Schenke hinterm Walde zu fahren, um schon am nächsten Tag den heimischen Flecken zu erreichen. Zu seinem Unglück wurde der Weg immer schlechter, auch erschwerte die undurchdringliche nächtliche Finsternis das Vorwärtskommen des überladenen Wagens, so daß der Kaufherr sehr bald ehrlich bedauerte, dem klugen Rat seines Dieners nicht gefolgt zu sein. Es blieb nun nichts anderes mehr übrig, als der göttlichen Fügung zu vertrauen und weiterzufahren. So hatten sie schon mit großer Mühsal die Hälfte des Waldes durchquert, als das Fuhrwerk plötzlich im Schlamm steckenblieb und auf keiner Weise von der Stelle zu bringen war. Umsonst hieb der eifrige Kutscher unter kräftig ermunterndem „Hüh! Hüh!“ angestrengt mit der Peitsche auf die ermüdeten Pferde ein; die armen Tiere wühlten sich immer tiefer in den bodenlosen Morast und versanken schließlich so im Schlamm, daß man sie nicht ohne fremde Hilfe von der Stelle bewegen konnte.
Was tun? Das dorf war viel zu weit entfernt, um von dort Hilfe heranzuholen. Der arme Kaufmann befand sich in einer wahrlich bedauernswerten Lage. Müde, außer Atem von den angespannten Bemühungen, überdies durchnässt von dem zeitweilig tröpfelnden Regen, warf er sich am Ende verzweifelt auf den Boden, verfluchte den Weg und seinen unglückseligen Starrsinn, der ihn um diese Stunde in den Wald geführt hatte.

Plötzlich erblickte er beim blassen schein des Mondes, der hinter den Wolken hervorsah, neben sich eine Gestalt. Im ersten Augenblick hielt er die Person mit dem kurzen, grünen Gewand für den Jäger des Forsts; das lodernde Gesicht, die scharfen Augen, die dürren, in Hühnerkrallen endenden Beine, auf denen er gleichsam schwebte, verreiten jedoch den Abgesandten der Hölle. Um sich noch besser vom Charakter des Ankömmlings zu überzeugen, bekreuzigte er sich unmerklich. Und obwohl der Höllenjäger ziemlich entfernt von ihm stand, zischte er vor Schmerz und wand sich in Krämpfen, während er dem Kaufmann zurief: „Laß diese dummen Flausen! Ich bin gekommen, dich zu retten: wenn du meine Hilfe nicht annehmen und in diesem Moor versinken willst, ist das deine Sache, du wirst nicht der erste sein, der an dieser stelle zu Tode gekommen ist.“Als ihm der Kaufmann darauf nicht antwortete, setzte der Teufel, sein Schweigen als Einverständnis nehmend, hinzu: „Nun, ich sehe, Brüderchen, daß du Verstand hast und nicht warten willst, bis den Pferden der Schlamm überm Kopf zusammenschlägt, du möchtest lieber etwas verlieren als alles. Du weißt selbst sehr genau, daß nichts auf der Welt umsonst ist: ich bin gar nicht so habgierig, gib mir nur das, was du zu Hause hast, ohne davon zu wissen, und ich hole dich aus diesem Moor heraus.“ Der Kaufmann, darauf vertrauend, daß er sein ganzes Vermögen aufs Tüpfelchen genau aufzählen könnte, dachte bei sich: „Das muß noch ein Anfänger sein, ich sehe, daß er die Welt nicht kennt; er weiß nicht, daß die Leute heutzutage, und besonders die Kaufleute, ausgezeichnet rechnen können: ich werde aus seiner Dummheit den Nutzen ziehen.“ Als der Teufel seine Bereitwilligkeit sah, fügte er in boshaften, unterdrückte Freude verratendem Ton hinzu: „Trau, schau, wem; besser, wenn du mir einen kleinen Schuldschein ausstellst, weißt du doch selbst, daß man sich aufs nackte Wort nicht verlassen kann; und ich möchte die Sache bei Gericht nicht verlieren, wenn’s zum Prozeß kommt.“ Im Nu holte er aus dem Hemd einen Fetzen Ochsenhaut hervor, und nachdem er mit einem spitzen Taschenmesser dem Kaufmann etwas Blut aus dem Ringfinger gezapft hatte, stellte er das fragliche Dokument in optima forma aus. Er machte vor Freude einen Luftsprung, dann zog er auf geheimnisvoller Weise das Fuhrwerk aus dem Sumpf und führte es auf einen trockenen Platz.

Plötzlich peitschte ein heftiger Sturm durch die Zweige des dichten Waldes: das Teufelgesicht verschwand, nur ein fahler Schein, einem Irrlicht gleich, blinkte im Dickicht, in der Ferne aber ließ sich ein schrilles Pfeifen und ein höllisches Echo vernehmen: Ha, ha, ha!
Unheilschwanger krächzten und schrien die aufgeschreckten Eulen, Käuzchen und Raben über dem Kopf des verängstigten Kaufumanns, ihnen antwortet das fürchterliche Geheul der Wölfe. Die Haare standen unseren Reisenden zu Berge, und sogar die armen ausgepeitschten Pferde nahmen ihre letzten Kräfte zusammen und bemühten sich mit gesträubten Mähnen, schnaubend und röchelnd, dem schrecklichen Ort zu entrinnen. Nach einer gewissen Zeit gelangten sie auf offenes Feld, dort erst erlaubte er den armen Tieren, Atem zu schöpfen, und erholte sich selbst von seinem Schrecken. Aber bald vermischte der sonnige und freundliche Morgen die Erinnerung an das nächtliche Grauen, und als die wohlbekannten Türme der heimatlichen Stadt am Horizont auftauchten, zog das nahe Heim seine ganze Aufmerksamkeit auf sich. Als das beladene Fuhrwerk schon vor dem Haus stand, nahm die erfreute Ehefrau, die mit Sehnsucht nach dem heimkehrenden Mann ausgeschaut hatte, ihren Sohn auf den Arm, das ersehnte Pfand der Liebe, mit dem die Gunst des Himmels sie während der langen Abwesenheit des Mannes beschenkt hatte. Mit dem Gefühl der lebhaftesten Freude eilte sie diesem Wiedersehen entgegen. Gerührt drückte der Vater die Mutter und den langersehnten Sohn an seine Brust und weinte Freudentränen; plötzlich jedoch, wie vom Blitzschlag getroffen, erinnerte er sich an den unglückseligen Teufelspakt: „Ach, wehe mir Unglücklichem, wehe mir Unglücklichem, wehe! Welch Unheil habe ich angerichtet! Du armes, unschuldiges Wesen!“ Danach warf er sich, das Gesicht in beide Hände gepresst, auf die Bank und weinte und schluchzte in größter Verzweiflung. Die über das unbegreifliche Verhalten des Mannes verwunderte Kaufmannsfrau stellte ihm tausenderlei Fragen, um den Grund für den Gram und die Traurigkeit des Mannes herauszufinden; sei es, daß er der empfindsamen Ehefrau diesen großen Harm ersparen wollte, sie vermochte nichts aus ihm herauszubringen. Nachdem der Tränenstrom versiegt war, verspürte der unglückselige Kaufmann ein wenig Erleichterung, wurde jedoch von nun an ohne Unterlaß von innerem Kummer geplagt; niemals stand nach diesem furchtbaren Abenteuer ein Lächeln auf seinen Lippen, lediglich geschäftliche oder häusliche Verrichtungen brachten ein wenig Vergessen und linderten seine inneren Qualen.
Das geradezu engelhafte Lächeln des geliebten Kindes schien seine grausame Pein noch zu verdoppeln.

Inzwischen wuchs das kleine Kind heran und entwickelte vorzügliche körperliche und sittliche Talente. Die fürsorgliche Mutter, die sich ganz der Erziehung des einzigen Kindes widmete, pflanzte ihm frühzeitig den Keim der Tugend und Gottesfurcht ein; und auch der Vater liebte es, als sich seine Trauer ein wenig besänftigt hatte, am meisten mit dem Kind über die wunderbaren Erkenntnisse der Religion zu sprechen, um beizeiten seine Aufmerksamkeit auf die Erlösung der Seele zu richten. Er nahm also nicht wunder, daß sich der Sohn, als er wesentliche Fortschritte in den Wissenschaften gemacht hatte, sich in Übereinstimmung mit dem elterlichen Wunsch für den geistlichen Stand entschied. Im Priesterseminar galt er nicht nur durch Fleiß und gründliches Studium, sondern auch seines vorzüglichen Verhaltens wegen bald als Vorbild. Er besaß die Liebe seiner Mitschüler, die Gunst der Vorgesetzten und war vollkommen glücklich; nur ein Umstand quälte ihn: wann immer er auch in den Ferien nach Hause fuhr, gewann er, statt im Gesicht des geliebten Vaters Freude zu gewahren, den Eindruck, daß jeder seiner Erfolge diesen nur mit tieferer Trauer erfüllte. Schließlich, als er schon Diakon war und bald die Kaplanweihe empfangen sollte, paßte er während der letzten Ferien im Elternhaus den entsprechenden Moment ab und bat den Vater herzlich, ihm den Grund seines ständigen Kummers zu entdecken. Da konnte dieser nicht länger an sich halten, zumal er selbst schon bei sich beschlossen hatte, dem Sohn den verhängnisvollen Teufelshandel um seine Seele zu verraten. Der beherzte Klerikus fiel, nachdem er sich die ganze Angelegenheit ruhig angehört hatte, keineswegs in Furcht vor der ihm drohenden Gefahr. Er wollte sich vielmehr sofort auf den Weg in die Residenz des Teufels begeben, um der Hölle die Verschreibung seiner Seele zu entreißen.
Zwar riet ihm der Vater von diesem kühnen Unternehmen ab, da er aber des Sohnes unerschütterlichen Willen sah und glaubte, daß der mit geistlichen Eigenschaften Ausgestattete sich schneller gegen den Teufel Rat wüßte, gab er endlich seine Einwilligung.
Der Klerikus geschützt durch die wirksamsten Reliquien, die ihn gegen die Angriffe des Satans verteidigen sollten, nahm als Waffen einen Weihwedel und einen geweihten Kessel mit sich.

Als er am dritten Tag seiner einsamen Wanderung einen dichten Wald erreichte, schritt er schneller aus, denn er wollte so schnell wie möglich dieses düstere Dickicht hinter sich lassen, aber vergeblich: je weiter er fortschritt, um so wilder und finsterer umgab ihn da Gestrüpp. Die sonne neigte sich bereits gen Westen, schon fiel die große Dämmerung herein, und es begann stark zu regnen. Die Lage des Wanderers war tatsächlich bedauernswert, da erblickte er plötzlich von weitem zwischen dichtem Gesträuch ein schwaches Licht. Erfreut beschleunigte er seine Schritte und sah dicht vor sich im Dickicht eine dürftig zusammengeschlagene Lehmhütte. Wenn die entlegene und versteckte Behausung auch an eine Räuberhöhle erinnerte, in der Asyl zu suchen ihm nicht geraten schien, so überwogen doch Hunger, Not und Erschöpfung. Nach mehrmaligem Klopfen öffnete endlich eine hinfällige Greisin die Tür. Sie ließ den Wandersmann in die Kammer ein, die von einem glühenden Kaminfeuer erleuchtet wurde. Als sie ihn nun besser sehen konnte, erbarmte sie sich seiner Jugend und wohl auch des geistlichen Gewandes. Sie rief: „Mein liebes Kind, entfliehe auf schnellstem Wege, denn hier erwartet dich der unvermeidliche Tod.

Mein Sohn ist ein Bandit, ich erwarte ihn jeden Augenblick, und wenn er dich hier vorfindet, bezahlst du deine Kühnheit mit dem Leben; um Gottes willen, entflieh! Er hat noch niemanden lebend aus seiner Hand gelassen.“ Aber der übermüdete Klerikus lechzte nach einer Stärkung und war bis auf den letzten Faden durchnässt, daß er lieber in der warmen Hütte bleiben wollte, als sich den Gefahren des Waldes auszusetzen. Er flehte die Alte an, daß sie ihn stärke und an einem sicheren Ort verberge. Kaum hatte er ein paar Brocken der mageren Kost zu sich genommen, als plötzlich gewaltig an die Tür geschlagen wurde.
Die verängstigte Frau versteckte ihn mit Mühe hinter den Ofen unter den Kienspänen und ging, die Tür zu öffnen. Der ungeduldige Räuber trat mit heftigen Schritten in die Kammer, brummte drohend vor sich hin, daß sie ihn so lange hatte draußen stehen lassen, danach aber ließ er seine Habichtsblicke durch den Raum schießen und witterte wie ein Spürhund, der die Fährte eines Wildes aufnimmt. „He, Mutter“, sagte er, ich rieche einen frischen Menschenleib; wo ist er?Oder willst du, daß ich dir mit meiner Keule den Kopf zertrümmere?“ Bevor das verängstigte Weiblein sich vom Fleck rühren konnte, sprang der mutige Klerikus, ohne das Äußerste abzuwarten, hinter dem Ofen hervor, hielt es doch für besser, selbst der schlimmsten Gefahr ins Auge zu blicken. Er nährte die Hoffnung, daß seine Diakonwürde, wenn schon nicht seine Jugend, das harte Räuberherz erweichen würde. Und so flehte er in demütiger Haltung um Mitleid. „Was Mitleid?“ donnerte mit furchtbarer Stimme der wutschnaubende Räuber. „Mitleid! Dieses Wort kenne ich nicht, wenn unter den Schlägen meines Knüppels dein Hirn zerspritzt, wird das mein Mitleid sein. Aber warte, ich werde dir eine Gnade erweisen: knie nieder und bereite dich auf den Tod vor; aber kurz, denn ich liebe keine langen Zeremonien.“ Als der unglückselige Jüngling sich plötzlich vor den Toren der Ewigkeit sah, ohne daß er zuvor aus dem Höllenrachen seine Seelenverschreibung zurückerlangt hatte, sprach er mit so eindringlicher, herzzereißender Stimme von der doppelten, der körperlichen und der seelischen Gefahr, die ihm drohte, daß der rasende Räuber die erhobene Keule sinken ließ und nachdenklich nach den näheren Gründen der Höllenwanderung fragte. Der redegewandte, Klerikus erzählte ausführlich die ganze Geschichte, und er wiederholte die Bitte, seine Seele nicht aufs Spiel zu setzen und unrettbar den teuflischen Mächten auszuliefern; er könnte ausgestattet mit wirksamen Mitteln, um den teuflischen Angriffen standzuhalten, lebendig schneller die satanischen Kräfte überwältigen.

Der Räuber verblüfft von diesem doppelten Anschlag auf Körper und Seele, stand lange gedankenverloren da, endlich ließ er sich mir düsterer Stimme vernehmen: „Du bist der erste, der meinen Händen heil entschlüpft; ich lasse dich frei, aber nur unter der Bedingung, daß du auf dem Rückweg zu mir kommst und mir erzählst, was du in der Hölle gesehen und gehört hast; ich habe wichtige Gründe dafür, die du leicht erraten kannst.“ Der Diakon gab sein feierliches Versprechen erfreut, daß ihm gelungen war, sein Leben zu retten und das Herz des harten Räubers zu erweichen. Nachdem sie dieses Gescvhäft, wie es sie dünkte, zur beiderseitigen Zufriedenheit erledigt hatten, nahmen sie schweigend das bereitete Abendessen ein, danach legten sie sich zu Bett, und am nächsten Tag im Morgengrauen begab sich der Diakon, ein frommes Morgenlied summend, auf die weitere Reise. Er ging über Felder und Berge, durch Wälder und Wiesen und sah sich plötzlich vor den Toren der Hölle. Feuerschlünde, aus denen zwei dicke Rauchwolken brachen, zeigten den Hauptsitz der teuflischen Macht an. Das Rauschen lodernder Wogen, das durch dringende Pfeifen der Winde, das furchtbare Gepolter, das an den Lärm sich drehender Mühlräder erinnerte, das Zischen von Ottern, das furchtbare Gebrüll Gefolterter – all das schuf ein ein entsetzliches, wahrhaft höllisches Chaos des Schreckens und des Grauens. Doch der beherzte Jüngling vertraute der Kraft seiner heiligen Talismane, vor allem aber der Reinheit seines Gewissens, und war zum Kampf mit der Hölle bereit. Er zog die geweihte Kreide der Heiligen Drei Könige, die Skapuliere und heilige Reliquien heraus, tauchte dreimal den Weihwedel in geweihtes Wasser, stimmte danach das Lied: „Wer sich in den Schutz des Herrn begibt“ an und tauchte mutigen Schritts ein in den Höllenkrater.

Was sein Auge dort erblickte, sein Ohr dort vernahm, das vermag keine menschliche Hand nachzuzeichnen: hier rollte sich ein schreckliches Ungeheuer mit zischender Zunge zu einem Knäuel zusammen und ließ gräuliche Schwaden aufsteigen; dort sperrte ein anderes seinen schwarzen Rachen auf, schnalzte mit der Zungenspitze und spie Flammen; hier brauste eine brennende Woge heran, dort öffnete sich der schwarze Schlund eines bodenlosen Abgrunds; wieder woanders glaubte man sich in eine Eisenhütte versetzt, wo gewaltige Öfen und Feuergluten ausatmeten, bei denen flinke Teufel die armen Seelen mit Zangen rösteten und danach mit gewaltigem Hammer auf glühendem Amboß schmiedeten. Seufzer, Jammer, Verzweiflung und wütendes Zähneknirschen, das drohende Schimpfen der Teufel und ihr höhnisches Gelächter; das Poltern, Rumpeln und Rattern der Marterinstrumente waren derart fürchterlich, daß man viel Mut und ein so wichtiges Anliegen haben mußte wie der Klerikus, um die angsterfüllten Schritte nicht rückwärts zu lenken. Gleichsam unerschütterlich in seinem Entschluß, schritt er kühn voran, schwenkte flink den Weihwedel und stürmte, auf diese Weise sich Platz schaffend, geradewegs zu Luzifer, dem obersten Höllenfürsten.

Als er vor ihm stand, sagte er ihm geradeheraus,daß er wegen dem Dokument gekommen sei, welches einer der Teufel auf so unredliche Art seinem Vater abgelistet hatte.
Da aber Luzifer nicht allzu viel Lust zeigte, auf diese gerechte Forderung einzugehen, begann er, um seinen Worten von vornherein das rechte Gewicht zu verleihen, bereitete er
ihm mit seinen Weihwedeln ein so heißes Bad, daß der arme Teufel vor Schmerzen brüllte, sich wie rasend hin und her warf und um ein Haar die Kette zerrissen hätte, mit der er an seinen Höllenthron geschmiedet war. In dieser Lage blieb Luzifer nichts anderes übrig, als dem Gesuch des hartnäckigen Bittstellers zu entsprechen; er ließ also den Besitzer des Seelenwechsels kommen und befahl ihm, das Dokument augenblicks ohne Gegenwert auszuhändigen. Es war dies der berühmte spindeldürre Seelenfänger Asmodeus, der auf einem Bein hinkte und über die Maßen ungefällig und knauserig war, wenn er einen Groschen, der schon seine Schatulle füllte, wieder herausgeben sollte.

Verbissen wehrte er sich also dagegen, das strittige Schriftstück herauszugeben.
Dieser Verstoß gegen die Subordination zog eine Ordnungsstrafe nach sich: man spannte Asmodeus um ihn zur Auslieferung des Schuldscheins zu zwingen, auf die Folter; dieser hartgesottene Bösewicht ertrug jedoch die schrecklichsten Plagen, mit denen ihn der Höllenhenker quälte, mit solchem Ingrimm und Eigensinn, daß sich jegliche Hoffnung auf einen günstigen Ausgang zu verflüchtigen schien. Bei all dem verlor der Diakon, für den die Angelegenheit so ungemein wichtig war, nicht die Zuversicht. Mit doppeltem Ingrimm ging er auf Luzifer los, erst mit dem Weihwedel, dann mit dem Skapulier, und schließlich, als das Weihwasser schon alle war, schwenkte er den geweihten Kessel und bedrängte den Höllenfürsten derart, daß dieser unter den schrecklichsten Schmerzen aufheulte: „Legt ihn auf das Madejelager.“ (Schmerzenslager) Als Amodeus diese Worte vernahm, warf er dem Klerikus in größter Wut das Dokument vor die Füße. Das war nämlich die schrecklichste Höllenfolter; ausgerüstet mit den besten englischen Rasiermessern, schnitt es den Körper……

Nachdem der Klerikus seine Angelegenheit in der Hölle erledigt hatte, überlegte er sich den Rückzug; der gelang ihm ebenso großartig wie einem Heerführer, der im ersten Ansturm den Feind in die Enge treiben konnte. Obwohl er beherzten Sinnes diesen Feldzug angetreten hatte, stieß er doch, als er endlich das Höllenreich verließ und die Strahlen der Sonne erblickte, unter tiefem Seufzer: „Gelobt sei Gott“ aus, und er file auf die Knie und sandte dem Himmel heißen Dank für seinen mächtigen Schutz, danach kehrte er zufrieden auf dem gleichen Wege zurück.Als er durch jenen Wald kam, erinnerte er sich des gegebenen Wortes; er machte also den Umweg über die Hütte des Räubers, dem er alles aufs genaueste erzählte und hinzufügte, das erst die Androhung des Madejlagers den Teufel gezwungen hätte, das Schriftstück herauszugeben. Bei diesen Worten erblasste der kaltblütige Mörder, dann aber rang er in größter Verzweiflung die Hände und rief: „Ich bin jener Madej, für mich sind diese Qualen vorbereitet: wehe mir, ach, wehe! Das Maß meiner Verbrechen ist so groß, daß es für mich keine Hoffnung mehr gibt.“

Nach diesen Worten wälzte er sich auf der Erde im Staub, zerkratzte sich das Gesicht mit den Nägeln und kam fast von Sinnen. Der von tiefem Schmerz gerührte Diakon sagte, um ihn zu trösten, die Barmherzigkeit Gottes sei grenzenlos und keine Sünde so groß, daß Gott sie nicht vergeben könne – wenn sich der Sünder nur mit wahrer Bußfertigkeit an ihn wende. Diese Erklärungen beruhigten den Übeltäter ein wenig und hatten eine heilsame Wirkung: er legte augenblicklich einen feierlichen Eid ab, daß er sein grausames Handwerk verwerfen und die ihm noch verbleibende Lebenszeit in der allerhärtesten Buße verbringen werde.
Mehr noch, er fiel dem Klerikus zu Füßen, bat und beschwor ihm unter Tränen, daß er ihm helfen möge, sich vor Gott zu rechtfertigen. Vergeblich berief sich dieser darauf, daß er keine Beichte abnehmen durfte; der fanatische Büßer erfleht so eindringlich diese einzige Gnade, bereitete mit soviel Empfindsamkeit sein reuiges Herz vor ihm aus, daß jener es ihm nicht versagen konnte, um so mehr, als der Räuber einzig in ihm, der in der besonderen Gnade Gottes stand, seine ganze Hoffnung.

Er nahm also seinen Stab, steckte ihn in die Erde und hörte, nachdem er Madej geheißen hatte, daneben niederzuknien,, dessen lange furchtbare Beichte an, danach sprach er zu ihm: „Sündige Seele, ich kann dich nicht freisprechen, selbst wenn deine Schuld geringer wäre, weil ich noch nicht zum Kaplan geweiht wurde: aber verzweifle nicht, hab Vertrauen zu Gott, bereue von ganzem Herzen, benetze diese Erde mit deinen Tränen, dann wird der Himmel deine Bitte erhören und dir einen Kaplan senden, der die Absolution erteilt. Und wenn das nicht der Fall ist, dann werde ich zu dir kommen, sobald ich nur Macht zur Sündenvergebung erlangt habe.“ Nachdem er das gesagt hatte, empfahl er ihn mit heißen Gebet der Barmherzigkeit Gottes und begab sich auf den Weg, denn er konnte den bedauernswerten Anblick nicht länger ertragen.Wenig später überschritt er mit großer Freude die Schwelle des elterlichen Hauses.

Das Glück über seine Ankunft war um so größer, als er den Vater von seiner Pein entbinden konnte. Die Eltern überschütteten ihn mit Zärtlichkeiten und vergossen Tränen der Freude, daß ihnen der Himmel solch ein Kind geschenkt hatte. Wenig später erhielt der junge Diakon, der immer und überall in Wissen und Tugend allen voranging, aus den Händen des Bischofs die Priesterweihe: er wurde Kaplan, und wegen seines großen Wissens und um seines edlen Herzens willen stieg er mit größter Gewissenhaftigkeit, so daß er sich durch seine Hingabe für das Wohl der Menschheit allgemeine Achtung erwarg und nach dem Tode des Bischofs dessen Nachfolger wurde.

Nun traf es sich, daß er einmal in Angelegenheiten auf einer ziemlich langen Reise war und durch einen dichten Wald kam, wo ihn der Wohlgeruch von Äpfeln anlockte, die ihn von einem in der Nähe stehenden Apfelbaum in Scharlachrot und Gold anzulächeln schienen. Er bat also seinen Kutscher, anzuhalten und ihm einige dieser schönen Äpfel zu pflücken; als jener sich aber dem Baum näherte und die Hand eifrig nach den Früchten ausstreckte, vernahm er die Worte: „Nur der, der mich gepflanzt hat, darf mich pflücken.“ Der verängstigte Diener lief zu seinem Herrn und berichtete ihm von der merkwürdigen Begebenheit. Diese unverständlichen Worte riefen ihm die Erinnerung an das frühere Erleben wach: Ihm fiel das einst gegebene Versprechen der Sündenvergebung ein, das er über seinen wichtigen Pflichten vergessen hatte, also legte er das Kaplangewand an und ging eilends zu dem Apfelbaum. Hier unter dem Baum sah er einen knienden, zur Erde gebeugten Alten, dessen weißer Bart bis zu den Knien niederwallte. In ihm erkannte er den Büßer.Nachdem er seine Seele Gott überantwortet hatte, machte er über ihm das Zeichen des heiligen Kreuzes und gab ihm die Absolution.
Jedoch als er ihn mit dem Finger berührte, verfiel der Leib zu staub, die goldenen Äpfel aber flogen als erlöste Seelen zu Himmel.

 
Quelle: Berwinski, R., Madejowe loze
„Przyachiel Ludu“ 1835 Poznan

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