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Märchenbasar

Das Märchen von Fanferlieschen Schönefüßchen

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(1)
Da setzte sich Ursula an die Erde und legte ihren Kopf gegen die harte Steinwand und streckte die Hand aus und sprach: „Komm, lieber Vogel, setze dich auf meine Hand; ach, du bist fromm, und ich will Gott vertrauen, und wäre mein Elend noch so groß.“ Da flog der Vogel auf ihre Hand, sie zog sie an sich und drückte ihn an ihre Wangen, die er sanft mit den Flügeln streichelte. „Deine Flügel sind ja nass“, sprach Ursula. „Ja, liebe Ursula“, sagte der Vogel, „ich habe sie in kühles Quellwasser getaucht und habe flatternd dein Gesicht hiermit gesprengt, damit du aus der Ohnmacht erwachest.“ – „Oh, wie gut bist du“, erwiderte Ursula, „was bist du denn für ein Vogel?“ – „Frage nicht“, sagte der Vogel, „ich habe einen hässlichen Namen.“ Da erwiderte Ursula: „Sage ihn mir nur, du hast dich so gut gegen mich gezeigt, ich will dich lieben, und wärest du auch ein Neuntöter.“ – „Der bin ich“, sagte der Vogel, „und höre nun alles still an, denn ich habe noch viele Geschäfte für dich.“ – „Erzähle“, sagte Ursula, „ich unterbreche dich nicht wieder!“ Da sprach der Neuntöter also: „Du weißt, nach dem Tode von Jerums Vater, dem guten König Laudamus, führte Fanferlieschen wie gewöhnlich ihre Waisenkinder zu dem Hirsenmusfest auf die Eselswiese. Der böse Jerum wollte den Kindern, statt ihnen wie sein verstorbener Vater Zucker und Zimmet auf den Brei zu streuen, Gift drauf streuen lassen, damit sie alle sterben müssten, weil er wusste, dass die Erbin von Bärwalde dabei sei, welches Ländchen er gern gehabt hätte. Ich Unglücklicher war der Kammerherr von Neuntöter und sollte das Gift auf das Mus streuen; da erschien der Geist des verstorbenen Laudamus und verwandelte mich zur Strafe in einen Neuntöter, und als ein solcher Vogel habe ich bis jetzt im Walde gelebt. Du kannst dir denken, wie es mich rührte, dass du, die ich dich doch auch mit den andern vergiften wollte, mir so große Wohltaten erwiesest; und seit dieser Zeit habe ich nie wieder von andern lebendigen kleinen Vögeln gelebt, was sonst die Art der Neuntöter ist, sondern ich habe mir große Gewalt angetan und habe nur schädliche Fliegen und Würmer und Samen von Unkraut gefressen. Immer habe ich mich gesehnt, dir für deine Wohltaten dankbar werden zu können, und endlich habe ich die Gelegenheit gefunden. Ich flog oft um das Schloss Munkelwust und belauerte alles. Da habe ich denn auch gehört, wie Jerum zu seinem alten Diener sprach, als er das letzte Mal nach Hause ritt: ‚Rüste alles zum Empfange der Königin Würgipumpa im Schlosse zu. Morgen kömmt sie hier an, ich bin schon mit ihr vermählt. Heute nacht steche ich die Ursula bei dem Pumpelirio Holzebock tot.'“
„Ach Gott, ach Gott, ist das wahr, Neuntöter?“ rief da Ursula aus. „Ist das wahr?“
„Ja, es ist wahr“, sagte der Vogel, „die neue Königin ist da.“
„Ach, lieber Gott“, sagte Ursula, „ich bitte dich, mache, dass Würgipumpa recht gut und fromm sei, dass sie ihm noch mehr Liebe erweise als ich, dass sie ihn recht pflege in seiner Krankheit. Gott segne ihn, dass sie ihn auf gute Wege und wieder in seine Stadt Besserdich führe. Nun erzähle weiter, lieber Neuntöter.“
„Oh, wie bist du gütig, Ursula, du betest für deinen Mörder!“ sagte der Vogel.
„Rede nicht so hart von dem unglücklichen Jerum, Gott der Herr möge uns allen verzeihen“, versetzte Ursula. – „Ach ja“, seufzte der Vogel und sprach fort: „Als ich gehört hatte, dass du sterben solltest, flog ich auf den dürren Baum bei dem hässlichen Pumpelirio und wartete auf dich, und als Jerum sein Messer wetzte und du knietest und für ihn betetest, musste ich vor unendlichem Grimm laut schreien. Sooft er nun eines von seinen fünfzig Messern geschliffen hatte und neben sich legte, flog ich von der Nacht versteckt herzu und nahm das Messer weg und trug es auf den Baum. Das letzte aber hielt er fest in der Hand; ach! da zitterte ich für dein Leben, und mein Zorn ward so groß, dass ich eines seiner früheren Messer auf seine Hand herabfallen ließ, mit welcher er soeben dein liebes, treues Herz durchbohren wollte. Meine Kinder und Freunde, welche still auf dem Baum gesessen, wurden nun auch so ergrimmt als ich, denn ich hatte ihnen erzählt, dass du von ihnen einst den Marder abgehalten, und da ergriffen sie alle die andern Messer und ließen sie auf den bösen Jerum fallen. Ach, in welcher Angst war ich, da du ihn mit deinem Leibe vor den fallenden Klingen schützen wolltest, du möchtest verletzt werden, aber ich konnte ihren Zorn nicht abwehren; doch der hebe Gott hat dich beschützt.“
„Was du erzählst, ist schrecklich und traurig“, unterbrach Ursula den Vogel, „aber sage mir um Gottes willen, ist Jerum noch am Leben? Wird er wohl wieder gesund werden? Und wo bin ich denn? Werde ich je wieder aus diesen dunklen Mauern kommen?“
Da erwiderte der Vogel: „Jerum ist schwer krank, aber ich zweifle nicht, er wird genesen. Gott wird ihn doch nicht sterben lassen, ehe er sein schweres Unrecht eingesehen und bereut hat; denn als man ihn mit dir nach Munkelwust zurückbrachte, machten seine Diener in der Nähe des Schlosses, welches wegen der Ankunft der neuen Königin schon prächtig erleuchtet war, halt und fragten ihn, was sie mit dir anfangen sollten. Da sagte er, sie sollten dich umbringen und begraben. Aber dein Anblick rührte sie, und da haben sie dich in den alten Turm des Schlosses gelegt und haben ihn vermauert. Gott hat es gefügt, dass ich, um dir nahe zu sein, in den letzten Tagen mein Nest da oben in dem Dache gebaut, und so denke ich denn, dass Gott es mir auch künftig vergönnen wird, an dir das Böse, das ich als Mensch getan, wieder gutzumachen.“
„Gott, sei gelobt und gepriesen“, sagte Ursula, „ach, wenn ich nur den lieben Sternhimmel sehen könnte, das würde mich recht stärken und trösten!“
„Das sollst du, liebe Ursula!“ erwiderte der Vogel. „Überhaupt fasse Mut: Alles, was ich nur auf Erden vermag, soll dazu dienen, dir dein Leben erträglich zu machen. Das Dach des Turmes ist ziemlich lose, ich will mit meinen Freunden Löcher hineinmachen, dass du den Himmel sehen kannst, und wenn es regnet, wollen wir es mit Strohhalmen und Moos decken. Ach, liebe arme Ursula, lasse mich nur sorgen, ich habe den Kopf voller Gedanken, dir Freude zu machen: Wenn mir nur die Hälfte gelingt, sollst du in vielen Stunden glücklicher als manche Prinzessin sein, wenigstens glücklicher, als du es auf dem Schlosse Munkelwust warst. Lebe wohl, jetzt sorge ich dir vor allem für ein Lager und für Licht und für einige Erquickung.“
Nach diesen Worten flog der gute Vogel in die Höhe des Turms, und Ursula rief ihm nach:
„Dank und Ehre und Preis sei Gott im Himmel, der dich guten Vogel bewogen hat, mich zu erhalten, damit ich fromm sei und beten kann.“ Kaum war der Neuntöter oben auf dem Turm angekommen, als er mit seinen andern Gehilfen an einigen alten Ziegeln mit dem Schnabel den Kalk loshackte, und nach einigen Minuten hörte man die losen Steine über das Dach herunterrasseln und draußen an die Erde fallen. Ach, da sah der liebe blaue Sternenhimmel hinunter in den Turm, in die Augen, in das liebe treue Herz der frommen Ursula, wie in einen tiefen Brunnen voll Schmerz und Bitterkeit. Aber sein milder Schein brachte Friede und fromme Ergebung herein. Ursula lehnte ihr Haupt gegen die Mauer und sah ruhig hinauf. Da erkannte sie das Gestirn des großen Bären, das sie an ihre Eltern erinnerte, mit viel Freude und betete recht fromm zu Gott für ihre Eltern und den grausamen Jerum und für Fanferlieschen und fiel dann in einen sanften Schlummer. Gegen Morgen wurde sie von angenehmem Gesange erweckt. Da sah sie an den offenen Stellen des Daches mehrere Rotkehlchen und Distelfinken und Schwalben sitzen, die immer herabguckten und außerordentlich schön sangen; und da sie sich aufrichtete, kam der Neuntöter herabgeflogen und brachte in seinen Klauen einen Zweig voll der schönsten Kirschen, der so groß war, dass er ihn kaum tragen konnte. Er flog auf die Hand der Ursula und gab ihr den Zweig und sprach: „Da hast du vorerst eine kleine Erquickung, bald soll mehr kommen. Jetzt lasse uns vorerst sehen, wie Boden und Wände hier beschaffen sind.“ Ursula dankte und aß die süßen Kirschen, und dann besahen sie den ganzen Raum. Der Turm war so geräumig als eine kleine Stube, die Wände aber waren raue Steine, und da Ursula daran herumfühlte, fand sie ihn an der einen Seite sehr warm. Da sagte der Vogel: „Ja, ja, ich weiß schon, gleich daneben ist die Schlossküche, und der Feuerherd steht dicht hier an der Wand.“ – „Du hast recht“, sagte Ursula, „jetzt erinnere ich mich; aber da fällt mir etwas ein: Durch die Küche läuft ja ein fließendes Bächlein gerade unter dem Herd weg. Sollte das nicht auch unter dem Turm weg laufen?“ Da legte sie sich an die Erde und horchte und hörte es murmeln und rief voll Freude: „Ach, da ist lebendiges Wasser.“ – „Das muss geöffnet werden“, sagte der Vogel, „damit du dich waschen und trinken und auch ein bisschen kochen kannst. Lass mich nur sorgen. Erst wollen wir den Boden fegen, damit du dein Bettlein machen kannst.“ Nun pfiff er in der Vogelsprache in die Höhe, und viele Vögel schwebten sanft herab und pickten alle Steinchen und Späne auf, die am Boden lagen, und trugen alles so sorgsam zum Dach hinaus und fegten dann mit ihren Flügeln so rein, dass der Boden wie eine Tenne sauber wurde. Nun flogen sie weg und brachten eine Menge trockenes Moos und Wolle, welche die Schafe an den Dornen hatten hängen lassen, und fuhren so lange damit fort, bis so viel beisammen war, dass Ursula sich ein recht weiches Lager daraus bereiten konnte. Als dies fertig war, kam der Neuntöter wieder und brachte einen großen Maulwurf, den setzte er an die Erde und sprach: „Da habe ich einen Bergknappen gebracht, der soll uns nach dem Brunnen wühlen.“ Der Maulwurf scharrte gleich munter drauflos; da er aber bald an das Wasser kam, so hörte er auf und ließ sich wieder hinwegtragen. Ursula räumte mit einem Stein nun die Erde hübsch auf und hatte nun ein schönes Bächlein durch ihren Turm laufen, dessen Rand sie mit Steinen auslegte und dessen Grund sie mit bunten Kieseln belegte, die ihr die Vögel brachten. Von der aufgewühlten Erde machte sie sich einen kleinen Herd und eine Bank. Mit diesen Arbeiten ward es Mittag, die Sonne schien gerade vom Himmel in den Turm herein, und Ursula konnte durch die Wand den Bratenwender in der Küche schnurren hören. Da kam auf einmal der Vogel geschwinde, geschwinde den Turm herabgeflogen und trug ein gebratenes Rebhuhn in seinen Klauen und sprach: „Nimm, liebe Ursula; das hatte sich der Koch beiseite gelegt, ich bin durch den Rauchfang in die Küche und habe es für dich geholt.“ Dann brachte er ihr auch Brot, und während sie aß, sprach er: „Denk dir, wie gerecht der Lohn des Himmels ist: Die zwei bösen Diener Jerums, welche dich hier herein vermauert, sind von den Ziegelsteinen, die ich von dem Dach losmachte, damit du den Himmel sehen solltest, totgeschlagen worden. Jetzt weiß niemand, dass du hier bist, und ich kann mit niemand reden als mit dir; nun wirst du wohl lange hier bleiben müssen.“ – „Wie Gott will“, sagte Ursula und bat den Vogel, er möge ihr nur recht viele Wolle verschaffen und eine Spindel, damit sie spinnen könne, und ein paar feine Stäbchen, damit sie stricken könne. Das brachte ihr der Vogel alles und brachte ihr täglich zu essen. Da spann sie und strickte und betete und entschlief nachts, nach den Sternen sehend. An einem Morgen, als der Vogel ihr keine Kirschen, aber Weintrauben brachte, fragte ihn Ursula recht ängstlich, was Jerum mache. „Oh, er ist recht wohlauf“, sagte der Vogel, „die neue Frau Königin ist recht strenge gegen ihn; wenn er heftig will werden, so zeigt sie ihm nur ihren Pantoffel, da wird er stille.“ – „So“, sagte Ursula, „möge es zu seinem Besten sein; aber, liebster Vogel, ich bitte dich, kannst du mir nicht recht zarte Flaumfedern schaffen?“ – „Soviel du willst“, erwiderte der Neuntöter, „alle Vögel sollen sich die zartesten ausrupfen; sie tun mir jetzt alles zulieb, weil ich ihre Jungen nicht mehr fresse.“ Da flog er fort, und bald waren viele Vögel da, die saßen auf Ursulas Schoß und rupften sich die Flaumfedern auf ihre Schürze aus. Als es genug war, dankte Ursula, und sie flogen weg. Am andern Tag sagte Ursula: „Kannst du mir wohl einige Leinentüchlein bringen?“ – „O ja“, sagte der Vogel, „sie bleichen Wäsche am Schlosse; heut nacht bringe ich dir soviel du willst.“ In der Nacht brachte er ihr sechs Windeln, und sie nähte zwei zusammen und stopfte die Flaumfedern hinein und machte ein Kissen daraus, und suchte hervor, was sie alles gestrickt hatte, von Wolle, und legte es alles fein und ordentlich zurecht. „Ei“, sagte der Vogel, „liebe Ursula, ist es doch, als wenn du dir ein Nestchen bautest, so wirtschaftest du herum und stopfest Bettchen und legst allerlei schöne Kleidchen und Mützchen zurecht.“ – „Ach lieber Vogel“, sagte Ursula, „ich habe heute nacht, als ich so an den Himmel hinauf zu meinem Stern sah, einen recht innerlichen Trost empfunden, als sollte ich nun bald nicht mehr so allein sein.“ – „Welche Gesellschaft hättest du dann am liebsten?“ fragte der Vogel, und Ursula erwiderte: „Ach, so mir Gott ein liebes schönes Kindlein bescheren wollte, oh, ich wäre so glücklich, so glücklich!“ – „Das glaube ich“, sagte der Vogel, „aber lebe wohl, ich muss heute auch noch an meinem Nestchen bauen.“ Da flog er fort. So lebte Ursula ruhig fort, von den guten Vögeln bedient und ernährt. Ihr Wohnort verschönerte sich täglich, die rauen Wände waren mit gestickten wollenen Decken behängt, der Fußboden war mit Strohmatten belegt, das durchfließende Bächlein war mit bunten Steinen ausgelegt, Bogen, Kränze, Sterne und Sonne von roten Beeren hingen an den Wänden umher; allerlei Körbe und Geräte von Weidenruten, welche ihr die Vögel brachten, hatte Ursula geflochten und auch eine recht schöne Wiege. Als diese fertig war, legte sie die Bettchen hinein, und es ward Nacht. Der Sternenhimmel war gar hell, Ursula sah ihren lieben Stern, den großen Bären, recht ernsthaft an und dachte an ihre Eltern und betete recht fromm zu Gott. Da schlief sie ein, und es war ihr im Traum, als zuckten die Sterne zusammen und als falle einer herunter in ihre Wiege. Da fühlte sie eine so heftige Freude, einen so süßen Schmerz, als flöge alles irdische Glück wie ein goldner Pfeil durch ihr Herz und als fange sie ihn mit ihren Händen, und als wäre es ein wunderschöner bunter Vogel, der sich an ihre Brust schmiege und von ihren Lippen äße und tränke wie von roten Kirschen. Ach, da war es ihr wie ein Blitz durch das innerste Leben, und sie erwachte. Und wer kann ihre Seligkeit aussprechen? Ein schöner kleiner Knabe schlummerte an ihrer Brust. Sie weinte und betete und nährte ihr Kindlein, und die gute fromme Mutter gefiel dem lieben Gott. Am andern Morgen sangen die Vögel so süß und lieblich wie nie. Der Neuntöter und alle seine Freunde kamen, das Kindlein zu sehen, und streuten Blumen auf seine Wiege und brachten ihr die besten Speisen aus der Küche, und immer blieb ein wohlsingendes Vöglein auf der Wiege sitzen und sang das Kindlein in Schlaf. Nach drei Tagen, in einer Nacht, da die Sterne so hell schienen, als wollten sie zu Gevatter stehen in ihrem schönen Glanz, betete die gute Ursula recht herzlich und dankte Gott für das liebe Kind und versprach, es in Gottesfurcht aufzuziehen, und sprach: „Ach du lieber Gott, ich habe hier kein Kirchlein und keinen frommen Priester, der mein Kind taufen könnte, so nimm meinen guten Willen für den Priester und meine Not für ein Kirchlein an.“ Und nun schöpfte sie Wasser mit der hohlen Hand aus dem Bächlein des Turmes und taufte ihr Kind im Namen Gottes und rief hinauf: „Saget, liebe Sterne, bei welchen ich immer an meinen seligen Vater Ursus und meine Mutter Ursa denke, sagt, wie soll euer Patchen heißen?“ Da bewegten sich die Sterne und es flüsterte in die Ohren der Mutter: „Ursulus.“ Und sie taufte den Knaben Ursulus. Am folgenden Morgen kamen die Vöglein alle und wollten das liebe Kind sehen, und sie brachten der Mutter die besten Bissen aus der Schlossküche, und ein Vöglein blieb immer auf der Wiege sitzen und sang den kleinen Ursulus in den Schlaf. So lebte die arme Mutter sieben Jahre mit Ursulus in dem Turm und erzog ihn auf das beste. Aber er bekam eine gewaltige Begierde, wenn er die Vögel oben auf dem Turm im Sonnenschein sitzen und singen sah und wenn die Wolken so vorüberzogen, auch einmal da oben zu sein und sich umzuschauen, wie die Welt aussähe. Das sagte er seiner Mutter, und da dachten sie nach, wie es zu machen sei. Da kam der gute Neuntöter zu ihnen und hörte ihren Wunsch. „Das soll bald in Ordnung sein“, sprach er und flog weg. Er kam mit vielen Vögeln wieder, und alle brachten Hanf im Schnabel, daraus mussten nun Ursula und Ursulus Stricke drehen und mussten eine Strickleiter draus machen. Dann kam ein Adler, der trug die Strickleiter im Turm in die Höhe und hängte sie oben an einen Haken fest. Ursulus wollte gleich hinaufklettern, aber seine Mutter erlaubte es nicht, weil es noch Tag war und man ihn da oben hätte sehen können. Als es Abend wurde, stieg er voraus und Ursula hinter ihm auf der Strickleiter in die Höhe. Ach, sie hatte seit sieben Jahren Berg und Tal nicht mehr gesehen, und er noch nie. Als sie oben an dem Turmrande hinaussahen, umklammerte sie ihren Sohn mit beiden Armen, denn er war wie betrunken von der Luft und dem Abendrot und von Berg und Tal. Ach! sie musste ihn sehr festhalten, dass er nicht herunterstürzte; denn wenn er die Vögel fliegen sah, so zuckte er die Arme hinaus und wollte auch fliegen. Sie stieg bald wieder mit ihm hinab, und nun musste sie ihm bis spät in der Nacht erzählen und erklären, was er gesehen hatte. Bald musste sie es bereuen, dass sie ihm die Herrlichkeit der Welt gezeigt hatte, denn Ursulus ward täglich unruhiger, und sein einziger Gedanke war, über diese Hügel und Berge zu schweifen, die er gesehen. Er fragte seine Mutter über alles aus; er hörte, Jerum würde sie umbringen, wenn er wisse, dass sie noch lebe; auch erzählte sie ihm von dem bösen Pumpelirio Holzebock und von den armen Jungfrauen, welche gern möchten begraben sein. Das tat dem kleinen Ursulus so leid, so leid; er konnte nicht mehr ruhen und rasten, und als sein Mütterlein einst in der Nacht schlief, schlich er an ihr Bett und küsste sie und weinte und flüsterte: „Leb wohl, leb wohl, Herzmutter mein!“ Und nun stieg er die Strickleiter hinauf, und als er oben war, zog er die Leiter nach sich und warf Blumen, die oben wuchsen, in den Turm hinab, die fielen auf das Bett der Mutter, dass sie erwachte und ausrief:
„Wer warf das Blümlein, das mich traf?
Wer weckt sein Mütterlein aus dem Schlaf?
Bist du es, lieber Ursulus?
Komm, gib der Mutter einen Kuss!“Da rief Ursulus hernieder:
„Leb wohl, leb wohl, lieb Mütterlein!
Der blanke Mond, der Sternenschein,
und Berg und Tal und Wies und Fluss,
die ziehen mich fort, ich muss, ich muss.“Da sah die Mutter ihn mit Schrecken oben auf dem Turm. Sie sprang auf und wollte die Leiter hinauf zu ihm, aber sie fand sie nicht, denn er hatte sie zu sich hinaufgezogen. Da war Ursula gar betrübt und bat ihn, er möge die Strickleiter wieder herablassen, sie wolle ihn noch einmal an ihr Herz drücken. Er aber sagte: „Mutter, ich fühle, dann könnte ich Euch nicht verlassen; der Vogel soll Euch oft von mir Nachricht bringen, und so Gott will, sehn wir uns in Freuden wieder.“ – „Aber wie willst du dann hinunterkommen?“ rief die Mutter hinauf. „Ich habe mir alles ausgedacht“, antwortete er, „daneben am Turm kömmt der Rauchfang aus der Küche herauf, da hänge ich die Strickleiter hinein und werde Küchenjunge. Da bin ich immer in deiner Nähe; und wenn ich an der Mauer anpoche, dann lasse mir einen Faden auf dem Bächlein, das durch den Turm in die Küche fließt, herüberschwimmen, da werde ich dir etwas dran binden, das kannst du zu dir ziehen. Leb wohl, Herzensmutter; es muss, es wird alles besser werden.“ – „O Gott, o Gott, mein Kind!“ rief die Mutter und sank auf die Knie und weinte. Ursulus aber stieg durch den Rauchfang hinab in die Schlossküche. Die Mutter lauschte an der Wand, und sie konnte ihn klettern hören. Da pochte er mit der Feuerzange siebenmal, und sie nahm geschwind einen Faden, band einen Holzspan dran und ließ ihn hinüberschwimmen. Als Ursulus den Span fühlte, band er einen Blumenstrauß dran, den der Koch am Fenster stehen hatte, worüber sich die Mutter sehr erfreute. Als Ursulus den Tag grauen sah, versteckte er sich hinter das Holz bei der Küchentüre, und als der Koch in der Küche zu wirtschaften anfing, trat er hervor, als sei er zur Tür hereingekommen, und grüßte den Koch sehr freundlich. Dieser fragte ihn, wer er sei und wo er herkomme. Ursulus sagte, dass seine Mutter im Walde von Räubern sei umgebracht worden und dass er als ein armes verlassenes Kind Dienst suche. Dem Koch gefiel der freundliche schöne Knabe, und er nahm ihn zu sich als Küchenjunge. Wenn nun der Koch nicht da war, klopfte er immer der lieben Mutter, und wenn dann der Faden angeschwommen kam, band er ihr etwas Gutes zu essen dran und immer schöne Blumen dazu. Als aber der Hofmarschall einmal in die Küche kam und den wunderschönen Ursulus sah, gewann er ihn sehr lieb und sprach: „Morgen früh halte dich bereit, ich will dich zum König Jerum bringen; du sollst Edelknabe bei ihm werden.“ Da dankte ihm Ursulus höflich. Am Abend aber war er voller Sorge, wie er seiner Mutter nur sagen solle, dass er aus der Küche heraus in das Schloss komme. Da ging er in den Küchengarten und suchte Blumen und band einen Strauß Vergissmeinnicht, und da kam der Neuntöter zu ihm und dem gab er den Strauß für seine Mutter und sprach zu ihm: „Lieber Vogel, sage meiner Mutter, dass ich Edelknabe werde, und besuche mich manchmal und erzähle mir von ihr.“ Der Vogel sagte leise: „Gott helfe dir, ich bleibe dein Freund“ und nahm den Strauß und flog in den Turm. Am folgenden Morgen ward Ursulus zu dem König Jerum gebracht. Als dieser ihn sah, ward er recht innerlich in seinem Herzen bewegt, denn Ursulus glich seiner Mutter sehr, und da gedachte der Jerum an sie und an seine Grausamkeit. Er fragte ihn: „Wie heißt du?“ Da sagte Ursulus: „Kommtzeitkommtrat.“ Der Name machte den Jerum recht nachdenklich, aber er nahm ihn gleich zu sich und erzeugte ihm sehr viele Liebe und ließ ihn alles lehren, was nur auf der Welt zu lernen war. Jerum hatte keine Kinder, und Ursulus war ihm so lieb, so lieb; er wusste nicht, warum. Deswegen konnten ihn aber die meisten andern Diener nicht leiden, und vor allem die böse Königin Würgipumpa hatte immer einen innern Zorn, wenn sie ihn sah. Ursulus aber wurde von den Untertanen Jerums sehr geliebt, denn Jerum war lange nicht mehr so wild, seit der Knabe bei ihm war, und er besserte sich alle Tage. Wenn nun Ursulus allein war in der Nacht, so kam immer der Neuntöter und pickte am Fenster; da machte Ursulus auf, und der Vogel setzte sich auf sein Bett und erzählte ihm, was die Mutter im Turm mache, und Ursulus erzählte ihm wieder, wie es ihm gehe und wie Jerum viel besser sei als sonst, und schickte ihr immer viel gute Sachen und allerlei Bildchen und Ringe, die ihm der König schenkte. Ach, da ward die arme Ursula recht froh in ihrer Einsamkeit und weinte vor Freuden und betete zu Gott. So lebte er eine Zeitlang fort und hatte sein größtes Vergnügen dran, in seinen Freistunden durch die ganze Gegend herumzuschweifen. Einstens aber kam er in einen Wald zu einem eisgrauen Schäfer; der saß an einem Brunnen unter grünen Linden, und seine Lämmer weideten um ihn her. Er setzte sich zu ihm; es war so still und kühl, und die Sonne schien so freundlich durch die Bäume. Der Schäfer war traurig, und Ursulus sagte zu ihm: „Lieber Schäfer, dieses Plätzchen hier wäre recht schön, um die Gebeine der armen Fräulein hin zu begraben, die jetzt bei dem bösen Pumpelirio Holzebocke herumliegen.“ Der Schäfer sagte: „Was sind das für Fräulein?“ Da erzählte ihm Ursulus alles, was ihm die Mutter gesagt, und der Schäfer sagte: „Ach Gott, da war mein Töchterlein auch dabei!“ und war sehr betrübt. „Ach“, sagte Ursulus, „wenn du hier recht schöne Gruben machen wolltest, alle recht schön in einer Reihe, und wolltest Blumen hineinstreuen, und wolltest um den Platz herum einen Zaun von Rosen machen, so wollte ich dir treulich helfen, und wollten wir die armen Fräulein hier zur Ruhe bringen.“ Der alte Schäfer war alles zufrieden, und sie fingen gleich an zu hacken und zu graben, bis Ursulus wieder nach Hause musste. Aber er kehrte oft wieder, und der alte Schäfer war recht fleißig, so dass alles bald in Ordnung war. Eines Abends kam der gute Vogel zu Ursulus und fand ihn sehr nachdenklich. „Lieber Vogel“, sprach er, „ich habe etwas Großes unternommen und weiß nun nicht, wie ich es ausführen soll. Ich habe einen stillen freundlichen Ort, um die Gebeine der armen Jungfrauen hin zu begraben; alles ist fertig und bereit, jetzt hilf mir das Begräbnis anstellen.“ Da sprach der Vogel: „Ich will alles tun, was ich kann, sorge nur für Kreuz und Glocke und für Posaunenspiel und Chorgesang; bringe das morgen nacht mit zum Pumpelirio Holzebock, so soll alles gut gehen.“ Ursulus sagte: „Gut, das will ich; nun grüße die Mutter und erzähle ihr alles.“ Da flog der Vogel fort. Am andern Morgen, als bei Hof noch alles schlief, sang ein Rotkehlchen am Fenster des Ursulus, und es war ihm, als höre er die Worte: „Lieber Schläfer, weck den Schäfer!“ Da sprang er vom Lager und eilte zu dem Schäfer, und sie redeten alles miteinander ab. In der nächsten Nacht schlich sich Ursulus aus dem Schloss. Der König Jerum konnte nicht ruhen, er hatte eine große Angst im Herzen; er stand allein auf, wickelte sich in seinen Mantel und ging dem Schloss hinaus. Er wollte zu dem Pumpelirio Holzebocke gehen und ihn fragen, ob er bald wieder seine Stadt Besserdich erhalten würde, denn er hatte ein rechtes Heimweh. Er war seit jener schrecklichen Nacht, da die Messer auf ihn regneten, nicht mehr hingegangen. Als er an dem Ort vorüberkam, wo er den zwei Dienern befohlen hatte, die Ursula umzubringen, konnte er vor Bangigkeit nicht weiter; er lehnte an einen Baum und wünschte, nie geboren zu sein; da hörte er auf einmal ein wunderbares Tönen sich nahen und sah eine Reihe von Lichtern über das Feld herziehen. Der Anblick war so wunderbar, dass er sich an den Baum andrückte. Jetzt war es ganz nah, er sah den kleinen Ursulus vorausgehen mit einem Kreuz von Rosen; dann flogen eine ungeheure Menge Vögel, welche allerlei Gebeine trugen; dann kam der alte Schäfer und blies eine sehr bewegliche Weise auf der Schalmei und weinte bitterlich; hinter ihm schwebten alle die Gestalten der armen Mägdelein, die Jerum umgebracht hatte, und sangen:
„Endlich, endlich schweigen die Raben,
endlich werden wir ehrlich begraben
weit von hier, von hierio,
weit vom Pumpelirio,
weit vom Holzebocke,
hübsch mit Kreuz und Glocke,
mit Chorgesang, Posaunenspiel,
gibt uns Ruh und kost‘ nicht viel.“Und nun schlossen die Schäflein des alten Hirten den Zug; sie gingen still und paarweise hatten alle Glöcklein anhängen, und nur dann und wann blökten sie gar traurig; an beiden Seiten des Zugs aber zogen zwei Reihen von großen Irrlichtern, welche leuchteten. Als der Zug vor Jerum vorüberging, war alles ganz still, und das betrübte ihn noch weit mehr. Da der Zug aber ganz in der Ferne war, nahm Jerum seine Streitaxt und rannte mit großem Zorn nach dem Orte, wo der Pumpelirio Holzebock stand, und sprach zornig zu ihm: „Du böser gottloser Pumpelirio! du hast mich zu allen meinen großen Verbrechen beredet; um deinetwillen habe ich alle die lieben Jungfrauen ermordet; nun sollst du auch nicht länger leben.“ Da holte Jerum weit mit seiner Axt aus und, paff! hieb er den Pumpelirio mitten voneinander. Aber es fuhr ein schwarzer Rauch aus den Trümmern, und aus dem Rauch ward ein ungeheurer scheußlicher Bock, der sah den Jerum mit schrecklichen Augen an, meckerte abscheulich die Worte heraus: „Den Pumpelirio konntest du zerschlagen, aber den Holzebock nie.“ Dann ging er einige Schritte zurück, beugte den Kopf nieder, rannte gewaltig gegen Jerum, fasste ihn auf die Hörner und warf ihn weit, weit in das Feld hinaus, wo er wie tot niederfiel. Er hatte schon zwei Stunden so dagelegen, als Ursulus von dem Begräbnis zurück nach Hause ging und auf einmal über den König Jerum stolperte. Der Knabe fühlte bald an der Krone, dass es Jerum sei. Er rüttelte und schüttelte ihn und benetzte ihn mit seinen Tränen. Da wachte der König Jerum wieder auf; aber er konnte nicht gehen, er hatte sich ein Bein gebrochen. Da lief Ursulus ins Schloss und holte die Diener; die trugen ihn nach seinem königlichen Bett, und der Doktor verband ihn, und die Königin sprach: „Das kommt davon, wenn man zu nachtschlafender Zeit herumrennt.“ Ursulus aber verließ das Lager des Königs nie, und dieser gewann ihn immer lieber. Einstens nahm der Jerum die Hand des Ursulus und sagte: „Lieber Junge, erzähle mir, wo habt ihr dann die Gebeine der armen Fräulein begraben?“ Da erzählte ihm Ursulus von dem kühlen Lindenhain und dem Brunnen und dem alten Hirten und seinen Schafen und sagte: „Herr König, es wäre sehr schön, wenn Ihr ein Kirchlein dort bauen ließet.“ – „Ja“, sagte der König, „aber wenn es die Königin erfährt, so bin ich verloren; ich habe ihr zuschwören müssen, nie eine Kirche zu bauen. Wenn du es recht heimlich zustande kriegst, so bin ich es zufrieden und will dir gerne Geld dazu geben; und baue auch ein kleines Häuslein dabei, worin ein armer Mann wohnen kann.“ Ursulus dankte dem Jerum herzlich für seine Erlaubnis und setzte sich nun hin und zeichnete allerlei Gestalten von Kirchen, um sich eine auszusuchen; auch redete er oft mit Maurern und Steinmetzen. Die böse Königin Würgipumpa, welche immer einen heimlichen Hass auf den Ursulus hatte, wurde täglich grimmiger gegen ihn und nahm sich fest vor, ihn auf eine oder die andere Art ins Unglück zu bringen. Wenn sie nun bei Ursulus vorüberging und ihn fragte: „Was hast du denn zu bauen vor, du naseweiser Bursche, dass du immer mit Zirkel und Lineal herumziehst?“, so antwortete Ursulus gewöhnlich: „Schlösser in die Luft, Ihro Majestät!“ Als er ihr dies öfter gesagt hatte, ward sie über die Maßen zornig und sprach zu ihm: „Ich werde dich bei dem Wort halten.“ Sie ging zum König und kniete vor ihm nieder und bat ihn um eine Gnade. Jerum war eine solche Demut von ihr gar nicht gewohnt und sagte ihr alles zu, was sie verlange. Da sprach sie: „Jerum, ich verlange, dass jeder deiner Diener, der mich belügt und der nicht das tut, was er mir sagt, dass er tue, des Todes sterbe.“ Jerum gab ihr sein königliches Wort und seine Hand drauf, und an demselben Tage noch ward das Gesetz in ganz Munkelwust bekannt gemacht: „Wer lügt, der stirbt!“ Als die Königin das unterschriebene Gesetz in der Hand haltend von dem König wegging, sah sie den Ursulus im Vorzimmer wieder allerlei Linien ziehen und allerlei Zirkel schlagen. Da fragte sie ihn gleich. „Ursulus, was willst du bauen?“ Er antwortete wieder: „Schlösser in die Luft, Ihro Majestät!“ Da erwiderte aber Würgipumpa sehr heftig, indem sie ihm das königliche Gesetz vorhielt: „Wer lügt, der stirbt!“ Sie lief gleich zum König zurück und verklagte den Ursulus. Der König ließ diesen rufen und sprach mit Tränen zu ihm: „Ursulus, du musst ein Schloss in die Luft bauen oder sterben.“
Da ging Ursulus in seine Kammer und war sehr betrübt und weinte sich schier die Augen aus, weil er gar nicht wusste, wie er ein Schloss in die Luft bauen solle. In solchen Sorgen saß er, als der Neuntöter am Fenster pickte; Ursulus machte ihm auf, und der Vogel sprach: „Ursulus, was weinst du?“ Und nun erzählte ihm der Knabe seine Not, dass er eine Kirche in die Luft bauen müsse oder sterben. „Gräme dich nicht“, sagte ihm der Vogel, „mache dir von Karten und Papier die ganze Kirche, wie du sie dir auf dem Kirchhof erdacht hast, fertig, und wenn du sie ganz vollendet hast aus einzelnen Stücken, dass man sie schön zusammensetzen kann, so lege alles bei offnem Fenster hierher; dann lade den König und die Königin auf den Altan des Schlosses und läute nur mit einem Glöckchen und befehle mir und den andern Bauleuten, welche kommen werden, so sollst du deine Kirche bald in der Luft entstehen sehen. Ich werde sie auch dann deiner Mutter im Turm zeigen, die wird sich sehr drüber freuen, und alles wird gut gehen; denn ich trage dann das Kirchlein in den kühlen Lindenhain, und die Arbeitsleute werden die Kirche dort nach dem Muster viel besser zustande bringen als nach der bloßen Zeichnung.“ – „Tausend Dank, lieber Vogel“, sagte Ursulus, „aber was hast du denn für Kräuter da in den Klauen mitgebracht?“ – „Das sind Kräuter, mit welchen du das Bein des Königs Jerum in wenigen Tagen heilen kannst, wenn du sie ihm auf die Wunde legst“, sprach der Vogel, „ich habe es von einem Reh gelernt, das neulich im Walde vom Felsen fiel; ich will dir alle Tage frische bringen. Aber du musst dir auch eine recht ordentliche Gnade dafür ausbitten!“ – „Gut“, sagte Ursulus, „es fällt mir schon etwas Herrliches ein, was ich begehren will; nun lebe wohl und grüße mir die liebe Mutter viel tausendmal.“ Da flog der Vogel fort, und Ursulus träumte die ganze Nacht von schönen wunderbaren Kirchen. Am andern Morgen kam er ganz fröhlich zum König, wo auch die Königin zugegen war, und sagte: „Ihro Majestät, ich will sterben, wenn ich in acht Tagen das Gebäude nicht in die Luft baue; und so Ihro Majestät mir versprechen, dasselbe Gebäude auf die Erde zu bauen, so will ich bis dahin Euer zerbrochenes Bein so gut heilen, dass Sie selbst auf den Altan gehen können, mein Luftgebäude bauen zu sehen.“ – „Ich verspreche es“, sagte der König. „Und ich verspreche es noch dazu“, sagte die Würgipumpa.

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