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Märchenbasar

Der Jüngste Bruder und der Send-E-Gjä

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Es war einmal ein Vater, der hatte drei Söhne. Vor seinem Tode rief er sie zu sich und sagte zu ihnen: „Ich habe nichts, was ich euch hinterlassen könnte, als den Apfelbaum, den wir auf der Wiese be-sitzen. Sorgt für ihn und bewacht ihn! Jeder von euch soll drei Tage im Jahr wachen, denn im Herbst, wenn die Früchte reif sind, kommt durch neun Tage ein Send-e-Gjä und ißt die Äpfel auf!« Der Greis schloß seine Augen, starb und wurde unter trauriger Anteilnahme aller be-graben.
Um den letzten Willen des Vaters zu erfüllen ging zur Herbstzeit, als die Äpfel reif am Baume hingen, der älteste Bruder, um den Baum zu be-wachen. Gegen Abend sah er, wie sich ein Send-e-Gjä dem Baume näherte. Der böse Geist war furchtbar anzusehen, so daß er dir Schrecken eingeflößt hätte, wäre er dir zu Gesichte gekom-men! Auch der älteste Bruder geriet in große Furcht, lief vor dem Send-e-Gjä davon und ließ sogar sein Gewehr liegen.
Darauf begab sich der zweite Bruder auf die Wiese, um den Apfelbaum zu beschützen, aber als der Send-e-Gjä auf ihn zukam, da konnte auch er nicht standhalten, sondern lief davon und ließ seine Mütze und ein Taschentuch zurück. Jetzt erfuhr der Jüngste, wie es seinen zwei älteren Brüdern ergangen war, ging zu ihnen und sprach: »Heute abend will ich den Apfelbaum bewachen!«
„Wie willst du imstande sein, die Aufgabe zu lösen, wo wir es nicht zuwege gebracht haben, standzuhalten !« schrie der Älteste und gab ihm eine Ohrfeige.
Aber der Jüngste, der ein Qelan (Kjelan), das ist ein Grindkopf, war, erwies sich als ein sehr klu-ger Bursche. Er nahm eine Schaufel und ein Ge-wehr, ging zum Apfelbaum, hob daselbst eine Grube aus der Erde, die ihm bis zum Gürtel reichte und versteckte sich in dem Loch. Als der Send-e-Gjä kam und sich nach einem Apfel in Höhe reckte, da saß der Kjelani schon schuß-bereit und — bum! — gab er einen Schuß auf ab und verwundete den Unhold. Schreiend floh der Send-e-Gjä. Der Kjelani aber ging nach Hause und erzäh1te seinen Brüdern, daß er den Send-e-Gjä verwundet habe.
„Da du ihn verwundet hast«, sagte der größte Bruder, »so wollen wir der Blutspur nachgehen und suchen, wo er steckt, und dann wollen wir ihn töten.« Sie gingen der Blutspur nach, liefen im-mer weiter, bis sie zu einer Höhle gelangten; die sah aus wie ein Brunnen.
Was tun wir jetzt?« fragte der zweite Bruder. „Wir wollen uns an einem Seil hinunterlassen!« entgegnete der Jüngste, »und nicht eher rasten, bis wir entdeckt haben, wo er seine Kraft stecken hat!“ Da banden sie ein paar Seile zusammen, und der größte Bruder ließ sich an ihnen hinunter. Aber es reichte nicht, er kam auf keinen Grund und gab den beiden ein Zeichen, ihn wie hinaufzuziehen. Jetzt knüpften sie alle Seile des Dorfeses aneinander, und der zweite ließ sich hinab. Doch auch er fand keinen festen Grund und gab zu verstehen, daß er wieder nach oben wollte. Nun banden sie die Seile zweier Dörfer aneinander, und jetzt ließ sich der Jüngste in die Tiefe, erreichte festen Grund und landete in der mittleren Welt. Dort traf er drei schöne Mädchen, deren Hände hinten auf ihrem Rücken gefesselt waren. Und zwar hatte der Send-e-Gjä sie so gefesselt.
»Sagt mir doch, was für ein Geschick hat euch denn hierher gebracht, liebe Mädchen?« fragte sie der Kjelani.
»Der Send-e-Gjä hat uns auf der oberen Welt geraubt und läßt uns nicht mehr frei«, antworteten die Mädchen.
»Wäret ihr wohl in der Lage. mir zu verraten, wo der Send-e-Gjä seine Kraft verborgen hält? Dann könnte ich ihn töten und euch befreien!«
»Ja«, sagten die Gefangenen, »nimm diese drei Taschentücher!« Und sie reichten ihm drei Ta-schentücher, ein weißes, ein rotes und ein schwarzes. »Wenn du mit dem Send-e-Gjä hand-gemein wirst und dir die Schweißtropfen von der Stirne rinnen, dann trockne dich mit dem weißen Taschentuche ab; gleich wird ihm die Hälfte seiner Kraft entschwinden. Beim zweiten Gang wische dich mit dem roten Taschentuche ab. nun wird ihm ein Drittel seiner Kraft ver-gehen. Und beim dritten Male wisch‘ dich mit dem schwarzen Taschentuche ab; jetzt wird er den Rest seiner Kraft einbüßen; du wirst mit ihm verfahren können, wie du willst!«
Da nahm der Kjelani die drei Taschentücher und ging den Blutspuren nach; schließlich kam er zu einem Platz, wo der Send-e-Gjä wohnte. Der Kjelani rief laut: »Halloh! Halloh! Halloh! Komm‘ heraus! Ich bin da und will mich mit dir schlagen!«
Der Send-e-Gjä trat heraus, griff wütend an und ward mit Kjelani im Nahkampf Brust an Brust handgemein. So drehten sich die beiden im Ringkampf nach allen Seiten. Dem Kjelani troff der Schweiß von der Stirn. Er trocknete ihn mit dem weißen Taschentuche und den Send-e-Gjä verließ die Hälfte seiner Stärke. Wieder rangen sie auf dem Wiesenplan. Kjelani schwitzte, zog das rote Taschentuch hervor und wischte sich den Schweiß ab. Da schwand dem Unhold noch ein Drittel seiner Kraft. Der Send-e-Gjä raffte sich nochmals auf, sammelte alle seine restlichen Kräfte, um den Kjelani zu Boden zu werfen. Aber Kjelani trocknete noch einmal seine schwitzende Stirn mit dem schwarzen Taschentuche, und Send-e-Gjä stockte im Kampf ohne eine Spur von Kraft. Kjelani warf ihn zu Boden und schlug ihm das Haupt ab. Dann ging er zu den drei Mädchen, befreite ihre Hände von den Fesseln und faßte den Plan, die zwei ältesten Mädchen für seine Brüder mitzunehmen, die Jüngste aber für sich selbst zu behalten.
»Schau!« sagten ihm nun die Mädchen, »sobald wir alle drei in die obere Welt hinaufgezogen sind, werden deine Brüder dich hier unten lassen. Darum nimm diese drei Brustlätze. Sie sind mit keiner Schere geschnitten und mit keiner Nadel genäht. Wir geben dir unser Wort, daß wir nicht heiraten werden, bevor man uns nicht diese drei Brustlätze bringt.«
Kjelani nahm die drei Brustlätze und legte sie sich unter seinen Kleidern um den Hals. Dann ließ er seinen beiden Brüdern oben einen Zuruf hören, damit sie die drei Mädchen, eine nach der andern, hinaufzögen. Zuletzt band er sich selbst an. Aber als er gerade in der Hälfte angelangt war, da wurde das Seil durchgeschnitten, er fiel wieder hinunter und befand sich schließ-lich dort, wo er gewesen war.
»Ich Armer! Ich Armer!« rief er, »was ist mir widerfahren!« Die Rippen taten ihm weh von dem Sturz in die Tiefe.
Aber er stand auf und ging zu einer weissagenden Frau. »Sei mir gegrüßt!« — »Willkommen!« so tauschten sie den Gruß aus.
»Meine schwere Lage«, sagte Kjelani, »hat mich zu dir geführt.«
»Sprich!« sagte die weissagende Frau, »und hab‘ keine Sorge.«
»Gibt’s für mich eine Möglichkeit, wieder in die Oberwelt hinauf zu gelangen?« fragte Kjelani. »Ja«, antwortete die weissagende Frau, »geh‘ wieder an den Platz, wo du den Send-e-Gjä ge-tötet hast, dort wirst du drei Wildziegen finden:
eine weiße, eine rote, eine schwarze. Ergreifst du die weiße, so wirst du eine Welt höher hinaufsteigen, ergreifst du die schwarze, so kommst du eine Welt tiefer.«
Der Kjelani ging an den Platz und fand wirk-lich drei Wildziegen vor, eine weiße, eine rote und eine schwarze. Er trachtete die weiße zu erwischen, aber — husch! — sie entschlüpfte ihm aus den Händen. Jetzt wollte er die rote fangen. aber er konnte sie nicht erjagen. Da sprang er auf die schwarze los, stieg auf ihren Rücken und gelangte, auf ihr reitend, eine Welt tiefer hinab.
Dort angekommen, ging er bald auf Wegen, bald ohne Weg dahin und hörte in einer Hecke ein paar junge Vögel zwitschern. Tsik! tsik! mach-ten sie. Er trat näher heran, zu schauen, was los sei; da sah er, wie eine große Schlange gerade an einem Baume emporkletterte, um das Nest der jungen Vögel zu erreichen und sie aufzufressen.
»Die jungen Vögel will ich retten!« rief er, zog sein Schwert aus der Scheide, tötete die Schlange und warf sie den jungen Vögeln zum Mahle vor. Sie aßen, wurden satt und hoben noch ein Stück vom Kopf der Schlange und einen Teil vom Hals auf, um dies ihrer Mutter Rotbein zum Essen zu geben. Es dauerte nicht lange, da kam Rotbein durch die Luft, erblickte den Kjelani, der sich im Schatten des Baumes niedergelegt hatte und eingeschlafen war, und rief: »Oh, ich Glückliche! Ich Glückliche! Da hat mir ja Gott eine schöne Mahlzeit vor die Türe gelegt!« Und Rotbein wollte den Kjelani in Stücke zerlegen.
Aber Rotbeins Kinder piepsten: »Nicht, liebe Mutter, nicht! Der hat uns ja das Leben gerettet! Eine große Schlange wollte uns essen, er hat sie getötet. Schau, wir haben auch für dich noch ein Stück von der Schlange aufgehoben.«
Da dankte Rotbein-Kambakukjl dem Kjelani mit den Worten: »Wünsche dir, was du willst! Ich bin bereit, dir den Wunsch zu erfüllen.«
»Ich hätte den Wunsch«, erwiderte Kjelani, »in die oberste Welt hinauf zu gelangen.«
»Ja, so!« sagte Rotbein-Kambakukji, »um dich in die oberste Welt zu bringen, brauche ich noch sechs gebratene Widder, sechs gute Brote und sechs Schläuche voll Wein. Denn der Weg ist weit, mußt du wissen. Anders kann ich‘s nicht machen.«
»Gut, gut!« entgegnete Kjelani, »aber woher soll ich das alles nehmen?« Er begab sich auf den Weg, ging und ging und ging, da traf er auf ein Mädchen, das weinte. Es war eine Königstochter. »Warum weinst du?« fragte teilnehmend Kje-lani.
»Ich habe Grund dazu«, entgegnete die Königstochter, »die Kulschedra hat unsere Wassergrotte besetzt, und jeden Tag verlangt sie zum Frühstück ein Mädchen, und heute ist die Reihe an mich gekommen.«
»Das ist leicht zu regeln!« sagte Kjelani, »die Sache mit der Kulschedra bringe ich in Ordnung. Gehen wir zusammen hin!«
Sie gingen zur Höhle, da erblickte sie die Kulschedra und schrie laut: »Ich Glückliche! Ich Glückliche! Es lebe der König, der mir heute zwei Speisegaben geschickt hat, statt einer!«
„Mach‘ deinen Mund auf!« erwiderte Kjelani der Kulschedra, »wir werden von selbst in deinen Mund hineinsteigen, ohne daß du dir Mühe zu geben brauchst.«
Die Kulschedra öffnete daraufhin ihren Mund, Kjelani aber war gerüstet und schlug ihr mit seinem Schwert den Kopf ab. Da wurde das Wasser wieder frei.

»Geh‘ du jetzt«, forderte Kjelani die Königs-tochter auf, »den unteren Weg, ich will den oberen nehmen .«
Die beiden trafen sich dann beim König. Dieser freute sich und mit ihm das ganze Land; er ließ Kjelani neben sich Platz nehmen und sagte zu ihm: »Was wünschest du dir jetzt von mir? Willst du die Hälfte meines Einkommens? Oder willst du drei mit Geld beladene Maultiere?«
»Möge dein Leben lange währen, o König!« ant-wortete Kjelani, »ich wünsche nichts von alledem. Ich würde es dir jedoch danken, wenn du mir sechs gebratene Widder, sechs gute Brote und sechs Schläuche voll Wein gäbest.«
Da befahl der König, ihm das Gewünschte herzurichten, ließ alles auf ein Maultier laden und dorthin bringen, wohin Kjelani es gebracht haben wollte.
Nachdem alles bereit war, ging Kjelani zum Rotbein-Kambakukji und sagte ihm: »Jetzt bring‘ mich nach der oberen Welt, denn ich habe die sechs gebratenen Widder, sechs gute Brote und sechs Schläuche voll Wein gebracht.«
»Gut, machen wir uns auf!« antwortete Rotbein-Kambakukji, »aber höre! Jedesmal, wenn ich ,Kok‘ rufen werde, mußt du mir einen gebrate-nen Widder in den Mund stecken, ein gutes Brot und einen Schlauch voll Wein!«
Kjelani lud dem Rotbein-Kambakukji alles auf den Rücken, stieg selbst auf, so daß er zwischen das Gepäck zu sitzen kam, und dann brachen sie auf. Jedesmal, wenn Rotbein-Kambakukji »Kok!« rief, gab ihm Kjelani unverzüglich einen gebratenen Widder, ein gutes Brot und einen Schlauch voll Wein. Es fehlte nur noch eine kurze Strecke bis zur obersten Welt. Aber noch waren sie nicht ganz am Ziele, da ging die Nahrung aus. Der Rotbein-Kambakukji jedoch rief wiederum »Kok!«
,Was jetzt?‘ sagte Kjelani bei sich. ,Was soll ich tun?‘ Aus Angst, Rotbein-Kambakukji könnte ihn vielleicht wieder dorthin zurückbringen, von wo er ihn hergebracht hatte, schnitt Kjelani sich eine Wade aus dem Bein und steckte sie Kambakukji in den Schnabel. Kambakukji kam die Speise salzig vor, das fiel ihm auf und er verschluckte sie nicht, sondern verwahrte sie in seiner Backe.
Als sie auf der Oberwelt angekommen waren, sagte Kambakukji zu Kjelani: »Geh‘ einmal! Denn ich will dir zuschauen, wie du gehst.«
Kjelani, der sich ohne Wade nicht von der Stelle rühren konnte, antwortete ihm: »Flieg‘ nur zurück! Flieg‘ nur! Mir ist mein Bein ein bißchen eingeschlafen; ich werde etwas später aufbrechen.«
»Entweder gestehst du mir«, sagte Kambakukji, »was dir zugestoßen ist, andernfalls bring‘ ich dich wieder dorthin, von wo ich dich geholt habe.« Da gestand ihm Kjelani alles, so wie es sich zu-getragen hatte.
Nun holte Rotbein-Kambakukji das Stück Fleisch hervor, setzte es ihm an den ihm zukommenden Platz und richtete alles wieder so ein, wie es Kjelani früher gehabt hatte. Dann gab er ihm eine Feder und sagte: ,,Wenn du dich einmal in großer Bedrängnis befindest oder irgendetwas brauchst, dann hauche auf diese Feder und ich erde zur Stelle sein, um dir zu helfen.«
Kjelani dankte Rotbein, brach auf und kam zu einem Herrn, den er bat, sich bei ihm als Knecht verdingen zu dürfen. Dieser Herr war mit den Brüdern Kjelanis eng befreundet, aber ihn selbst kannte er nicht.

Die Brüder wollten sich gerade mit den schönen Mädchen verheiraten, die sie aus der Höhle emporgezogen hatten. Aber die Mädchen wollten von einer Heirat nichts hören, bevor nicht jede von ihnen einen Brustlatz hätte, der von keiner Schere geschnitten und von keiner Nadel genäht wäre. Solche Brustlätze aber fanden sich nir-gends. Dies ihr Leid hatten die Brüder dem Herrn geklagt.
Eines Tages nun sagte der Herr zu Kjelani:
»Weißt du irgendwo einen von keiner Schere geschnittenen und von keiner Nadel genähten Brustlatz? Ich zahle dir dafür, soviel du verlangst.«
»Ich bin weit gewandert«, antwortete Kjelani, »und ich habe einen derartigen alten Brustlatz aufbewahrt.« Und er verkaufte ihn für sechsh-undert Napoleons.
Diesen Brustlatz schickte der Herr dem ältesten Mädchen daraufhin rüstete man zur Hochzeit für den ältesten Bruder.
Kjelani erfuhr dies, zog die Feder Rotbein-Kam-bakukjis hervor und blies darauf. Sofort kam Kambakukji und fragte: »Was wünschest du von mir?«
»Ich bitte dich«, sagte Kjelani, »gib mir ein weißes Pferd, weiße Kleider und ein weißes Schwert!«
Sofort brachte Kambakukji ihm all‘ das. Kjelani kleidete und rüstete sich, und so gestiefelt und gespornt bestieg er den Schimmel, gürtete das Schwert um und ritt dem Hochzeitszug entgegen. Bald sah er seinen älteren Bruder mit der Braut daherkommen. Er ritt auf die Hochzeitsgesellschaft zu, versetzte seinem Bruder einen Hieb über das Gesicht, schleuderte ihn zu Boden und ritt davon.
Als am Abend der Herr, der auch auf der Hoch-zeit gewesen war, nach Hause kam, fragte Kjelani ihn, wie es denn auf der Hochzeit gewesen wäre. Der Herr erzählte: »So etwas, wie es uns heute widerfuhr, hat noch nie jemand erlebt. Es kam nämlich auf einmal ein Mann auf einem Schimmel daher und versetzte dem Bräutigam einen Hieb.«
»Donnerwetter! Mög‘s ihm wohl bekommen!« rief Kjelani.
Einige Zeit darauf fragte der Herr wiederum seinen Knecht, ob er nicht noch ein zweites solches Brustlätzchen hätte, von keiner Schere geschnitten und von keiner Nadel genäht. Kjelani bejahte die Frage und verkaufte ihm das zweite Lätzchen für sechshundert Napoleons.
Der Herr schickte dieses zweite Lätzchen dem zweitältesten Mädchen, das daraufhin bereit war den zweiten Bruder zu heiraten. Kjelani erfuhr dies, holte die Rotbein-Kambakukji-Feder hervor, blies darauf, und sogleich war Rotbein zur Stelle und fragte: »Was willst du, teurer Freund?« »Ich brauche ein rotes Pferd, rote Kleider und ein rotes Schwert«, antwortete Kjelani. Sofort war alles herbeigeschafft. Kjelani stiefelte und spornte sich, nahm das rote Schwert und schwang sich auf den Fuchs und ritt dem Hochzeitszug entgegen. Bald erspähte er seinen zweitältesten Bruder mit der Braut, lenkte sein Tier auf ihn zu, versetzte ihm einen Hieb über das Gesicht, schleuderte ihn zu Baden und ritt davon.
Als der Herr vom Hochzeitszuge zurückkam, fragte ihn Kjelani: »Wie war‘s auf der Hochzeit?«
»Frag‘ nicht!« entgegnete jener, »so etwas ist noch nicht dagewesen! Es kam nämlich plötzlich ein Mann auf einem roten Pferd daher, versetzte dem Bräutigam einen Hieb und warf ihn zu Boden.«
»Bravo! Wohl bekomm‘s ihm!« antwortete Kje-lani, »er kann sich Glück wünschen, daß es nicht noch ärger gekommen ist.«
Einige Zeit darauf wollten die Brüder das jüng-ste Mädchen verheiraten. Sie wollten es einem ihrer Tagelöhner zur Frau geben. Wiederum fragte der Herr unsern Kjelani: »Hast du vielleicht gar noch einen dritten Brustlatz? Ich zahle soviel Geld dafür, wie du nur wünschest!«
»Ja, ich habe noch ein kleines Lätzchen«, antwortete Kjelani. Und er verkaufte ihm auch die-ses für sechshundert Napoleons.
Kjelani aber zog die Feder Kambakukjis hervor, blies darauf, und gleich kam Kambakukji. »Was wünschest du?« fragte er.
»Ich brauche ein schwarzes Pferd, schwarze Klei-der und ein schwarzes Schwert«, sagte Kjelani. Sofort brachte Rotbein-Kambakukji ihm alles, Kjelani zog sich an, bestieg seinen Rappen, schnallte sich das schwarze Schwert um und ritt den Hochzeitern entgegen. Wie er des Tagelöhners mit der Braut ansichtig wurde, sprengte er auf ihn zu, hieb ihm den Kopf ab und ritt davon. Am Abend erzählte ihm der Herr dieses Ereignis. Kjelani aber sagte: »Der Mann auf dem Rappen war ich selbst. Ich bin der jüngste von den drei Brüdern.« Und er berichtete dem Herrn seine Lebensgeschichte.
Daraufhin gingen sie zusammen zu den beiden Brüdern, Kjelani heiratete das jüngste Mädchen und lebte friedlich mit seinen Brüdern.

»Prall heißt das Märchen, die Klette zugleich, sie hängt sich in die Wolle der Schafe so weich. Dort bleib‘ sie nur haften, uns lass‘ sie in Frieden! Das Märchen ist aus: uns sei Wohlsein beschieden!«

Quelle
Die geflügelte Schwester und die Dunklen der Erde (albanische Volksmärchen)

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