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Märchenbasar

Der Rom und der Priester

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Es war einmal ein armer Rom und er hatte viele kleine Kinder. Und seine Frau ging in die Stadt und erbettelte sich ein paar Kartoffeln und ein bisschen Mehl. Aber sie hatte kein Fett.

„Na schön”, dachte sie, „wart einmal. Der Priester hat ein Schwein geschlachtet. Ich werde hingehen und um ein bisschen Fett bitten!”

Als sie hinkam, kam der Priester heraus, nahm seine Peitsche und verdrosch sie gewaltig. Sie kam heim und sagte zu ihrem Mann: „Oh mein Gott, was hab ich Prügel bekommen!”

Der Rom war an der Arbeit. Gleich ist ihm der Hammer aus der Hand gefallen. „Wart einmal, dem wird ich es zeigen und ihm eine Lektion erteilen!”

Der Rom ging zu der Kirche und warf nur einen Blick auf das Schloss, um zu sehen, wie man einen Schlüssel zum Turm machen könnte. Er ging heim, setzte sich an seinen Amboss und machte sich an die Arbeit, um den Schlüssel zu schmieden. Als er fertig war, ging er zurück und versuchte, die Tür zu öffnen. Sie ging auf, als wäre sie für den Schlüssel gemacht worden.

„Wart einmal”, denkt er bei sich, „was brauch ich jetzt?”

Er ging geradewegs zum Laden und kaufte sich etwas feines Papier, das sah aus wie die feinen Kleider, die die Priester zum Hochamt tragen. Als er es gekauft hatte, ging er zum Schneider, sagte ihm er sollte ihm ein Kleid machen wie ein Engelskleid. In dem Kleid sah er gerade wie ein Priester aus.

Er ging heim und sagte seinem Sohn: „Pass auf, mein Junge, komm mit mir und bring den Topf. Fang mir so hundert Krebse. Ha, die werden schon sehen, was ich anstelle heut Nacht. Der Priester soll mir nicht mit dem Leben davon kommen.”

Also gut!

Mitternacht kam. Der Rom ging in die Kirche, zündete alle Kerzen an, die in der Kirche waren. Den Krebsen aber klebte er jedem ein Lichtlein auf den Rücken und ließ sie im Friedhof laufen. Die Köchin geht schauen: „Mein Gott, was ist los? Die ganze Kirche ist hell erleuchtet!”

Sie geht zu dem Priester, weckt ihn auf. „Steh auf. Schauen wir, was da los ist. Die Kirche steht wie in Flammen! Was kann das bloß sein?”

Der Priester war in großer Angst. Er zog sein Messgewand an und ging zur Kirche um nachzusehen. Auf dem Friedhof sah er lauter kleine Lichtlein herumirren. Da glaubte er, der jüngste Tag wäre angebrochen und die Seelen aus ihren Gräbern gestiegen. Der Rom psalmodiert in der Kirche wie ein Priester, der die Messe hält: „Oh!” hat der Rom gesungen, „Oh Gott, der, welcher ein Sünder ist, um dessentwillen bin ich gekommen. Der, welcher viel Geld mit sich bringt, den bringe ich ins Paradies, und da soll es ihm gut gehen!”

Da meinte der Priester, es sei der Engel des Jüngsten Tags, der da sang. Er ging heim und holte alles Geld, das er im Hause hatte.

Also schön!

Der Priester kam zurück zur Kirche. Der Rom psalmodierte: „Wer ins Paradies kommen will, der krieche in diesen Sack, und zwar schnell, denn das Ende aller Dinge ist nahe!” Der Rom öffnete den Sack und der Priester kroch hinein. Der Rom nahm das ganze Geld des Priesters und steckte es in die Tache.

„Gut, jetzt gehörst du mir!”

Als er den Sack zuschnürte, war der Priester in großer Angst. „Mein Gott, was wird aus mir werden. Ich weiß gar nicht, was für ein Wesen das ist, ist es Gott selbst oder einer seiner Engel?”

Der Rom zerrte den Sack mit dem Priester drin die Stufen hinunter. Der Priester schreit, dass es ihm weht tut, und dass er doch sanft mit ihm verfahren möchte, denn er sei schon ganz zerschlagen. Noch eine halbe Stunde davon würde ihn umbringen, denn seine Knochen wären schon alle gebrochen.

Nun, er zerrte ihn durch das Kirchenschiff und schmiss ihn vor das Tor. Und er schmiss einen Haufen Dornen zusammen und zog ihn durch die Dornen, dass sie ihn stachen. Als er sah, dass der Priester mehr tot als lebendig war, machte er den Sack auf und ließ ihn dort liegen.

Der Rom ging heim und zog seine Verkleidung aus und verbrannte sie im Ofen, dass niemand sagen könnte, er sei es gewesen. Er hatte mehr als achthundert Silberstücke. Da waren er und seine Frau und seine Kinder froh, dass sie soviel Geld hatten. Und wenn er mit seiner Frau nicht gestorben ist, dann lebt er vielleicht noch.

Und der Priester? Wenn er nicht verfault ist, dann ist er noch ganz. Mögen die Teufel noch immer an ihm fressen. Ich war da und hab alles gehört.

Aus der Sammlung „Gypsy Folktales“ von Francis Hindes Groome

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