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Märchenbasar

Der schlaue Bulle

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Es war vor langer, langer Zeit, da lebten in einem Dorf drei Bauern.
Jeder von ihnen hatte einen eigenen Hof, wobei einer sehr viel Ackerland besaß. Was auf den Feldern der beiden ärmeren Bauern wuchs, reichte knapp, ihre Familien von einem Jahr zum anderen zu ernähren.
Der reiche Bauer besaß nicht nur viele Felder, er war zudem auch noch geizig. Seine beiden armen Nachbarn wollten ihm des Öfteren ein Stück Land abkaufen. Doch der Geizige setzte den Preis so hoch, dass sie das Land nicht bezahlen konnten, auch wenn sie ihr bisschen Geld zusammenlegen würden.
Ein weiteres Jahr ging zu Ende und die beiden Armen hatten nicht viel geerntet, so dass ihre Familien Hunger leiden mussten. Der reiche Bauer hatte aber soviel in seine Scheune gefahren, dass es ihm ein Leichtes gewesen wäre, etwas von seinen Früchten den beiden abzugeben. Doch er tat es nicht.

Eines Tages brach ein fürchterliches Unheil über die beiden mittellosen Familien herein. Der eine Bauer verunglückte zusammen mit seinem Bullen und seine Frau besaß danach nur noch eine Kuh, ein paar Hühner, ein Schwein und eine Ziege.
Wenig später verstarb die Frau des anderen Ackersmann und mit ihr die einzige Milchkuh. Dies verschlimmerte das Elend noch mehr. Der Witwer hatte jetzt nicht einmal mehr Milch zum Trinken. Seine Nahrung bestand tagtäglich nur noch aus Eiern und dem Fleisch seiner Hühner, denn Brot konnte er schon seit langem nicht mehr backen Das wenige Getreide, welches er erntete, diente als Futter für die Tiere und einen Teil brauchte er für die Saat im Frühjahr.

In seiner Not ging der verzweifelte Bauer zu seinem reichen Nachbarn und wollte ihm ein bisschen Korn abkaufen. Aber dieser sagte nur: „Ich brauche das alles für mich, sonst weiß ich nicht, wie ich bis zum nächsten Jahr Frau und Kinder ernähren soll.“
Unverrichteter Dinge musste der verzweifelte Bauer von dannen ziehen. Gerade als er die gute Stube verließ, brachte die Magd Gänsebraten herein und tischte diesen ihrem reichen Herrn auf.

Langsam ging der Arme zurück auf seinen Hof. Zuerst führte ihn sein Weg in den Stall, um seinem Bullen etwas mitzuteilen.
„Lieber Bulle“, sagte er. „Du bist mein bester Freund, doch ich habe solch einen Hunger, dass ich dich schlachten muss. Nur so komme ich noch über den Winter.“ Der Bauer fing an zu weinen. Das Tier hatte ihn schon lange Jahre begleitet und war sein bester Freund geworden. Er zog den Wagen, den Pflug und erleichterte seinem Herrn das Ernten. Auch war er gleichzeitig Wachhund, denn sein Gehör war so gut, dass er den Fuchs und den Iltis schon von weitem hörte, wenn sie auf den Hof schlichen, um sich ein Huhn oder ein Ei zu holen. Dann brüllte er laut und verscheuchte die Eindringlinge.
An all das dachte der Bauer, als er vor dem Tier stand. Er weinte und streichelte seinem Freud über den dicken Kopf.

Plötzlich vernahm der Bauer eine Stimme:

Bauer sei nicht dumm, sondern schlau,
auf dem anderen Hof lebt eine Frau.
Die Bäuerin ist allein mit ihrer Kuh
zusammen habt ihr bald ein Kalb dazu.
Sie hat keinen Mann, keinen Bauern,
hilf ihr beim Reparieren der Mauern.
Legt zusammen euer karges Essen,
sicher reicht es dann auch noch für unser Fressen.“

Der Bauer war erstaunt und verblüfft, denn er konnte niemanden sehen.
„Ich habe mit dir gesprochen“, meinte der Bulle und stupste seinen Herrn an.
Der Bauer freute sich innerlich und befolgte den Rat des treuen Tieres.
So machte sich der Ackersmann auf und ging zu dem anderen Bauernhof. Dort sah er die Bäuerin, wie sie verzweifelt versuchte, mit Sand und Kuhmist die Stallmauern zu reparieren. Sogleich nahm er ihr die Schippe aus der Hand und machte sich an die Arbeit. Die Bäuerin freute sich sehr darüber. Sie molk ihre Kuh und gab dem Nachbarn zu trinken. Das war ein wohlschmeckender Trank nach all der Zeit der Entbehrungen.
Dann erzählte der Witwer, was sein Bulle ihm geraten hatte und die Bäuerin meinte:

„Der Bulle ist schlau,
bei euch fehlt eine Frau,
und dem Bullen eine Kuh,
bald haben wir ein Kälbchen dazu.“

Und sie willigte ein. Fortan machten beide alles gemeinsam. Sie teilten ihr Essen, das Futter für die Tiere und reparierten notdürftig das Bauernhaus der Witwe. Die Kuh brachten sie zum Bullen, der sich darüber sehr freute.
So kamen alle gut über den Winter. Im Frühjahr bestellten sie zusammen ihre Felder, eines mit Kartoffeln und das andere mit Korn. Hinter dem Bauernhof der Bäuerin war noch ein kleiner Hausgarten, in dem sie Gemüse anbauten.

Es war Anfang Mai. Die Bäuerin erntete gerade Radieschen, als über dem Wald ein Gewitter aufzog. Schon zuckte ein Blitz über den Himmel. Wenig später folgte der nächste und gleich darauf ertönte ein mächtiger Donner. Da entdeckte die Frau, dass am anderen Ende des Dorfes riesige Flammen nach oben schossen.
Beide Blitze hatten das Wohnhaus und die Scheune des reichen und geizigen Bauern getroffen. Die Gebäude brannten bis auf die Grundmauern nieder.
Auch keines seiner Tier konnte aus den Flammen befreit werden. Nur der Bauer und seine Frau retteten sich in letzter Sekunde.

Der arme Nachbar und die Witwe holten das Ehepaar in ihr Haus und gaben ihnen Unterkunft und Essen. So wurde der reiche Bauer zum armen Ackersmann und er war sehr froh, dass ihm geholfen wurde. Er versprach sich zu ändern und immer hilfsbereit zu sein, was er dann auch sein Leben lang tat.
Sie bestellten alle zusammen ihre Felder, teilten die Ernte und halfen sich untereinander.
Übrigens bekam die Kuh am selben Abend, als das Gewitter tobte, ein Kälbchen. Dieses war ein Segen für die Familien, denn es brachte zehn weitere Kälber zur Welt, aus denen fleißige Milchkühe wurden. Einen Teil der Milch verkauften sie auf dem Markt, aus dem anderen machten sie schmackhaften Käse, der ihnen auf dem Bauernmarkt regelrecht aus den Händen gerissen wurde. So hatten sie immer einige Golddukaten in ihrer gemeinsamen Schatulle. Auch heirateten beide und wurden ein glückliches Bauernpaar.

Der schlaue Bulle bekam im Stall einen Ehrenplatz und wenn er nicht gestorben ist, lebt er heute noch.

Quelle: Friedrich Buchmann

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