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Der zauberkundige Gelehrte

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Es lebte einst ein großer Gelehrter, der die Zauberkunst verstand und sich die Geister untertan gemacht hatte. Der ging einmal auf den Markt zu einem befreundeten Metzgermeister, bei dem man Hammelfleisch kaufen konnte. Der Gelehrte fand den Mann in trüber Stimmung und fragte ihn nach dem Grund seiner Sorge. Da berichtete der Metzgermeister, daß er immer ärmer werde, obwohl das Geschäft gut gehe; denn es komme Tag für Tag auf rätselhafte Weise Geld weg. Der Gelehrte riet ihm nun folgendes: „Fülle eine Schale mit Wasser und stelle sie vor dich hin! Jedesmal, wenn ein Mann kommt, dem du Hammelfleisch verkaufst, und der dir Geld gibt, wirf es in die Schale! Dann wirst du bald sehen, wer dich betrügt!“ Am anderen Tag kam der Dieb, um Fleisch zu kaufen. Er zahlte mit einer Goldmünze, die man ihm wie jeden Tag wechseln sollte. Es war aber ein falsches Geldstück. Als der Meister es von dem Dieb, der ein verkommener Student war, nahm und in die Wasserschale warf, schwamm es an der Oberfläche des Wassers. Da ergriff der Schlächtermeister den Dieb und rief laut: „Endlich habe ich dich!“ Und er schrie, daß die Leute zusammenkamen, zeigte den zitternden Studenten und sprach: „Der hat mich Tag und Nacht betrogen und um mein Hab und Gut gebracht.“ Man wollte den Dieb gleich zum Sultan schaffen, damit er auf der Stelle bestraft werde. Da kam der Gelehrte, um wie jeden Tag sein Hammelfleisch zu kaufen. Er forderte den Metzgermeister auf, den Dieb freizulassen; denn er werde von nun an brav und ehrlich sein. Der Fleischer aber wollte sein Recht und auch Schadenersatz beim Sultan und erklärte, er lasse den Dieb auf keinen Fall laufen.

Nun murmelte der Gelehrte einen Zauberspruch und plötzlich waren alle im Laden hängende Schafe in Schweine verwandelt. „Seht doch diesen Meister!“
rief der Gelehrte zu den Leuten. „Der verkauft uns Rechtgläubigen Schweinefleisch!“ Die vor dem Laden stehende Menge wollte nun hinein, um sich von der Richtigkeit dieser Behauptung zu überzeugen. Da bat der Schlächter seinen Freund um Gottes Willen, seine Schafe wieder in den früheren Zustand zurückzuversetzen, er wolle den Studenten auch gleich freilassen. Der Gelehrte murmelte wieder einen Zauberspruch, und aus den Schweinen wurden wieder Schafe. Zu den Leuten, die kamen, um die Schweine zu sehen, sagte er begütigend, er hätte mit dem Schlächter, der stets Hammelfleisch verkaufe, nur gescherzt. Dann kaufte er sein gewohntes Fleisch und gab es dem Studenten mit dem Auftrag, es ihm nach Hause zu schaffen.

Als dieser vor die Wohnung des Gelehrten kam und an die Tür klopfte, kam die Dienerin heraus, nahm ihm den Korb mit dem Fleisch ab und brachte ihn hinein; dabei vergaß sie, die Tür zu schließen. Diesen Augenblick benutzte die Gazelle, die im Haus war, um wegzulaufen. Der Student wollte sie fangen und zurückbringen und lief ihr nach. Die Gazelle aber war ein böser Geist, der vom Zauberer den Auftrag hatte, den Studenten irre zu machen und recht zu quälen. Der Student, dem der Verstand aus dem Kopf verschwand, glaubte nun, lange Jahre unter den größten Entbehrungen herumzuwandern und in Wüsten Hunger und Durst zu leiden. Endlich fand er sich wieder vor der Haustür des Gelehrten. Er war ganz erschöpft. Leise klopfte er an, der Gelehrte kam, nur mit dem Hemd bekleidet, denn er nahm gerade im Haus die rituelle Waschung vor. Auf seine Frage erzählte der Student, daß er sieben Jahre weggewesen sei und Furchtbares erduldet habe. Da fing der Gelehrte an zu lachen und sagte: „Mein Sohn, ich bin gleich, nachdem du das Fleisch in meiner Wohnung abgegeben hast, nach Hause gekommen. Dann habe ich die Kleider abgelegt und das Freitagsgebet verrichtet. Wie kannst du nun sagen, daß du sieben Jahre weggewesen bist, wo kaum eine Stunde vergangen ist?“

Dann klärte er den Studenten über alles auf und zeigte ihm auch die Geister, die er in einem Zimmer eingeschlossen hatte. Schließlich ermahnte er ihn, von nun an brav und ehrlich zu sein, und versprach: „Wenn ich nochmals eine schlechte Tat von dir vernehme, lasse ich dich wieder entführen, werde dich aber dann nicht mehr loslassen; du mußt dein ganzes Leben in einer schrecklichen Wüste umherirren.“ Da sprach der Student: „Ich tue Buße bei Gott und werde gewiß nichts Schlechtes mehr tun.“

Märchen aus Ostafrika

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