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Die beiden Gevattern

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Einst waren zwei Gevattersleute, der eine ein reicher Bauer im Gebirge, der andere Obsthändler in der Stadt, der nebenbei allerlei Thiere und anderes verkaufte.
Da kommt einmal der aus dem Gebirge in die Stadt, und wie er bei dem Gewölbe seines Gevatters vorbeigeht, sieht er ein paar Melonen, die er nicht kannte. »Was sind das, Gevatter?« fragte er. »Das sind Eselseier«, antwortete der andere. »Was muss man mit ihnen machen, damit sie ausfallen?« »Tragt sie vierundzwanzig Stunden bei euch an der Brust oder im Beinkleide, und sie fallen sicher aus.« Einen Esel hätte ich schon längst gerne, dachte er, kaufte eine Melone um theures Geld dem Gevatter ab, knöpfte sie sich in die Hosen und ging seiner Heimat zu. Schon hoch auf dem Berge und nahe seinem Hause treibt ihn ein unaufschiebbares Geschäft, die Hosen aufzuknöpfen, ohne dass er an die Melone denkt. Da fällt die Melone heraus und rollt über den Berg hinab in ein Gebüsch, aus dem erschrocken ein Hase aufsprang und davon lief. »Sieh da,« rief der Bauer, der den Hasen für ein junges Eselchen ansah, »der Gevatter hatte doch Recht, aber das Ei ist viel früher ausgefallen, und so bin ich um den Esel gekommen.«
Noch einiger Zeit geht unser Bauer wieder in die Stadt und zum Gevatter, der aber hatte einen Wolf zu verkaufen. »Was ist das für ein Vieh?« fragt er. »Das ist ein Thier die Schafe zu bespringen, statt eines Widders.« »Was kostet es? ich könnte es gerade jetzt brauchen, denn ich habe fünfzig Schafe und kann keinen Sprungwidder dazu auftreiben.« »Das Thier kostet hundert Dukaten, aber bloss euch gebe ich es um diesen Preis.« Da zahlte der Bauer in barem Gelde die Dukaten auf und führte den Wolf mit sich. Als er nach Hause kam, schrie ihm sein Weib schon von weitem die Frage entgegen, ob er einen Widder aufgetrieben habe. »Und was für einen!« antwortete er und sperrte den Wolf zu den Schafen. Kaum waren sie ins Zimmer getreten, hörten sie schon ein Schaf schreien: Bäh! »Aha«, sagte der Bauer, »das erste hat er schon.« Gleich darauf hörte er ein zweites und dann ein drittes schreien. »Der Kerl ist fleissig«, sagte er, »so kann es nicht fehlen, der deckt in einer Nacht fast alle Schafe«, und ganz zufrieden mit seinem Einkauf legte er sich zu Bette.
Zeitlich am Morgen will er in den Stall gehen, um nachzusehen, kann aber nicht bei der Thüre hinein, denn es liegen inwendig ein paar todte Schafe davor. Das arme Vieh wird müde sein, dachte er, und hat sich jetzt gerade zur Thüre gelegt; ich will beim Fenster hineinsehen. Als er aber das Stallfenster aufmachte, da sprang der Wolf heraus, stiess ihn über den Haufen und entfloh. Als er dann erst sah, auf welche Art der Wolf seine Schafe gedeckt hatte, gerieth er in einen unbändigen Zorn gegen seinen Gevatter.
Und abermals, als er in der Stadt zu thun hatte, ging er zum Gevatter; der aber hatte jetzt einen Hasen zu verkaufen. »Was ist denn das wieder für ein neues Vieh?« fragte der Bauer. »Oh!« sagte der Händler, »das ist gar ein gutes liebes Thierchen. Er thut, was man sagt, und man kann es überall hinschicken; um Aufträge zu besorgen, gibt es kein besseres.« – »Wie heisst es denn?« »Portalettere (Briefträger) heisst der liebe Narr.« »Bravo!« sagt der Bauer, »ich habe schon längst einen Brief an meines Vaters Bruder zu schicken, das ist mir lieb, ich will es probiren.« »Kauft es euch also, gebt ihm eine Adresse, und der Brief wird schnell und sicher besorgt werden.«
Da kaufte der einfältige Bauer den Hasen theurer als ein Kalb und trug ihn nach Hause. Als er mit dem Briefschreiben fertig war, band er den Brief dem Hasen an den Hals und zeigte ihm den Weg. Da sagte er: »Mache den schnurgeraden Weg bis zum Seitenwege links, in diesen biege ein, und da wirst du zu einem grossen Orte kommen, in dessen Mitte ein Palast steht, der dem Grafen Rodighieri gehört; in diesem wohnt mein Onkel, der bei dem Grafen Wirthschafter (fattore) ist. Gieb ihm den Brief und bringe mir die Antwort zurück.« Als der Hase mit grossen Augen und zurückgelegten Löffeln anscheinend sehr aufmerksam diese Worte angehört hatte, liess ihn der Bauer los. Zufälligerweise lief der Hase gleich rechts in das Feld. »Nicht rechts, links, links hab‘ ich dir gesagt, musst du laufen«, schrie ihm der Bauer nach; als aber der Hase sich nicht daran kehrte, sprach er zu sich: »Dummer Tölpel, der ich bin! will ich einem Briefträger den Weg zeigen, den er besser wissen muss als ich, denn das ist ja sein Geschäft.« Lange erwartete er die Antwort auf seinen Brief, die ist aber zur Stunde noch nicht eingetroffen.
Erbost über den Gevatter, der ihn schon wieder betrogen hatte, beschloss er, ihn tüchtig abzuprügeln. Dieser mochte eine Ahnung davon haben, dass seine Spässe dazu führen würden, und sagte seinem Weibe, wenn der Gevatter aus dem Gebirge komme, möge sie ihm nur sagen, er sei im Garten und spreche jetzt mit unserm Herrgott. Als nun der Bauer das nächste Mal kam und nach ihrem Manne fragte, so richtete sie ihm den Auftrag wörtlich aus. »Was?« rief der, »mit unserm Herrgott sprechen! Das war schon längst mein Wunsch, das möchte ich auch.« Da schickte sie ihn in den Garten zu ihrem Manne, der eben bei einem Bienenstocke stand, zu dem eine Leiter angelehnt war1.
Als er diesem seinen Wunsch mitgetheilt, antwortete ihm der Händler: »Wollt ihr unsern Herrgott sprechen, so müsst ihr mit dem Kopfe in diese Röhre schlüpfen, achtet einige kleine Stiche, die ihr dabei bekommen werdet, nicht, dann werdet ihr ein Gesumse hören, das ist das Geräusche, das unser Herrgott macht, wenn er die Thüre des Paradieses öffnet, und dann wartet, bis er euch fragt.«
Das that unser Bauer getreulich; die Stiche wurden immer ärger, aber er hörte das Geräusch der Paradiesesthür und wartete auf die Frage von unserm Herrgott, bis ihm der Kopf so anschwoll, dass er ihn nicht mehr aus der Röhre brachte. Da sprang ihm sein liebreicher Gevatter bei und zog ihm die Leiter unter den Füssen weg. Die Schwere seines wohlgenährten Körpers beschleunigte sein Herauskommen aus dem Bienenstock und er fiel ganz zerschunden zur Erde. Da verband er sich mit nassen Tüchern und liess sich nach Hause führen, um sich zu kuriren, der Händler aber sagte zu seinem Weibe: »Du, jetzt aber gieb Acht, damit mich der Gevatter nicht mehr zu sehen bekommt, sonst bringt er mich sicher um.«
Diesen Vorsatz hatte der Bauer auch ernstlich gefasst. Als er nach mehreren Wochen wieder ein menschliches Aussehen erlangt hatte, steckte er eine grosse Pistole zu sich und ging in die Stadt schnurstracks zu seinem Gevatter. Als ihn die Gevatterin sah, fing sie an zu weinen und zu heulen. »Ach«, sagte sie, »ihr kommt gerade zur rechten Zeit, mein armer Mann ist eben gestorben.«
»So«, sagte der Bauer, »so hat ihn also der Teufel geholt und mir eine Mühe erspart? Lasst doch, dass ich ihm die letzte Ehre erweise.«
Als sie ihn hierauf ins Nebenzimmer führte, sah er den Händler, der schnell sich in ein Leintuch gehüllt hatte, wie todt auf dem Bette ausgestreckt liegen. Da ergriff der Bauer einen Sessel, stieg darauf und bereitete sich dazu, ihm die beabsichtigte letzte Ehre zu erweisen; der Händler aber, der aus diesen Vorbereitungen auf die Beschaffenheit dieser letzten Ehre ganz richtig schloss, liess es nicht dazu kommen, sondern biss ihn schnell und so heftig in den entblössten Theil, dass er schreiend davon lief.
»Nicht genug«, erzählte der Bauer zu Hause seinem Weibe, »dass er mich während seines Lebens stets betrogen hat, nein, schon todt hat er mich noch in den Hintern gebissen, der infame Kerl.«

[Italien: Georg Widter/Adam Wolf: Volksmärchen aus Venetien]

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