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Märchenbasar

Die goldenen Kinder

1.3
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Im Schmuck der Hochzeitskleider stand ein junger Mann vor der Haustür seines Vaters. Er sah schweigend in den frühen Morgen hinein, als ob er an nichts dächte. Er dachte aber, daß heute seine Hochzeit sei, daß seine Braut zwar nicht schön sei, ihm aber doch eine schöne Mitgift zubringe. Wie er so dastand, ging ein hübsches Mädchen vorüber, das sah ihn an und sprach: »Nähme mich dieser zum Weibe, ich würde ihm goldene Kinder gebären.« Der Jüngling hörte die Rede, besann sich nicht lange und nahm statt der ersten Braut das schöne Mädchen zum Weib. Jammernd war die Verlassene dem Zug in die Kirche gefolgt und rief: »Ach, lieber Herr, wenn ich auch nicht dein untertäniges Weib sein kann, so nimm mich wenigstens als Dienstmagd in dein Haus, ich will dir treu und redlich dienen, nur gönne mir die Lust, dich stets vor Augen zu haben.« Der junge Mann erbarmte sich der Weinenden und nahm sie zu sich ins Haus, wo sie ihm, so schien es, treu und redlich diente.
Nach einem Jahr sollte die Frau des Herrn entbunden werden; da ließ sie sich von der Magd bereden, ihr Bett oben auf den Boden zu verlegen, es sei da, sagte die Magd, der Stille wegen besser. Die Frau gebar zwei schöne goldene Knaben. Jetzt sah die Magd, welche die kranke Frau allein wartete, den Augenblick der langersehnten Rache gekommen, tötete die beiden Kinder, begrub sie an einer Mauer im Hof und legte statt ihrer einen jungen Hund in die Wiege. Darauf ging sie zum Herrn und klagte ihm das mächtige Unglück: Nicht zwei goldene Kinder seien ihm beschert, sondern eine abscheuliche Mißgeburt. »Oh«, fing sie zu klagen an, »mußtest du, mein Herr, mich darum verstoßen, damit du eine solche scheußliche Hexe heimführtest! Wie jammert mich dein Schicksal! Du bist jetzt unglücklicher als ich, die verstoßene Magd.« So brachte das falsche Weib den Mann dahin, daß er den jungen Hund sogleich tötete und begraben ließ, die kranke Frau aber aus dem Haus jagte und die Magd zum Weibe nahm.
Nicht lange, so wuchsen im Hof zwei Apfelbäume, die hatten goldene Zweige und trugen goldene Äpfel. Sie waren aus den Herzen der getöteten Kinder aufgegangen und hatten schon im ersten Jahre Armdicke, im zweiten aber die volle Höhe. Das falsche Weib geriet darüber sehr in Angst; immer fielen ihr bei den goldenen Zweigen und Äpfeln die ermordeten Knaben ein, und sie ließ deshalb trotz den Wünschen ihres Mannes, welcher seit dem Verluste der ersten Frau seine einzige Freude an diesen Bäumen hatte, dieselben umbauen. Als er das sah, sagte er: »Wir wollen uns wenigstens aus dem Holz zwei Bettstätten machen lassen, daß wir doch etwas von den Bäumen haben.« Die Bettstätten waren fertig, und beide, Mann und Frau, lagen des Nachts darin, da fing eine derselben zu reden an und sprach: »Höre, Bruder, wie ist dir unter deiner Last?« – »Mir ist nicht schwer«, war die Antwort, »denn ich trage unseren guten Vater.« – »Ach«, entgegnete die erste, »ich breche schier unter der Last, die ich tragen muß; es ist mir schrecklich, daß ich diesen Teufel von einem Weibe tragen soll, der unseren Vater und unsere arme Mutter so unglücklich gemacht hat.« Die Frau hatte dieses Gespräch vernommen, und kaum graute der Tag, so ließ sie die beiden Bettstätten zerschlagen und verbrennen, ohne daß der Mann wußte, warum. Er wollte nicht nach der Ursache fragen, denn er mied gern allen Anlaß zu Zänkerei.
Nun hatte er aber viele Schafe und darunter auch ein sehr schönes Mutterschaf, das er besonders liebte. Eines Abends, während der Lammzeit, kam sein Schafknecht in die Stube und konnte nicht genug Wunder erzählen. »Denn«, sagte er, »dein Lieblingsschaf hat zwei goldene Lämmer.« Der Herr staunte und begriff nicht, wie dies sein konnte, denn er wußte nicht, daß das Schaf von einem der Bäume einen goldenen Apfel gefressen hatte.
Als aber die Frau diese außerordentliche Begebenheit hörte, wurde sie blaß vor Wut und Angst, weil sie dachte, ihr Verbrechen möchte am Ende doch herauskommen, und befahl, beide Lämmer samt dem Mutterschaf zu schlachten. Sie war dabei selbst anwesend, zählte die Gedärme, die herausgenommen wurden, und gab sie der Magd mit dem Befehl, sie im Flusse reinzuwaschen, aber ja recht achtzugeben, daß keiner verlorengehe. »Wenn du mir nicht alle wiederbringst«, drohte sie der Magd, »so jage ich dich aus dem Hause.« Sie gedachte, die Gedärme hernach alle zu zerhacken, zu kochen und ihrem Mann als ein ganz besonderes Gericht vorzusetzen.
Die Magd war indessen an den Fluß gegangen und wusch dort die Gedärme. Ehe sie sichs aber versah, entglitt ihr einer derselben mit der Strömung des Flusses, und vergebens war alle Mühe, ihn wieder zu erhaschen. Wie erstaunte sie aber, als der Darm anschwoll und bald so dick wurde, daß er am anderen Ufer, an welches das Wasser ihn trieb, zerplatzte. Aus ihm hervor stiegen zwei schöne goldene Kinder, die betraten eine kleine Kiesinsel gegenüber dem Ort, an dem die Magd stand. Als sie diese über ihren Verlust jämmerlich klagen hörten, riefen sie ihr zu: »Sei doch nicht so blöde und schneide einen anderen Darm entzwei, so bringst du doch die volle Zahl zurück.« Die Geängstigte befolgte den Rat und eilte nach Hause.
Die beiden goldenen Kinder aber legten sich auf der Kiesinsel schlafen und wuchsen während dieses Schlafes so rasch wie andere nur in Jahren. Ihre Schönheit war so über alle Maßen, daß die Sonne selbst vierundzwanzig Stunden am Himmel stehenblieb und die herrlichen Gestalten betrachtete. Als sie erwachsen waren, gingen sie wieder über den Fluß, um die Welt nach ihrer unglücklichen Mutter zu durchwandern. Sie fanden sie auch, gaben sich ihr zu erkennen und sprachen zu ihr: »Liebste Mutter, komm, laß uns jetzt zu unserem Vater gehen.« Sie zogen, um ihre glänzenden Gestalten zu verbergen, alte zerlumpte Kleider an, und auch die Mutter hüllten sie tief in einen Mantel, denn die Freude derselben war so groß, daß sie leuchtete. So betraten sie als Bettlerfamilie das Haus des Vaters. Es war bereits Abend geworden, und bei einer großen Glacca, die sich versammelt hatte, um eine Menge Hanf und Flachs zu spinnen, waren eben Lichter angezündet worden. Die beiden Brüder nahmen ihre Mutter zwischen sich, traten so in die Stube und baten um etwas zu essen. Da kam die Frau vom Hause und fuhr sie hart an mit den Worten: »Hinaus, verlumptes Bettelpack, ihr habt hier nichts zu suchen!« Der Hausherr aber befahl dem bösen Weib zu schweigen, hieß die Ankömmlinge sitzen, gab ihnen zu essen und zu trinken und erlaubte ihnen auch zu bleiben, solange es ihnen gefiele.
Während die Söhne mit ihrer Mutter aßen, freuten sie sich heimlich über den Vater, der so gut war, obwohl er sie nicht kannte. Er trat auch wieder zu ihnen und bat sie zuzugreifen. »Eßt und trinkt«, sprach er, »nehmt, was ich euch gebe um der großen Barmherzigkeit willen, die Gott an uns übt.«
Als die Anwesenden die fremden Bettler genugsam betrachtet hatten, wurde wieder emsig darauflosgesponnen, und zur Unterhaltung während der Arbeit erzählte jedes eine Geschichte, bald traurig, bald lustig. Als alle fertig waren, kam die Reihe an einen der goldenen Jünglinge. Er begann und erzählte, was sich alles mit ihm und seinem Bruder vom Tage seiner Geburt an zugetragen hatte, ließ aber nicht merken, daß sie selber gemeint seien; der andere fiel dem Erzähler immer in die Rede, wenn er dies oder jenes übergangen hatte, so daß von der ganzen Geschichte nichts verborgen blieb. Während des Erzählens wurde der Mann immer nachdenklicher, und endlich traten ihm Tränen in die Augen, die Frau aber wurde blaß vor Wut und Angst und schrie: »Macht euch fort, Bettelpack, oder ich hetze die Hunde auf euch!« Da erhoben sich die beiden Jünglinge und riefen: »Das wird dir nicht mehr viel nützen, du abscheuliches Weib!« Darauf löschten sie die Lichter aus und streiften ihre Lumpen vom Leibe, so daß sie herrlich prangend dastanden, wie die Morgensonne im Mai. Alle, die in der Stube waren, blieben starr vor Staunen, der Hausherr aber breitete seine Arme aus und rief: »O kommt, kommt an mein Herz, ihr seid meine goldenen Söhne, wer könnte sonst wissen, was ihr wißt!« Sie umarmten sich, dann sprachen die Jünglinge: »Schau, hier ist unsere Mutter, wir haben sie wiedergefunden in Jammer und Elend.« Als der Vater sie erkannte, bleich und abgehärmt, übermannte ihn die Reue, er sank vor ihr hin, küßte ihr die Hände und bat sie um Verzeihung. Die Frau weinte vor Freude, zog ihn sanft in die Höhe, und sie umarmten sich zärtlich.
Alle Anwesenden waren sehr erstaunt über diese Begebenheit, nur das böse Weib kreischte und verschwur sich gräßlich; da trat der Mann zu ihr hin und sprach: »Du schlimmes Weib, ich will dir verzeihen, obwohl du den Tod verdient hättest. Mache dich aber eilends fort aus dem Hause und komme mir nicht wieder vor die Augen, sonst könnte michs reuen, daß ich dich straflos entlassen habe.«

[Rumänien: Arthur und Albert Schott: Rumänische Volkserzählungen aus dem Banat]

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