Vor 150 Jahren lebte in einer Hütte eine junge Frau mit ihren zwei Brüdern. Ludwig und Karl Koller waren zwei rechte Taugenichtse und ihre Schwester Elisabeth hatte viel Kummer mit ihnen. So musste sie sich nicht nur um die ganze Arbeit alleine kümmern, sondern sich noch um ihre Brüder sorgen.
Die Jahre vergingen. Ludwig, der Ältere, heiratete und verließ die Hütte. Er lebte mit seiner Frau mehr recht als schlecht im Dorf und fristete ein tristes, unglückliches Leben. An seine Schwester, die sich jahrelang abgeschuftet hatte, verschwendete er keinen Gedanken mehr.
Karl, der Jüngere, stürzte bei einem unglücklichen Unfall über eine Felswand, als er im Dunkeln betrunken aus dem Wirtshaus nach Hause ging.
Von da an lebte die Kollerliesl ganz allein in ihrer Hütte. Ihre Tage waren ausgefüllt mit Arbeit. So kam es, dass sie nie heiratete und keine Kinder bekam. Eines Tages kam ein fescher Wanderbursch des Weges. Er hätte der Kollerliesl schon gefallen. Er machte ihr schöne Augen und sprach sehr nett und freundlich zu ihr. Aber irgendwie strahlte der Fremde eine eigenartige Kälte aus. Als er in die Stube trat, beschlich sie ein mulmiges Gefühl und ein Schauer rieselte ihr über den Rücken. Die Gänsehaut ließ sie auch noch nicht los, als der Fremde seines Weges ging und versprach, in der nächsten Woche wieder zu kommen.
Die Kollerliesl musste ständig an den Wandersmann denken. Einerseits hoffte sie, dass er sein Versprechen einlösen werde. Auf der anderen Seite konnte sie noch immer das Grauen spüren, das sie befallen hatte, als er in der Nähe war. Eine Woche später, pünktlich auf die Stunde, pochte es an der Tür. Die Kollerliesl hatte ihr bestes Kleid angezogen, wie eine Braut, die auf ihren Freier wartet. Knarrend ging die Tür auf und der Fremde betrat die Stube. Obwohl es ein warmer Sommertag war, wurde es im Raum plötzlich kalt, wie in einem Grab. Der Fremde trat auf die Kollerliesl zu. Sie hatte weiche Knie und wäre wohl vor Angst und Grauen davongelaufen, aber sie konnte sich nicht mehr von der Stelle rühren. Der Fremde sprach zu ihr: „ Ich nehm dich mit, wenn du möchtest. Du wirst meine Braut. Willst du mir folgen?“
Die Kollerliesl hatte nicht die Willenskraft, sich zu rühren und zu wehren. Sie konnte gerade nur mit dem Kopf nicken. Da nahm der Fremde, der niemand anderer als der Teufel war, sie in die Arme und küsste sie auf den Mund. Dort, wo er ihre Lippen berührt hatte, brannte es wie Feuer. Der Belzebub verschwand so plötzlich, wie er gekommen war. Nur der Geruch von Schwefel hing in der Luft.
Nach dem satanischen Kuss wurde die Kollerliesl krank. Eine ganze Woche lag sie mit hohem Fieber im Bett und konnte nicht aufstehen.
Genau zwei Wochen, nachdem der Teufel das erste Mal bei ihr erschienen war, ging es der Kollerliesl endlich wieder besser. Sie war von einer seltsamen Unruhe erfüllt.
Genau auf die Stunde, als der Teufel sie auf den Mund geküsst hatte, brach auf einmal ein Gewitter los. Es donnerte und blitzte. Plötzlich krachte es ohrenbetäubend und ein greller Blitz fuhr vom Himmel herab. Er schlug in die Hütte ein, und sie fing Feuer.
Dort, wo die Kollerliesl gestanden war, klaffte ein tiefes Loch. Der Regen stürzte in Bächen herunter und löschte bald das Feuer, sodass die Hütte nicht ganz zerstört wurde.
Als zwei Tage später Wanderer vorbei kamen, suchten sie nach der Kollerliesl, aber sie konnten sie nirgends finden.
Man sagt, dass der unruhige Geist der Kollerliesl noch immer durch die Gemäuer spukt – und zwar immer genau an ihrem Todestag.
Quelle: Berta Berger