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Märchenbasar

Die Schuhe

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Es war einmal ein König, der hatte eine Frau und eine Tochter. Als die Frau krank wurde und ihre Todesstunde nahen fühlte, rief sie ihren Mann und sagte zu ihm: „Bestell beim Schuhmacher ein Paar Schuhe, nicht zu groß und nicht zu klein; er soll herkommen und an meinen Füßen Maß nehmen. Wenn ich gestorben bin, schick damit einen Diener von Stadt zu Stadt, und dasjenige Mädchen, dem die Schuhe passen, nimm zur Frau.“ Als die Frau gestorben war, schickte der König einen Diener mit den Schuhen aus, aber der fand keine Frau und kein Mädchen, dem die Schuhe paßten. Da kehrte er zum König zurück und sagte zu ihm: „Wir haben keine Frau gefunden, der die Schuhe passen, mal waren sie zu groß, mal waren sie zu klein,«
Eines Tages probierte die Tochter des Königs die Schuhe an, nur um zu sehen, ob sie ihr paßten. Sie dachte natürlich nicht daran, daß der Vater sie zur Frau nehmen würde. Sie fuhr in die Schuhe, und die Schuhe saßen wie angegossen. Gerade in diesem Augenblick rief der Vater nach der Tochter, damit sie ihm Wasser bringe. Sie kam mit den Schuhen an den Füßen, denn sie dachte gar nicht daran, daß der Vater sie heiraten könnte, da sie doch seine Tochter war.
Als der König sah, daß sie die Schuhe trug, sagte er zu ihr: „Ich werde dich zur Frau nehmen. Denn deine Mutter hat mir in ihrer Todesstunde aufgetragen, das Mädchen zur Frau zu nehmen, dem diese Schuhe passen.“ Sie erwiderte: „Nun, wenn du mich tatsächlich heiraten willst, so laß vorher zwei große Leuchter machen, ungefähr so groß wie ich und sehr breit, und man muß sie mit einer Schraube öffnen und schließen können.“ Er befahl sofort, diese Leuchter zu machen, und nach drei Tagen waren sie fertig. Das Mädchen ließ die Leuchter in ihr Zimmer stellen und versteckte sich in einem von ihnen. Als der Vater zur Hochzeit kam, sah er die Tochter nirgendwo; es kam ihm aber nicht in den Sinn, daß sie in einem Leuchter versteckt sein könnte. Er ärgerte sich sehr, daß die Tochter ihm entwischt war, deshalb ließ er einen Ausrufer kommen und sagte zu ihm: „Nimm diese Leuchter und verkaufe sie, das Geld kannst du behalten. Ich will diese Leuchter nicht mehr sehen.“ Der Ausrufer ging in eine andere Stadt, um die Leuchter zu verkaufen. Dort sah sie ein Königssohn, der gerade am Fenster saß und hinausschaute. Der Jüngling fragte, wieviel er für die Leuchter haben wolle.,, Soviel du geben willst, Herr.“ Da gab ihm der Königssohn ein Goldstück, nahm die Leuchter und stellte sie in sein Schlafzimmer. Dieser Königssohn, der mit einer Königstochter verlobt war, hatte die Angewohnheit, nachts aufzustehen und zu essen. Aus diesem Grunde stellte man ihm immer verschiedene Teller mit Speisen hin. Des Nachts nun, als er schlief, stieg das Mädchen aus dem Leuchter heraus und probierte alle Speisen. Als sie gegessen hatte, wusch sie sich die Hände, ging zu dem schlafenden Königssohn und streichelte ihn, dann schloß sie sich wieder im Leuchter ein. Der Jüngling wurde wach, stand auf, und als er essen wollte, bemerkte er, daß alle Speisen berührt worden waren. Am nächsten Morgen fragte er die Diener: „Habt ihr die Speisen probiert, oder ist eine Katze im Zimmer gewesen und hat sie angerührt?“ –
„Nein“, sagten sie, „eine Katze ist nicht ins Zimmer gekommen, wir wundern uns, daß du so fragst.“ Da trug er ihnen auf, gut aufzupassen, daß keiner ins Zimmer komme. In der nächsten Nacht fand er die Speisen wieder angerührt, was ihn verwunderte. In der dritten Nacht blieb er deshalb wach und tat nur so, als ob er schliefe. Das Mädchen kam aus dem Leuchter heraus, begann zu essen, und als sie damit fertig war, trat sie an sein Bett, um seine Hände zu streicheln. Da erhob er sich und sagte: „Du bist das also, die mein Essen probiert! Obwohl ich verlobt bin, werde ich dich zur Frau nehmen, denn du bist sehr schön.“ Und er nahm sie zur Frau, ohne ein Hochzeitsfest zu feiern.
Als die Zeit kam, daß er in den Krieg ziehen mußte, sagte er zu seiner Frau: „Ich werde jetzt in den Krieg ziehen, du aber bleibst hier im Zimmer und gehst nicht hinaus. Wenn ich nach langer Zeit zurückkehre, will ich dich wiederfinden. Ich sage den Dienern, daß sie dir Speisen bringen und was du sonst noch brauchst. Du aber versteck dich im Leuchter, damit niemand dich sieht.“ Damit zog er fort.
Eines Tages erschien der Schwiegervater des Jünglings. Er trat in das Zimmer des Bräutigams und fand dort das Mädchen, das er fragte, was sie im Zimmer des Schwiegersohnes mache. Dann befahl er voll Zorn den Dienern, sie aus dem: Palast zu werfen und an eine Stelle voller Brennesseln zu bringen, damit sie sich dort so verbrenne, daß sie nicht mehr aufstehen könne. An diese Stelle kam aber immer eine Alte, die Brennesseln sammelte; sie fragte das Mädchen, was sie hier mache. Das Mädchen erzählte ihr daraufhin: „Man hat mich hierhergeworfen, damit, ich hier verbrenne, weil man neidisch ist auf mich. Ich bitte dich sehr, Alte, nimm mich mit nach Hause, ich mache auch alle Arbeit für dich, denn du bist schon alt.“ – „Ich kann dich nicht mit zu mir nach Hause nehmen, denn ich bin sehr arm“, erwiderte die Alte. „Das macht nichts“, erwiderte das Mädchen, „dort, wo du wohnst, will ich auch wohnen.“
Nach einiger Zeit kehrte der Königssohn aus dem Krieg zurück. Er wartete, daß seine Frau aus dem Leuchter käme, aber sie war nicht mehr dort. Da wurde er krank vor Sehnsucht, denn er liebte die Frau sehr. Trotz seiner Krankheit bekam er Appetit auf Pastete. Er befahl den Dienern auszurufen, daß jeder in der Stadt eine Pastete bringen solle. Da kam auch die Alte mit einer Pastete, die das Mädchen gebacken hatte. In die Pastete hatte sie den Ring gesteckt, den sie zur Hochzeit von ihm bekommen hatte. Als der König die Pastete aß, fand er den Ring und erkannte ihn sofort. Er ließ darauf der Alten bestellen, daß er morgen zu ihr käme.
Als er am nächsten Morgen hinkam, sah er sich überall um. Da erblickte er einen Backtrog, der an die Mauer gelehnt war. Er fragte die Alte, was sie dort habe. „Da sind Kücken, mein Sohn, und ich bitte dich, nicht daran zu stoßen, denn sie sind noch klein.“ – „Nein“, sagte er, „aber du komm heraus, denn ich sehe dich.“ Und er zog den Backtrog weg, da stand seine Frau. „Was machst du hier?“ fragte er. „Habe ich dir nicht gesagt, du sollst den Leuchter nicht verlassen!“ Da erzählte sie, wie es ihr ergangen war, wie sein Schwiegervater sie in die Brennesseln werfen ließ, wie die Alte sie gefunden und in ihr Haus mitgenommen hatte, daß sie Vater und Mutter für sie war und daß sie dann die Pastete mit dem Ring gebacken habe. Und dann bat sie ihn, die Alte reich zu beschenken, denn sie hatte sie vor dem Tod gerettet. Da schenkte er der Alten zwei Säcke voller Silberlinge und nahm seine Frau mit. Nach einiger Zeit rief er den Schwiegervater und sagte zu ihm: „Für das Böse, was du meiner Frau angetan hast, entlobe ich mich, deine Tochter will ich nicht mehr zur Frau.“ Und er zeigte allen das Mädchen, das bereits seine Frau war.

Quelle:
(Die Schöne der Erde – Albanische Märchen und Sagen)

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