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Die Ziegenohren des Königs Trajanus

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Es lebte einmal ein König, und der hieß Trajanus. In seiner Residenz hatte er schon alle Balbierer nacheinander zu sich kommen lassen, ihn zu rasieren, aber keiner war zurückgekehrt, und man sprach in der Stadt, der König hätte sie alle selbst mit einem Säbel geviertelt. Als schon alle Meister der Residenz auf diese Weise ums Leben gekommen und nur noch ein einziger, der älteste der Gilde, übriggeblieben war, sandte der König seinen Diener zu diesem. Der schickte seinen Lehrburschen. Als der Junge nun vor dem König stand, fragte dieser ihn, wo denn sein Meister sei, und der Junge sagte, der Meister fühle sich sehr unwohl, er hoffe aber, den Herrn König zu seiner Zufriedenheit zu rasieren. Der König Trajanus setzte sich nieder, der Junge seifte ihn ein, und als er zu schaben begann, bemerkte er, dass der König wahrhaftige Ziegelohren hatte. Nach getaner Arbeit fragte ihn der König, ob er etwas Besonders gesehen. Der Junge antwortete, er könnte nicht sagen, dass ihm irgend etwas aufgefallen sei. Da gab ihm König Trajanus zwölf Dukaten als Lohn und sagte, er solle von nun an jeden Tag kommen, ihn zu rasieren.
Als der Junge nun heil und unversehrt zu seinem Meister zurückkehrte, war dieser überaus erstaunt und fragte dieses und jenes, aber der Junge zeigte ihm nur die zwölf Dukaten, die er als Trinkgeld bekommen, und meinte, das Herrn Königs Wunsch wäre es gewesen, dass er von nun an täglich käme, ihn zu balbieren. Und so war es auch. Der Junge ging Tag für Tag zum Herrn König, und dieser gab ihm jedesmal zwölf Dukaten. Der Lehrbursch hütete sich aber wohl, auch nur irgend jemanden ein Sterbenswörtlein von allem zu verraten. Aber nach und nach begann das Geheimnis in ihm zu brennen und zu zehren, so dass er von Stunde zu Stunde bleicher und elender wurde und sich zuletzt schon kaum mehr auf den Beinen halten konnte. Diesem entging seinem alten Meister nicht, daher nahm er ihn eines Tages beiseite und fragte, was denn sein Herz bedrücke, er hätte doch jetzt Geld, soviel Geld, dass er sein Leben lang genug hätte. Er könnte ja, wenn ihm die Arbeit zuviel, davon ablassen und sich ein Stück Land kaufen, heiraten und zufrieden und glücklich sein. Der Junge winkte müde mit der Hand und sagte: „Ach, Meister, wenn Ihr wüsstet, was mich bedrückt! Ein großes Geheimnis habe ich tief in meinem Herzen verschlossen, und das zehrt an meinem Leben.
Wenn ich nur irgendeinem Menschen ein Wort davon verrate, dann würde es mir schon leichter werden.“ Der Meister überlegte eine kurze Weile und sprach: „Wenn du deine Seele erleichtern willst, dann sage mir dein Geheimnis. Du weißt, ich bin alt und gebrechlich und verdanke dir mein jetziges Leben sowie die Überlebenden der Gilde. Ich werde es keinem Menschen verraten und es mit ins Grab nehmen. Aber wenn du kein rechtes Zutrauen zu mir hast, gehe zu einem Priester und beichte diesem alles, was dein Herz bedrückt. Du weißt, dass ein Priester eher sein Leben lassen wird als sein Geheimnis zu verraten, das man ihm mitgeteilt. Aber wenn du auch das nicht tun willst, dann gehe hinaus in die Felder, weit außerhalb der Stadt, wo dich kein Mensch sehen und hören kann, grabe ein tiefes Loch, stecke den Kopf hinein und schreie, dass dir die Ohren gellen, dein Geheimnis hinein. Grabe die Grube zu, und dein Herz wird erleichtert sein.“ Der Junge erkor das dritte: er zog hinaus, und als er draußen ein tiefes und breites Loch gegraben, steckte er den Kopf bis über die Ohren hinein und schrie so laut, wie es seine Stimme vermochte: „Der König Trajanus hat Ziegenohren! Der König Trajanus hat Ziegenohren!“ Dann scharte er das Loch zu, ging zur Stadt zurück, und siehe: sein Herz war erleichtert, eine leichte Röte zog wieder über seine Wangen, die Augen leuchteten, und sein Schritt wurde fest und entschlossen.
Es verging einige Zeit darüber. Der Frühling war wieder ins Land gezogen mit seinem bunten Blumenflor, aus dem Loche aber war eine Weide gewachsen. Drei Äste, schön und gerade, schossen in die Höhe wie Kerzen. Gingen da Hirten vorbei, die das Vieh zur Weide trieben, schnitten ein Ästlein ab und machten sich Pfeifchen daraus.
Als sie aber darauf spielen wollten, kam kein Ton heraus, sondern eine menschliche Stimme, die immerfort schrie: „Der König Trajanus hat Ziegenohren! Der König Trajanus hat Ziegenohren!“ Rasch verbreitete sich davon die Kunde in der Stadt und kam sehr bald zu den Ohren des Königs, der gerade auf dem Balkon seines Schlosses saß und den Kindern, die im Staube spielten, zusah. Sofort sandte der König seinen Diener zu dem Balbierjungen, er möge unverzüglich kommen.
Der Junge, der noch nichts von dem wundersamen Pfeiflein gehört, ging sogleich ins Schloss. „Mensch! Was hast du im Volke über mich verlauten lassen! Hörst du denn nicht, dass schon die Kinder auf der Straße davon reden?“ Der Junge verteidigte sich, er hätte keinem Menschen ein Wort verraten, obwohl er das Gebrechen des Königs gesehen hätte. Da zückte König Trajanus den Säbel, den Jungen zu töten, dieser aber gestand ihm alles: wie ihn das Geheimnis verzehrt und er es zuletzt der Erde anvertraut, wie aus dem Loche eine Weide gewachsen und nur diese das Geheimnis hätte verraten können.
Der König Trajanus ließ den Wagen vorspannen, setzte sich hinein und nahm den Jungen mit sich. Unterwegs trafen sie eine Unmenge Gassenjungen, die auf Pfeifen immer dasselbe pfiffen: „Der König Trajnus hat Ziegenohren!“
Als sie endlich an die Stelle gelangten, wo der Junge sein Geheimnis verraten, stand nur noch ein Ästlein da. König Trajanus befahl, das Ästlein abzuschneiden und ein Pfeiflein zu machen. Wie er nun das Pfeiflein selbst an die Lippen brachte und nur den einen Ruf hervorlocken konnte, sah er ein, dass man auf Erden nichts geheim halten könne, schenkte dem Jungen das Leben und gab einen Erlaß heraus, dass von nun an jeder Balbier zu ihm kommen dürfe, ihn zu rasieren. Der Junge hat sich aber wirklich zurückgezogen und von dem gesparten Geld ein Häuschen gebaut, in dem er noch lange lebte, glücklich und zufrieden.
 
Quelle: Ein Märchen aus Slowenien

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