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Himmelblau und Lupine

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Die Fee Lupine hatte das Unglück, fünf Tage in jeder Woche eine außerordentlich häßliche kleine Person zu sein; in den beiden übrigen hätte sie das Modell zu einer Liebesgöttin abgeben können. Es ist noch immer etwas, wöchentlich zwei schöne Tage zu haben, woferne man sie benutzen kann. Aber für Lupinen ging dieser Vorteil durch einen andern Umstand verloren, und das war, daß sie, so wie sich ihre Figur änderte, auch eine andere Denkart und andere Gesinnungen bekam. In ihren fünf häßlichen Tagen war sie sanft, zärtlich, gutherzig, gefühlvoll, mit einem Worte: liebenswürdig, wenn man es mit einer widerlichen und zurückstoßenden Außenseite sein könnte. Sie war in dieser Zeit die gefälligste, die verbindlichste Person von der Welt und tat ihr möglichstes, um irgendeinen Genie, Zauberer oder auch nur einen bloßen Sterblichen aufzutreiben, der edel genug wäre, sich von wahren und soliden Verdiensten, von Vollkommenheiten des Geistes und Herzens, ohne einen Zusatz von körperlichen Reizungen, einnehmen zu lassen; aber leider! wo findet man solche Männer in der Welt? Bei allem dem muß man sich nicht einbilden, als ob die gute kleine Fee darum eine Kokette gewesen wäre; sie tat es bloß, weil es nun einmal geschrieben stand, daß sie ihre ursprüngliche Gestalt, welche sehr liebreizend gewesen war, nicht eher wiederbekommen würde, bis sie einen Mann fände, dem sie in ihrer Häßlichkeit eine wahre Liebe einzuflößen vermochte. So stand es in dem Buche des Schicksals geschrieben, einem Buche, das jedermann kennt, wiewohl kein Mensch jemals darin gelesen hat.

Wie die gute Lupine zu diesem Unglück gekommen, wird wohl niemand erst fragen, der ein wenig in der Feerei bewandert ist. Natürlicherweise hatte sie sich’s durch eine hartnäckige Sprödigkeit gegen irgendeinen häßlichen, boshaften, abscheulichen Zauberer zugezogen, welcher mächtiger als sie. So etwas versteht sich von selbst; und gleichwohl gibt es Leute, denen man alles sagen muß und die gleich ungehalten über euch werden, wenn ihr ihnen das Vergnügen machen wollt, etwas zu erraten, das sich von selbst versteht.

Lupine hatte, wie gesagt, auch zwei Tage in der Woche, wo sie zum Entzücken schön war. Sie besaß in dieser kurzen Zeit alle Reizungen und Annehmlichkeiten, womit Schönheit und Jugend die Sinne bezaubern können; und wäre es in ihrer Gewalt gestanden, die nehmlichen Gesinnungen und das nehmliche Betragen, womit sie in den Tagen ihrer Häßlichkeit so wenig ausrichtete, beizubehalten: welches Herz hätte gegen sie aushalten können? Aber sobald sie schön wurde, wurde sie auch albern, eitel, übermütig und, mit einem Worte: unausstehlich; ihr hochmütiges Wesen, ihre Kälte, ihr Eigensinn, ihre Geringschätzung anderer, ihr Mangel an Geschmack und Empfindung, kurz, alle ihre Manieren, stießen einen jeden wieder zurück, den ihre Figur angezogen hatte; und man brauchte sie nur reden zu hören oder sich mit ihr einzulassen, um in wenig Augenblicken die gute Meinung von ihr zu verlieren, die man gewöhnlich von einer schönen Person hat und worin man sich so ungern betrogen findet.

Es war eine von den Bedingungen, von welchen ihre Wiederherstellung in den vorigen Stand abhing, daß es ihr nicht erlaubt war, weder denen, die sie anbeteten, wenn sie schön war, noch denen, deren Herz sie als häßlich gerne gewonnen hätte, zu entdecken, daß sie unter beiderlei Gestalt die nehmliche Person sei. Man glaubte bei Hofe (die Rede ist vom Hofe der Feenkönigin), es seien zwei Lupinen, eine schöne und eine häßliche. Dieser Hof ist ein Land, wo man zuweilen alles und noch mehr sieht, als zu sehen ist, dafür aber auch zuweilen die auffallendsten Dinge übersieht, so daß viele Zeit verstrich, ohne daß man die Bemerkung machte, daß die beiden Lupinen sich nie zugleich sehen ließen.

Inzwischen hatte die kleine Fee fünf Tage in jeder Woche hintereinander den Verdruß, sich von eben den Liebhabern verachtet und verspottet zu sehen, die in den beiden übrigen Tagen alles in der Welt darum gegeben hätten, sie ebenso liebenswürdig und gefällig zu finden, als sie schön und reizend war. Diese Lage ist traurig genug; auch war es Lupine nicht wenig, und sogar noch mehr in den Tagen, wann sie schön, als in denen, wann sie häßlich war: woraus sich schließen läßt, daß es noch besser ist, mit Verstand und Empfindung häßlich, als mit aller möglichen Schönheit eine Gans zu sein.

So stund es indessen mit der guten Fee, als das Schicksal sie mit einer Mannsperson zusammenbrachte, die aus einerlei Ursache ebenso übel behandelt worden war. Es war ein junger Prinz (wie man leicht denken konnte), aber was man so leicht nicht erraten hätte, ist, daß er sich «Himmelblau» nennen ließ: teils, weil seine Augen von dieser Farbe waren, teils, weil er sich den ganzen Sommer durch in himmelblauen Schielertaft zu kleiden pflegte und diese Art von Zeug eine Zeitlang zur Mode gemacht hatte. Er war ursprünglich einer von den Adonissen gewesen, die das Vorrecht haben, den Weibern den Kopf zu verrücken, ohne daß sie recht sagen könnten, warum. Sobald sich einer von diesen privilegierten Herren sehen läßt, so sind die alten Feen gemeiniglich nicht die letzten, welche Jagd auf sie machen; wiewohl mit so schlechtem Erfolge, daß sie längst von dieser kleinen Schwachheit geheilt sein sollten, wenn man sich von einer Schwachheit, die man gerne hat, heilen ließe. Die erste Fee, die sich über Himmelblaus Grausamkeit zu beklagen hatte, nahm ihre Rache auf der Stelle. Sie tat ihm, wie der Zauberer Lupinen getan hatte: der ganze Unterschied war, daß Himmelblau nur für zwei Tage in der Woche mit der vollständigsten Häßlichkeit begabt war, in den fünf andern aber seine angeborne Schönheit behielt. Im übrigen war es mit ihm wie mit Lupinen: häßlich hatte er alle nur ersinnliche Vorzüge des Geistes und Herzens; aber sobald er wieder schön wurde: weg war Seele, Witz, Geschmack und Empfindung; er wurde so kalt und gleichgültig wie eine Bildsäule, sah ohne Gefühl, sprach ohne zu denken, kurz, wurde so albern und abgeschmackt, daß er mit aller seiner Schönheit kaum erträglich war.

Die beiden Tage, wo Himmelblau unter dem Namen Magotin häßlich und gefühlvoll war, waren gerade dieselben, wo Lupine verurteilt war, schön und gleichgültig zu sein; die fünf Tage hingegen, wo sie häßlich und geistvoll war, waren diejenigen, an welchen sich der Prinz im Besitz aller Reizungen und aller Kälte einer schönen Statue befand. In diesem letztern Stande mußte er Liebe einflößen, um jemals daraus befreit zu werden; und was für ihn das mißlichste war, es mußte wahre Liebe und die Liebhaberin eine Dame von Verstand und vortrefflichem Charakter sein. In diesem Stücke war er würklich schlimmer daran als die Fee. Eine häßliche Person kann durch die Schönheit ihrer Seele gefallen; aber daß ein verständiges Frauenzimmer einen gefühllosen Gecken bloß um seiner Figur willen liebgewinne, scheint beinahe eine Unmöglichkeit.

Die Übereinstimmung in Himmelblaus und Lupinens Schicksalen brachte noch eine andere hervor, die man leicht voraussehen konnte. Der Prinz wurde in den zwei Tagen, wo er Magotin war, sterblich in Lupinen verliebt, die dann just ihre zwei schönen Tage hatte; und sie begegnete ihm so unartig und verächtlich, als man es von einem Charakter wie der ihrige erwarten kann. Aber dafür kam auch, sobald die zwei Tage vorbei waren, die Reihe an den Prinzen. Lupine wurde dann wieder auf fünf Tage das häßlichste Geschöpf von der Welt; und der schöne Himmelblau nahm mit seiner Gestalt und seinem Namen auch seine Eiskälte und sein verächtliches Bezeugen wieder an. Die arme Fee gab alle ihre Blicke und Seufzer umsonst bei ihm aus; sie schien nur desto häßlicher zu werden, je zärtlicher sie aussah und je mehr sie zu gefallen suchte.

Bei allem dem sah sich der schöne Himmelblau bald genug von dem Gedränge verlassen, das seine Figur anfangs um ihn her gemacht hatte. Koketten und Prüden, die davon geblendet worden waren und sich viel von ihm versprochen hatten, wurden seiner Kälte und unhöflichen Gleichgültigkeit überdrüssig; die einzige Lupine, die keine Wahl hatte, hielt bei ihm aus. Sie hatte dann doch wenigstens das Vergnügen, allein bei dem, was sie liebte, zu sein und keine Nebenbuhlerin zum Zeugen der Gleichgültigkeit, womit ihr begegnet wurde, zu haben; und das ist kein geringer Trost. Wenn diese Gleichgültigkeit nicht abnahm, so schien sie doch auch nicht zuzunehmen; und auch das ist ein Trost: die Liebe nährt sich von dem leichtesten Anschein von Hoffnung; und Hoffnung ist vielleicht der größte Zauber der Liebe. Auch in diesem Stücke hatte es Himmelblau schlimmer, wenn die Reihe an ihn kam, häßlich zu sein. Lupine, sowenig Unterhaltung auch ihre Liebhaber bei ihr fanden, behielt doch immer einen kleinen Hof von Anbetern um sich. Die Eigenliebe der Mannsleute scheint von einer zähern und hartnäckigern Natur zu sein als der Damen ihre, und es braucht eine weit längere Zeit, bis ein Liebhaber, der das Unglück hat zu mißfallen, sich’s gesagt sein läßt. Und wenn denn auch einem die Geduld ausging, so stellten sich immer wieder zwei neue dafür ein, die ihren eignen Verdiensten und Gaben mehr zutrauten und desto hitziger wurden, das Abenteuer zu versuchen, je mehr Vorgänger dabei verunglückt waren. Himmelblau-Magotin hatte also immer die Demütigung auszustehen, daß ihm unter allen seinen Nebenbuhlern am schlimmsten mitgespielt wurde. Freilich besaß er, zu seinem Glücke, soviel Verstand, daß er noch immer besser als ein andrer davonkam; aber litt er darum weniger?

Ein so stürmischer Hof, wie Lupinens, hatte oft genug lauter neue Gesichter aufzuweisen: der einzige Magotin hielt sie alle aus; keine Mißhandlung konnte ihn ermüden, geschweige zum Abzug bewegen. Anfangs gab niemand darauf acht; aber da es lange genug gewährt hatte, bemerkte man es endlich. Man zog ihn darüber auf, er hielt fest. Seine Beständigkeit schien ein Wunder; die Damen stellten ihre Betrachtungen darüber an: man beschloß Mitleiden mit ihm zu haben und, wo möglich, seine Figur zu vergessen, wenn man ihm auch mit geschlossenen Augen Audienz geben müßte. Man begriff, es müßte was Außerordentliches hinter ihm stecken; kurz, er wurde Mode; und eh‘ man eine Hand umkehrte, war keine Dame von einer gewissen Gattung, die sich nicht eine sehr ernsthafte Angelegenheit daraus gemacht hätte, diesen Liebhaber der schönen Unerträglichen zu entführen. Denn unter diesem Namen war Lupine in ihren zwei schönen Tagen bekannter als unter ihrem eigenen.

Die Geschichte sagt nicht, ob Magotin alle die Gütigkeit, womit man ihn auf einmal überhäufen wollte, so wie man es von ihm erwartete, beantwortet habe. Lupine, die ihn abscheulich gefunden hatte, da er ihr so unablässig aufwartete, fand ihn nun ebenso abscheulich wegen seiner Abwesenheiten und strafte ihn mit gleicher Strenge für beides; jeder Vorwand war ihr recht, wenn sie ihn nur quälen konnte.

Man will bemerkt haben, daß ein Fratzengesicht, wenn es einmal in die Mode gekommen ist, das Talent hat, sich länger darin zu erhalten als ein anderes; der Geschmack, den die Damen all ihm finden, wird, ehe man sich’s versieht, eine ordentliche Wut.

Eine gewisse Fee, die man Confidante hieß, war die einzige am ganzen Hofe, die noch keine besondern Konversationen mit dem Prinzen Magotin gehabt hatte. Diese Fee Confidante war zum wenigsten ebenso schön als Lupine, aber sie war noch unempfindlicher; und in Rücksicht dieser allgemein bekannten Tugend verziehen ihr die übrigen Feen ihre Schönheit. Wiewohl diese letztere eben keine gute Eigenschaft an einer Confidante ist, so setzte man demungeachtet ein großes Vertrauen in sie. Niemand hatte sich noch übel dabei befunden; es war die beste, gefälligste, harmloseste Seele von einer Fee am ganzen Hofe. Man konnte ihr in einem ganzen Tage nicht mehr als zwei oder drei unbesonnene Streiche und ebensoviel grillenhafte Einfälle vorwerfen. Ein so gleichförmiges Charakter ist was Seltenes; auch machte sie der ihrige bei allen ihren Gespielen außerordentlich beliebt. Sie erfuhr also alles, was die übrigen von Magotins Verdiensten wußten; und sie erfuhr soviel davon, daß die Neugier, die Tochter und Mutter aller Übel unterm Monde, ihr endlich den bösen Gedanken eingab, den Prinzen allen seinen Beschützerinnen zu entführen.

Unter allen den kleinen Tyrannen, die sich anmaßen, den Kopf einer Schönen zu regieren, ist Neugier oder Vorwitz (wie man’s lieber nennen will) der allerunbeschränkteste, wiewohl es sonst noch einige sehr mächtige gibt; aber sobald er spricht, schweigen sogleich alle andern und stehen seinen Winken zu Gebot. Die Fee Confidante hatte alle Augenblick Gelegenheit, mit Magotin zu sprechen, denn sie war immer mit tausend kleinen unbedeutenden Aufträgen von ihren Freundinnen an ihn beladen. Bisher hatte sie immer in fremdem Namen mit ihm gesprochen; aber nun, da ihre Partie genommen war, sprach sie für ihre eigene Rechnung und nicht so undeutlich, daß der Prinz, der seit kurzem große Aufschlüsse über das Geheimnis des weiblichen Herzens bekommen hatte, nicht sehr gut erraten hätte, was er erraten sollte. Er erriet sogar noch mehr; und das bewies eben, daß er sich aufs Raten verstand.

Confidante war nur vorwitzig; aber sie war es auf eine so passionierte Art, daß ihr Vorwitz wie Liebe aussah. Die Freundinnen, deren Vertraute sie gewesen war, blieben nicht lange im Irrtum und empfanden ihre Treulosigkeit, wie man sich’s vorstellen kann. Die Beleidigung war gemeinschaftlich, die Rache mußte es nicht minder sein. Kurz, man trat in eine ordentliche Verbindung zusammen, ihr ihren Magotin wieder abzusagen; und man trieb die Sache mit solchem Eifer, daß Confidante, die sich aus bloßem Vorwitz vielleicht kaum vierundzwanzig Stunden mit dem kleinen Scheusal abgegeben hätte, nun einen Ehrenpunkt daraus machte, ihn zu behaupten, sobald sie sah, daß man sie mit Gewalt aus dem Besitze werfen wolle.

Lupine wurde in diesen Umständen als die geschickteste Person betrachtet, die zusammen verschwornen Feen an Confidanten zu rächen: die Leidenschaft des Prinzen für sie war bekannt, und es kostete sie nur einen Blick, um ihn auf immer von ihrer Rivalin abzuziehen. Aber die Schwierigkeit war, ihr den Willen dazu zu machen. Von Liebe oder Vorwitz war hier nicht die Rede, die schöne Lupine hatte für diesen sowenig Empfänglichkeit als für jene; man bemühte sich also, ihr wenigstens Eifersucht über ihre Nebenbuhlerin beizubringen.

Man würde sich sehr betrügen, wenn man sich einbildete, daß die Eifersucht einer Schönen immer Liebe voraussetze. Sie kann ebensowohl aus bloßer Abneigung gegen eine Rivalin, aus Eitelkeit, Stolz und Begierde nach einem Vorzug entstehen, wovon man zwar keinen Gebrauch für sich selbst machen will, aber sich doch auch nicht entschließen kann, ihn einer andern zu überlassen. Diese Art von Eifersucht war es, was die Feen Lupinen in den Busen hauchten; und die erste Frucht davon war, daß sie Confidanten so herzlich zu verabscheuen anfing, als man nur wünschen konnte. Noch liebte sie den Magotin nicht; aber sie hatte eine ganz sonderbare Lust, beide recht unglücklich zu sehen. Sie machte sich eine Freude und ein Geschäfte daraus, ihnen heimliche Streiche zu spielen, ihre Unterredungen zu stören und ihre Zusammenkünfte rückgängig zu machen. Bald affektierte sie ein schmachtendes und zärtliches Wesen, auf eine Art, die den Prinzen hoffen ließ, daß es ihm gelten könnte, bald setzte sie ihn wieder in Unruhe und Verzweiflung; aber beides immer auf den Moment, wo es für ihre Rivalin nicht ungelegner kommen konnte. In den Augenblicken, wo Magotin Confidanten hätte sehen können, hielt sie ihn auf, hatte zwanzig Fragen an ihn zu tun, hörte ihm mit anscheinender Teilnehmung zu und schien etwas auf dem Herzen zu haben, das er für einen Anfang von Liebe halten mußte; in andern hingegen, wo sie von Confidanten nichts zu besorgen hatte und wo Magotin die Belohnung für die Opfer, die man von ihm gefordert hatte, zu erhalten hoffte, begegnete sie ihm wieder mit einer Härte, die ihn zur Unsinnigkeit hätte treiben mögen. Bei allem dem sah sie ihn öfter und länger als ehedem, war mehr allein mit ihm, und das Ende von dieser ganzen Komödie war, daß es die nehmliche Würkung bei ihr hervorbrachte, die der Vorwitz bei Confidanten gehabt hatte: sie spielte die Eifersüchtige und die Verliebte so lange, bis sie es im Ernste wurde. Und so hat Amor seine Kurzweile mit unsern Anschlägen; so enden sich alle seine Spiele!

Sobald Lupine ihres Übels gewahr wurde, gab sie sich alle Mühe, es zu verheimlichen; eine Mühe, die man sich, in ihrem Falle, ebensowohl ersparen könnte; denn sie dient zu nichts, als das, was man verbergen will, desto sichtbarer zu machen. Diese Veränderung zog gar bald eine andere nach sich: so wie Magotin geliebt zu werden anfing, verminderte sich seine Häßlichkeit. Es ging so langsam mit dieser Verwandlung zu, daß sie für andere Leute beinahe unmerklich war; aber in Lupinens Herzen und in ihren Augen ging es desto schneller. Mit jedem Male, wo sie ihn wiedersah, fand sie ihn liebenswürdiger; und das war gerade, was er brauchte, um es immer mehr zu werden.

Diese angehende Liebe konnte den übrigen Feen nicht lange verborgen bleiben; sie sahen sich dadurch an Confidanten gerochen; und in Rücksicht auf Lupinens Charakter zweifelten sie nicht, sich bald genug auch an Magotin gerochen zu sehen. Sie vergaßen, daß die Liebe, die so viel Wunder zu tun vermag, auch Seelen umgestalten und neue Sinnesarten machen kann.

Während alles dies mit Lupinen der Schönen und Himmelblau dem Häßlichen vorging, kam ein glücklicher Zufall auch Lupinen der Häßlichen zustatten. Es trug sich nehmlich zu, daß der Schöne Himmelblau, da er einsmals seine Gleichgültigkeit und seine Reizungen in einem benachbarten Gehölze spazierenführte, von einer Räuberbande angefallen wurde; er setzte sich, wie man leicht erachtet, mit großer Tapferkeit zur Wehre, verwundete verschiedene und verjagte die übrigen; aber er kam mit einer Wunde zurück, die er durch einen Pfeilschuß an der linken Hand bekommen hatte. Die Verwundung war an sich sehr unbedeutend; aber unglücklicherweise war der Pfeil vergiftet, und der Wundarzt gab mit aller in solchen Fällen gebräuchlichen Behutsamkeit zu verstehen: das einzige Mittel, den Prinzen zu retten, sei, je bälder, je lieber eine Person zu finden, die sich entschließen könne, das Gift aus der Wunde zu saugen.

Der Wundarzt hatte kaum ausgeredet, als Lupine, in Tränen zerfließend, sich der Hand ihres Geliebten bemächtigte und, wie sehr er sich auch dagegen sträubte, sie nicht eher wieder fahrenließ, bis sie alles Gift, das bereits in das Blut eingedrungen sein konnte, ausgezogen hatte. Welcher Unempfindliche hätte nicht in einem solchen Augenblicke eine Seele bekommen? Der Prinz, der von dieser edelmütigen Liebesprobe mehr als von seiner eigenen Gefahr gerührt wurde, betrachtete Lupinen mit Tränen in den Augen, ohne daß er ein Wort herausbringen konnte. Aber wie groß war sein Erstaunen, sie auf einmal so schön zu finden, als sie ihm wenige Augenblicke zuvor häßlich vorgekommen war! War es die Schönheit dieser Handlung oder das Auge der Liebe, womit er sie ansah, oder nicht vielmehr beides zugleich, was sie so schön machte? Genug: Hochachtung, Mitleiden und Dankbarkeit bemeisterten sich seines Herzens auf ewig. Von dem Augenblicke, da er Lupinen mit diesen Empfindungen ansah, war sie nicht mehr die vorige. Ihre Häßlichkeit verschwand, sie erhielt ihre ursprünglichen Reizungen wieder, seine Zärtlichkeit wurde Liebe; in einem Nu war sie die schönste aller Feen und er der gefühlvollste aller Liebhaber. Die schöne Lupine hörte auf, unempfindlich, die gefühlvolle Lupine hörte auf, häßlich zu sein; Himmelblau war nicht mehr Magotin, und Magotin war der liebenswürdigste aller Prinzen. Sie erkannten sich nun für diejenige, die einander unter jener zweifachen Gestalt so viel Leiden verursacht hatten. Die Sache wurde bald auch allen übrigen bekannt, und jedermann wollte es schon lange gemerkt haben, wiewohl kein Mensch vorher daran gedacht hatte.

Die Königin der Feen, die sich zuvor nicht in ihre Angelegenheiten gemischt hatte, tat es nun bloß, um die Wünsche der Liebenden zu krönen und sie auf ewig miteinander zu vereinigen. Lupine teilte Himmelblauen ihre Unsterblichkeit mit, und noch jetzt sind sie so glücklich, als ob jeder Tag ihres Lebens der erste ihrer Liebe wäre.

Quelle:
(Christoph Martin Wieland – Dschinnistan oder Auserlesene Feen- und Geistermärchen)

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