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Von der schönen Wirthstochter

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Es war einmal eine Frau, die hielt ein Wirthshaus, in dem sie Reisende beherbergte. Sie hatte auch eine Tochter, die war so schön, daß man nichts Schöneres sehen konnte. Die Mutter aber konnte sie gar nicht leiden, eben weil sie so schön war, und hielt sie immer in einem Zimmer eingesperrt, also daß sie noch kein Mensch erblickt hatte. Nur eine Magd wußte darum, die ihr jeden Tag das Essen brachte.
Nun begab es sich eines Tages, daß der König in dem Wirthshaus übernachten wollte. Als er aber angefahren kam, brachte die Magd dem Mädchen gerade das Essen. Da sie nun eilig abgerufen wurde, vergaß sie die Thüre hinter sich zu schließen, und als die Tochter der Wirthin das bemerkte, ward sie neugierig und wollte auch einmal den König sehen. Da trat sie unter die Thüre, und als der König durch den Gang kam, zog sie sich schnell zurück. Er hatte sie aber doch gesehen und war ganz geblendet von ihrer Schönheit. »Wo ist das schöne Mädchen, das ich auf dem Gang gesehen habe?« frug er die Magd, die ihn bediente. »Ach, Herr König,« antwortete sie, »das ist die Tochter der Wirthin, die ist so gut, als sie schön ist. Die Mutter aber hält sie immer eingeschlossen, also daß noch Niemand sie erblickt hat.« Der König war aber so entzückt von ihrer großen Schönheit, daß er sie zu seiner Gemahlin machen wollte. Weil er nun nicht bei der Mutter um sie anhalten konnte, rief er die Magd zu sich und sprach: »Ich werde einige Tage lang hier bleiben, sprich du mit ihr und frage sie, ob sie meine Gemahlin werden will.« Da ging die Magd zur Tochter der Wirthin und sprach: »Denkt euch nur, Fräulein, der König will euch heirathen, und läßt euch fragen, ob ihr mit ihm fliehen wollt aus diesem Haus, wo ihr es doch so schlecht habt.« »Ach,« antwortete die Arme, »wie könnte ich entfliehen? Meine Mutter hält so strenge Wache!« »Dafür laßt mich nur sorgen,« sprach die gute Magd, ging zum König und sagte: »Ich weiß nur ein Mittel. Ihr müßt morgen verreisen, als ob ihr nach Hause zurückkehrtet. Haltet euch aber in der Nähe auf. Das Fräulein aber muß sich krank stellen, dann werde ich der Wirthin sagen, das käme davon, daß sie immer eingesperrt sei. Läßt sie sie nun mit mir ausgehen, so werde ich sie zu euch bringen. Nehmt mich dann aber auch mit, denn ohne das Fräulein kann ich nicht zurückkehren.« Das versprach der König und am nächsten Morgen that er, als ob er verreisen wollte. Er ging aber nur eine Strecke weit, und blieb dann in einem andern Wirthshaus, ohne sich jedoch als König zu erkennen zu geben. Nun stellte sich die Tochter der Wirthin krank, wollte nicht mehr essen, und nahm immer mehr ab. »Was hat denn nur die Dirne, daß sie krank ist?« frug die Mutter die Magd. »Das arme Kind kann ja nicht anders als krank sein,« sprach die Magd, »wenn man auch immer eingesperrt ist und niemals an die Luft kommt. Laßt sie morgen mit mir in die Messe gehen; die paar Schritte werden sie wieder gesund machen.« Die Wirthin gab es zu, und am nächsten Morgen ging die Magd mit der Tochter in die Messe. Kaum aber waren sie der Mutter aus den Augen, so eilten sie zum König, der hatte den Wagen schon bereit, hob das schöne Mädchen hinein, und fuhr auf und davon. Der treuen Magd aber schenkte er so viel Geld, daß sie mit ihrer ganzen Familie in ein anderes Land ziehen konnte.
Nun kam der König in sein Schloß und führte seine Braut zu seiner Mutter. »Dies ist meine liebe Braut,« sprach er, »und nun wollen wir eine glänzende Hochzeit feiern.« Das Mädchen war aber so schön, daß die alte Königin sie gleich von Herzen lieb gewann. Da wurde ein glänzendes Hochzeitsfest gefeiert und der König und seine junge Gemahlin lebten glücklich und zufrieden zusammen.
Als nun beinahe ein Jahr vergangen war, brach ein Krieg aus und der König mußte auch in den Krieg ziehen. Da sprach er zur alten Königin: »Liebe Mutter, ich muß nun fortziehen; euch empfehle ich meine liebe Frau an. Wenn sie nun ein Kindlein gebären wird, so laßt es mich sogleich wissen und pflegt sie wohl.« Darauf umarmte er seine Mutter und seine Frau und zog von dannen.
Nicht lange, so gebar die Königin ihren ersten Sohn und die alte Königin pflegte sie wohl und schrieb auch gleich dem König einen Brief, um ihm die Geburt seines Sohnes zu melden. Der Bote aber, der den Brief zum König hintragen sollte, mußte in dem Wirthshaus ausruhen, welches die Mutter der jungen Königin hielt. Da er nun hinkam, ließ er sich zu essen geben und während er aß, frug ihn die Wirthin, woher er komme und wohin er gehe. Da erzählte er, wie er gesandt sei, dem König die glückliche Geburt seines ersten Sohnes zu melden. Als die Wirthin das hörte, beschloß sie sich an der Tochter zu rächen, dafür daß sie entflohen war. Als nun der Bote sich ein wenig hinlegte um zu schlafen, zog sie ihm leise den Brief aus der Tasche und steckte ihm einen andern Brief hinein, darin stand, die Königin habe sich schwerer Untreue schuldig gemacht und verdiene die härteste Strafe. Diesen Brief brachte der Bote zum König.
Als nun der König ihn las, ward er über die Maßen traurig, weil er aber seine Frau so lieb hatte, so schrieb er dennoch, die alte Königin solle sie gut pflegen und Nichts thun, so lange er nicht zurück sei. Mit diesem Brief zog der Bote ab. Als er aber an das Wirthshaus kam, kehrte er wieder ein um zu essen. Da frug ihn die Wirthin, ob ihm der König eine Antwort gegeben habe. »Ja wohl,« antwortete er, »der Brief ist in meiner Tasche.« Als nun der Bote nach dem Essen wieder schlief, zog ihm die Wirthin leise den Brief aus der Tasche und steckte ihm einen andern hinein, darin stand, man solle der Königin die Hände abhauen, ihr das Kind auf die verstümmelten Arme binden und sie so in die weite Welt hinausstoßen.
Als die alte Königin den Brief erhielt, fing sie bitterlich an zu weinen, denn sie hatte ihre Schwiegertochter sehr lieb. Die junge Königin aber sprach mit Demuth: »Was mein Herr und Gemahl befiehlt, werde ich thun!« Da ließ sie sich die Hände abhauen, ließ sich das Kind auf den Armen festbinden, daß sie es säugen konnte, umarmte die alte Königin und wanderte weg, weit weg in einen finstern Wald hinein.
Als sie lange Zeit gewandert war, kam sie an ein Bächlein, und weil sie so müde war, setzte sie sich hin. »Ach,« dachte sie, »hätte ich doch wenigstens meine Hände, so wäre ich nicht so hülflos. Ich würde dann meinem Kinde die Windeln waschen und es säuberlich kleiden. So aber wird mein unschuldiges Kindlein wohl bald sterben.«
Während sie so sprach und weinte, stand auf einmal ein alter ehrwürdiger Mann vor ihr, der frug sie, warum sie weine. Da klagte sie ihm ihr Leid und wie sie so unschuldig so schwere Strafe dulden müsse. »Weine nicht,« sagte der Alte, »und komm mit mir, du sollst es gut haben.« Da führte er sie ein Stück weit in den Wald, dann schlug er mit seinem Stock in die Erde und alsbald erschien da ein Schloß, das war noch viel schöner, als das königliche Schloß, und ein Garten war dabei, wie ihn der König nicht besser hatte. Der Alte aber war der heilige Joseph und war gekommen, der armen, unschuldigen Königin beizustehen.
Nun lebte die Königin mit dem heiligen Joseph und mit ihrem Kinde in dem schönen Schloß und weil sie so gut war, ließ ihr der heilige Joseph ihre Hände wieder wachsen. Das Kind aber wurde groß und stark und wurde mit jedem Tage schöner. – Lassen wir nun die Königin und sehen wir uns nach dem König um.
Als der Krieg zu Ende war, kehrte er traurig in sein Schloß zurück, denn die Untreue seiner Frau brach ihm schier das Herz. »Wo habt ihr meine Frau hingethan?« frug er seine Mutter. »Ach, du böser Mann,« antwortete weinend die alte Königin, »wie konntest du deiner unschuldigen Gemahlin so schweres Leid anthun?« »Wie!« rief er, »habt ihr mir denn nicht geschrieben, sie hätte sich schwerer Untreue schuldig gemacht?« »Ich hätte dir das geschrieben?« sagte die Königin, »ich meldete dir die glückliche Geburt deines Sohnes und du antwortetest mir, ich solle ihr die Hände abhauen lassen und sie mit ihrem Kinde in die weite Welt hinausstoßen.« »Das habe ich nie geschrieben,« rief der König. Da holten sie Beide ihre Briefe herbei und Beide sagten, diesen Brief hätten sie nicht geschrieben. »Ach, mein armes, unschuldiges Kind,« jammerte die alte Königin, »jetzt bist du gewiß schon lange todt!« Da war große Trauer im Schloß und der König wurde so schwermüthig, daß er in eine schwere Krankheit verfiel, und als er endlich wieder genas, blieb er dennoch immer traurig.
Eines Tages nun sprach die alte Königin zu ihm: »Mein Sohn, das Wetter ist so schön, willst du nicht ein wenig auf die Jagd gehen? Vielleicht zerstreut es dich.« Da bestieg der König sein Pferd und zog traurig in den Wald hinein, ohne zu jagen, und weil er so traurig war, achtete er nicht auf seinen Weg und verirrte sich bald in dem dichten Wald. Sein Gefolge aber wagte nicht, ihn anzusprechen. Als es schon fast dunkel war, wollte der König umkehren, aber Niemand wußte mehr den richtigen Weg und so geriethen sie immer tiefer in den Wald. Endlich sahen sie von weitem ein Licht brennen und da sie darauf losgingen, kamen sie endlich an das schöne Schloß, in welchem die junge Königin wohnte. Da klopften sie an, und der heilige Joseph machte ihnen die Thür auf und frug nach ihrem Begehr. »Ach, guter Alter,« antwortete der König, »könnt ihr uns für diese Nacht ein Obdach geben? Wir haben uns verirrt und finden nicht mehr den Weg nach Haus.« Da ließ sie der heilige Joseph eintreten, bewirthete sie und wies ihnen gute Betten an. Die Königin aber und ihr Sohn ließen sich nicht sehen.
Am nächsten Morgen, während der König frühstückte, ging der heilige Joseph zur Königin und sprach: »Der König hat hier übernachtet; jetzt ist der Augenblick gekommen, wo deine Leiden enden werden.« Da zog die Königin ihren Sohn fein säuberlich an, und der heilige Joseph hieß ihn hineingehen zum König und ihm die Hand küssen und sprechen: »Guten Morgen, Papa, ich möchte auch mit euch frühstücken.« Als der König nun das schöne Kind erblickte, ward er sehr gerührt und wußte doch nicht warum. Da ging die Thür auf und die junge Königin trat mit dem heiligen Joseph herein und verneigte sich vor ihm. Da erkannte der König seine liebe Gemahlin und schloß sie voll Freude in seine Arme und umarmte auch seinen kleinen Sohn. Der heilige Joseph aber trat zu ihnen und sprach: »Alle eure Leiden sind nun zu Ende. Lebt glücklich und zufrieden, und wenn ihr einen Wunsch habt, so ruft mich an, denn ich bin der heilige Joseph.« Damit segnete er sie und verschwand. Zugleich verschwand auch das Schloß und der König und die Königin mit ihrem Sohn und ihrem Gefolge standen im Wald. Vor sich aber sahen sie den Weg, der sie aus dem Walde hinaus und in ihr Schloß zurück führte. Da kamen sie zur alten Königin, die freute sich von Herzen, ihre liebe Schwiegertochter und ihren kleinen Enkel wiederzusehen. Da lebten sie glücklich und zufrieden, Alle zusammen, wir aber gehen leer aus.

[Italien: Laura Gonzenbach: Sicilianische Märchen]

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