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Warum Sonne und Mond einander meiden

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Sonne und Mond waren früher einmal Freunde. Eines Tages aber sprach die Sonne zum Mond: „Wir sind im Laufe der Jahre recht schmutzig geworden. Ich finde, es wäre gut, einmal wieder zu baden.“ – „Recht hast du“, meinte der Mond, „ich mache mit!“ Darauf schlug die Sonne vor: „Ich bade im Oberlauf des Flusses und du im Unterlauf. Wenn du das Wasser zischen und brodeln hörst, weißt du, dass ich hinein gestiegen bin.“ Der Mond war einverstanden. Da wanderte die Sonne flussaufwärts zu der bezeichneten Stelle und befahl ihren Leuten, Brennholz zu schlagen und herbeizuschaffen. Andere erhielten den Auftrag, Termitenbauten zusammenzutragen. Nachdem beides geschehen war, hieß die Sonne sie ein großes Feuer entfachen und die Termitenbauten hineinwerfen. Die rot glühenden Termitenbauten mussten die Leute dann auf Befehl der Sonne ins Wasser schleudern. Das gab nun ein gewaltiges Zischen und Brodeln. Dampf stieg auf und erfüllte weithin die Luft.

Als der Mond das sah und hörte, glaubte er, die Sonne hätte entsprechend ihrer Vereinbarung gehandelt, und stieg mit allen seinen Leuten in den Fluss. Sogleich überlief ihn ein kalter Schauer und – alle Wärme und aller Glanz waren verschwunden. Traurig stieg der Mond aus dem Wasser.

Bald darauf rief die Sonne ihm zu: „Bist du fertig?“ Und der Mond antwortete: „Es ist alles erledigt.“ – „Wir wollen zur Stadt zurückkehren“, meinte nun die Sonne. Sie erschien mit ihren Begleitern in strahlendem Glanz, wärmer und herrlicher leuchtend als je zuvor. Als der Mond das sah, wurde er noch trauriger und fragte die Sonne: „Warum hast du mich betrogen?“ – „Warum hast du denn nicht ein wenig überlegt?“ erwiderte sie. „Du hast mich betrogen“, beharrte der Mond. Aber die Sonne entgegnete nur: „Ach, hör schon auf!“

Fünfzig Jahre waren seitdem vergangen. Die Sonne hatte die alte Geschichte längst vergessen, nicht aber der Mond. Eines Tages bemerkte er zur Sonne: „Warum sind unsere Leute in letzter Zeit nur so aufsässig? Sie gehorchen gar nicht mehr so wie früher!“ – „Das macht mir ebenfalls Sorgen“, erwiderte die Sonne. „Wäre es nicht am besten“, schlug darauf der Mond vor, „wir töten unsere Leute?“ Die Sonne war einverstanden, und der Mond bestimmte nun: „So gehe ich flussaufwärts und töte dort meine Leute, du aber gehst flussabwärts und bringst deine Leute dort um.“

Als die vereinbarte Zeit herangekommen war, begab sich jeder an den bezeichneten Platz. Der Mond befahl seinen Leuten: „Fertigt schnell so viele Rotkugeln, wie ihr könnt, mehr als tausend!“ Als das geschehen war, ordnete er an: „Werft sie alle ins Wasser.“ Da färbte sich das Wasser rot wie Blut. Die Sonne sah das rote Wasser heran fließen und glaubte, der Mond hätte das Vorhaben ausgeführt. Da brachte sie alle ihre Leute um.

„Sind deine Leute tot?“ rief ihr der Mond zu. Und die Sonne antwortete: „Ja, sie sind tot.“ – „Hast du auch keinen vergessen?“ vergewisserte sich der Mond noch einmal. „Nicht einer ist mehr am Leben“, erklärte die Sonne. „Wir wollen jetzt zur Stadt zurückkehren“, rief nun der Mond, „ich bin ebenfalls soweit.“

Als die Sonne den Mond mit allen seinen Leuten kommen sah, fragte sie ihn: „Warum hast du mich betrogen?“ Der Mond entgegnete: „Findest du denn so etwas nicht schön?“ – „Keineswegs!“ gab die Sonne zur Antwort, „du hast sehr böse gehandelt!“ – „Nein, ich habe durchaus nichts Unrechtes getan!“ erwiderte ihr der Mond. „Hast du vergessen, was du mir vor Jahren zugefügt hast?“ Die Sonne erklärte, sie könne sich nicht mehr daran erinnern. Da sprach der Mond: „Ich ziehe meine Bahn, aber ich leuchte nicht mehr warm wie einst, weil du mich betrogen hast. Heute nun traf dich die Vergeltung: Du hast all deine Leute getötet und musst jetzt allein deine Bahn ziehen. Ich aber habe ein großes Gefolge. Darüber freut sich mein Herz.“

Seit dieser Zeit meiden Sonne und Mond einander.

(Märchen aus Kamerun)

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