Das Häuschen hatte nur einen Raum und weiß gekalkte Wände. Ein winziger Stall lehnte sich daran. Davor stand ein knirschender Ziehbrunnen. Dahinter lag ein Stück Feld und ein Gärtchen. Yann Devezour, das war der Name des Bauern, besaß als einziges Vermögen eine Frau, eine Kuh und ein Schwein. Die Frau hieß Margodig, die Kuh Lourenn und das Schwein, tja, falls das Schwein einen Namen gehabt hat, so habe ich ihn vergessen.
Ich weiß nicht, welcher traurige Wicht es war, der das Schießpulver erfunden hat, aber ich weiß bestimmt, daß es nicht Yann Devezour war, und gewiß war es auch nicht seine Frau Margodig gewesen.
Eines Tages, als Yann die Felder seines Herrn gepflügt hatte, auf der anderen Seite des Hügels, noch jenseits des Kastanienwaldes, kam er zu spät zum Essen nach Haus, und die Suppe auf dem Tisch war schon kalt geworden.
Margodig war außer sich und beschimpfte ihren Mann : »Schämst du dich nicht? Trödelst herum und läßt dir Zeit! Jesusmariaundjosef! Was hat mich nur dazu gebracht, dich Nichtsnutz zu heiraten. Es ist ein Elend. Es ist dir wohl völlig gleichgültig, wenn ich mich abrackere für dich. Du tust, was dir gefällt. Du Faulenzer! Du Säufer! Du Nichtsnutz! Ich habe mir solche Mühe gegeben, damit das Essen zur Zeit auf dem Tisch steht, und was tut der Herr? Er läßt auf sich warten, bis schließlich die Suppe kalt geworden ist. Du verdienst es, daß ich meinen Besenstiel auf deinem Rücken zerbreche!«
»Beruhige dich doch, Margodig« , antwortete Yann eingeschüchtert, »du weißt doch auch, daß die Felder von Mein’ar Vein am anderen Ende des Gutes unseres Herrn liegen. Das ist ein schönes Stück Weg. Und ich konnte doch nicht heimkommen, ehe meine Arbeit fertig war .«
»Du hättest ja schneller damit fertig werden können, gehörnter Esel, der du bist. Ich kenne keinen, der so bummelt wie du.«
» Nein, der Fehler liegt wirklich nicht bei mir. Erinnere dich doch, daß du es warst, die mir vor zwei Jahren mit einem Muslöffel ein Bein gebrochen hat.«
»Du hattest diese Strafe wohl verdient, du Kalb. Bist du nicht, wenn Markt war, von einem Bistro ins andere gezogen mit einem ganzen Haufen deiner Sorte?«
»Mag sein, aber seither schleppe ich ein Bein nach, und die Arbeit geht mir viel schwerer von der Hand.«
» Um Ausreden warst du nie verlegen. O Jesus. Was für eine Plage ist dieser Mann. Von dieser Sorte brauchte es zehn, um einen einzigen rechten daraus zu machen.«
So ging die Litanei noch eine ganze Weile weiter, eine Litanei, wie sie in keinem Meßbuch zu finden ist, und schließlich verlor Yann die Geduld.
»Jetzt reicht’s mir aber! Schließlich mache ich mich kaputt, um das Stückchen trockenes Brot zu verdienen. Da muß ich mich doch nicht auch noch beschimpfen lassen. Du jammerst mir die Ohren voll dafür, daß ich meine Arbeit so gut tue, wie ich es eben kann. Wenn du dir einbildest, daß es so einfach ist, pünktlich nach Hause zu kommen, genau in dem Moment, da du die Suppe vom Feuer nimmst, und keine Sekunde später, dann kannst du ja mal meine Arbeit tun, und ich tu deine.«
»Gut, einverstanden. Ab morgen wollen wir es so halten.«
»Der Klee muß im Park von Tri-C’horn geschnitten werden.«
»Das mach ich. Aber du mußt das Zimmer kehren, Wasser holen, Staub wischen, das Schwein füttern, die Kuh melken, die Butter schlagen und das Mittagessen kochen. «
»Wenn das alles ist. Das sind doch Lappalien !«
Am anderen Morgen, mit dem ersten Hahnenschrei, band Yann sich die Schürze seiner Frau um, zündete das Feuer an und setzte den Kaffee auf. Margodig schlüpfte in die Jacke ihres lieben Mannes und setzte sich dessen alten Hut auf. Nachdem sie schnell das Frühstück heruntergeschlungen hatte, sagte sie mit wichtigtuerischer Miene im Hinausgehen:
» Und daß mir ja das Essen auf dem Tisch steht, wenn ich von der Arbeit heimkomme!«
Dann nahm sie eine Sichel von der Wand und machte sich auf den Weg zum Park von Tri-C’horn.
Aber, so werdet ihr nun sagen, falls ihr auch nur ein bißchen etwas von Landarbeit versteht, man nimmt doch keine Sichel, um Klee zu schneiden. Ich kann nichts dafür, aber es war so. Margodig nahm nicht die Sense, weil sie nicht mit ihr umzugehen verstand.
Unterdessen machte Yann sich zuversichtlich an die Reinigung des einzigen Zimmers. Er wußte nicht recht, was er mit dem zusammengekehrten Dreck anfangen sollte. Er entschied sich schließlich, ihn zum Schweinefutter zu werfen. Da gerade machte das Biest von Schwein einen Lärm wie tausend Teufel, denn gewöhnlich hatte Margodig zu dieser Zeit schon immer längst seinen Trog gefüllt und ihm die Tür geöffnet, damit es sich vor dem Haus suhlen könne. Yann beeilte sich, um seinen Pflichten nachzukommen, und er überlegte, was es nun noch zu tun gäbe.
» Margodig sagte doch etwas von Buttern. Das wird es wohl sein, was jetzt dran ist. Also los. Ich werde ihr schon zeigen, was ich alles kann.«
Er goß Sahne ins Butterfaß, packte den Stößel, und los ging’s! Wenn er auch nicht den rechten Takt herausbekam – er ersetzte das durch Kraft. Noch nie war die Sahne mit solchem Kraftaufwand geschlagen worden. Große Schweißtropfen liefen ihm übers Gesicht.
»Sapristi. ..da wird’s einem aber warm. Und durstig wird einem auch. Ich glaube, ein Glas Cidre würde mir jetzt guttun.«
Er stellte das Butterfaß hin und stieg in den Keller hinunter, um etwas gegen seine trockene Kehle zu tun.
Als er aber zurückkam, welches Schauspiel bot sich ihm da! Das Butterfaß war umgekippt und ausgelaufen, und das Biest mit dem Korkenzieherschwanz saß mittendrin und grunzte zufrieden.
Bei diesem Anblick ergriff unseren Yann ein gerechter Zorn. Er packte ein Taburett und zerbrach es auf dem Kopf des Schweines. Das Tier brach, ohne einen Laut von sich zu geben, tot zusammen. Es rührte sich nicht mehr. Es war so tot, wie nur ein Schwein tot sein kann.
Yann betrachtete nachdenklich die Szene. Die Bilanz war leicht zu ziehen: keine Butter mehr, kein Schwein mehr, kein Stuhl mehr. Margodig würde bei ihrer Heimkehr kaum großes Lob spenden.
In diesem Augenblick erscholl aus dem Stall ein langes klagendes Muhen.
»Zum Kuckuck!« sagte Yann, »die arme Lourenn habe ich ja ganz vergessen. Sie brüllt vor Hunger. Das arme Vieh ! Ich muß ihr helfen.«
Er ging in den Stall und band die Kuh los. Aber es war schon zu spät, um sie auf die Weide zu bringen.
»Ich weiß, was ich mache«, sagte sich Yann, »wächst nicht auf unserem Dach genug Gras! Es sprießt ja nur so aus dem halbverfaulten Stroh hervor. Ich lasse Lourenn einfach auf dem Dach grasen.«
Es war nicht schwierig, die Kuh auf das Dach zu hieven, denn das Dach reichte auf der Gartenseite bis auf den Boden herab. Es mißfiel der Kuh nicht einmal, auf dem Dach zu weiden, und sie begann sogleich, das Gras abzuraufen. Unter ihren Vorfahren schien es Kühe aus den Pvrenäen
oder aus den Schweizer Alpen gegeben zu haben, die so steile Hänge gewohnt waren. Trotzdem stieß sie von Zeit zu Zeit ein trauriges Muhen aus, aber es fiel Yann überhaupt nicht auf, daß er vergessen hatte, sie zu melken. Er dachte nur daran, daß sie vielleicht ausreißen könnte, und er sprach bei sich :
» Das fehlte noch, daß ich dich auch noch verliere. Aber nur Ruhe. Ich weiß schon, wie ich auf dich aufpassen kann, während ich die Suppe aufsetze. Ich bin schließlich nicht auf den Kopf gefallen. Ich werde jetzt ein Seil holen, ziehe es durch den Rauchfang und binde es mir am Bein fest. So werde ich jede deiner Bewegungen spüren. Solltest du versuchen, fortzulaufen, so kann mir das nicht verborgen bleiben, und ich zerre dich einfach am Strick wieder zurück. «
Gesagt, getan. Er ließ das Seil durch den Kamin herab, zog es durch das Zimmer und setzte den Kessel mit der Hafersuppe aufs Feuer .
Bevor er die Suppe umzurühren begann, band er sich das Seil um den Knöchel.
» Was bin ich doch für ein Schlaumeier« , sprach er zu sich, während er eifrig im Topf rührte. » So etwas wäre Margodig nie in den Sinn gekommen !«
Er rührte und rührte. Die Suppe begann zu kochen. Ein angenehmer Geruch stieg aus dem Kessel. Da plötzlich brach auf dem Dach ein Höllenlärm los, und Yann wurde, ehe er noch recht begriffen hatte, wie ihm geschah, in die Höhe gezogen. Mit dem Kopf nach unten hing er im Kamin, gerade über der kochenden Suppe.
Was war geschehen ?
Nachdem die gute Lourenn auf dem Dach die eine Seite abgeweidet hatte, verspürte sie Lust, über den First auf die andere Seite zu steigen. Dabei war sie ausgerutscht und hatte mit ihrem Gewicht ihren Herrn, der an dem anderen Ende des Seiles hing, in die Höhe gehoben. Hätte nicht der Kesselhaken im Weg gestanden, so wäre Yann durch den ganzen Kamin hochgezogen worden.
So hing nun an beiden Enden des Seiles ein verschrecktes, schreiendes Wesen.
Yann, mit seinem starken Blutandrang im Kopf, konnte sich recht gut vorstellen, was geschehen werde, falls das Seil riß. Die Aussicht, in die kochende Suppe zu fallen, erheiterte ihn nicht gerade.
Glücklicherweise kam bald darauf Margodig heim. Es wurde ihr ganz schwach, als sie ihre Kuh auf dem Dachfirst sah, aber sie nahm sich zusammen und eilte ins Haus, um zu schauen, wo das Seil festhing. Mit Mühe gelang es ihr, Yann aus seiner mißlichen Lage zu befreien. Das erlaubte andererseits auch der armen Kuh, wieder mit der Erde in Berührung zu kommen.
Um niemanden zu schockieren, verzichte ich darauf, hier jene Beschimpfungen aufzuzählen, die Margodig für ihren Mann bereit hatte. Von all den Ausdrücken, mit denen sie ihn bedachte, blieb doch einer für immer an ihm hängen: Yann ar Youd, Suppen Yann.
Aber Margodig bekam auch nichts geschenkt. Die Leute nannten nämlich sie hinfort Margodig Yann ar Youd, Suppen Yann Margodig.
Vielleicht wollt ihr noch hören, ob Margodig mit der Feldarbeit besser fertig geworden ist als ihr Mann mit der Arbeit im Haus. Nun, bei ihr kam es nicht zu einer Kette von Katastrophen. Aber was den Klee angeht, den ganzen Morgen arbeitete sie und bekam nicht einmal einen halben Schubkarren voll zusammen. Aber das war nicht ihr Fehler. Sie hatte keinen Schleifstein mitgenommen für die Sichel, weil sie überhaupt gar nicht wußte, wie man damit umgehen muß.
Märchen aus der Bretagne