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Märchenbasar

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Er wandelt sich zum Esel

Im Aupatale wohnte einst ein sehr habgieriger Müller. Der benutzte falsches Maß und falsche Gewichte, wucherte, log und betrog bei jedem Handel, beutete listig die armen Leute aus, ließ sie, wenn sie nicht bezahlen konnten, unbarmherzig von ihren ererbten Feldern und aus ihren Häusern vertreiben und wurde dadurch immer reicher. Auf diese Weise brachte er auch einen jungen Bauern dazu, daß er alles zurücklassen und den Wanderstab zur Hand nehmen mußte. Traurig stieg der Vertriebene den steilen Aupagrund hinauf, um nach Schlesien auszuwandern, wo er sich als Knecht zu verdingen gedachte. Als er endlich, des Steigens müde, die Mitte der Koppenwiesen erreicht hatte, setzte er sich auf einen Stein und stieß einen tiefen Seufzer aus. Sogleich rauschte und klingelte es hinter ihm im Busch, und ein Esel trabte heran, der einen Sattel auf dem Rücken und ein Glöcklein am Halsband trug. „Bäuerlein warum seufzest du?“ fragte der Esel und blieb vor ihm stehen. Der angesprochene Bauer fiel ob dieser Frage fast aus den Wolken; denn er hatte doch noch niemals ein Tier gesehen, welches sprechen konnte und am allerwenigsten traute er das einem Esel zu. Dann aber gedachte er im Stillen des Berggeistes, in dessen Revier er eingedrungen war, faßte sich ein Herz und erzählte getreulich, was ihn so arg bedrückte und bekümmerte. Und der Esel nickte zu jedem Wort, das der Bauer sprach. Nachdem er ihm so sein ganzes Herz ausgeschüttet hatte, schüttelte der Esel den Kopf, daß die langen Ohren krachend zusammenschlugen, rollte die Augen rechts und links herum, als sei ein großes Gewitter im Anzuge und sprach: „Sitz auf!“ Der Bauer gehorchte. Kaum aber saß er im Sattel, so begann der Esel zu laufen und zu springen, daß dem Reiter die Ohren übergingen. Wie ein Wirbelwind ging’s über die Koppenwiese, blitzschnell hinab durch den Aupagrund, und nach wenigen Augenblicken hielten sie vor der Mühle. Der Müller, der immer nach einem guten Fang auf Lauer lag, trat sofort heraus und fing an, um den Esel zu feilschen. „Gehört er auch dir?“ fragte er als pfiffiger Schacherer. Und der Esel gab Antwort und sprach ganz laut und deutlich: „Ja-!“ Nun wurden die beiden handelseinig um zehn Taler, und der Müller zahlte das Geld. Da er aber ein Betrüger von Grunde auf war, zählte er die Taler nicht in Silber, sondern in alten, schäbigen Kupfermünzen, dem Bauern in den Hut. Und der Esel stand dabei, zählte leise mit und nickte jedes Mal, wenn ein Taler voll war. Als der zehnte Taler bezahlt war, nieste der Esel auf den kupfernen Schatz. Und, o Wunder, jede Münze hatte sich auf der Stelle in einen blanken Dukaten verwandelt. Mit freudigem Jauchzen eilte der Bauer von dannen. Nicht minder vergnügt aber war der Müller, denn er glaubte nichts anderes, als daß er mit dem wunderbaren Esel einen vortrefflichen Kauf gemacht hätte. Rasch eilte er ins Haus, raffte, da er kein Geld mehr hatte, alle Silbergroschen und Taler zusammen, füllte damit einen großen Zuber, stellte ihn vor den Esel und kitzelte ihn, weil er es mit dem Reichwerden eiliger denn jemals hatte, mit einer Gänsefeder in die Nase. Darauf nieste der Esel zweimal. Und, o Schreck!, das ganze Silber das in dem Zuber lag, hatte sich auf der Stelle in lauter Eselsmist verwandelt. Als der Müller sah, roch und fühlte, was der wunderbare Esel angerichtet hatte, wollte er schier vor blasser Wut ersticken. Dann aber ermannte er sich, griff einen derben Stock und begann den Esel ganz fürchterlich zu verprügeln. Der Esel aber schien die höllische Dresche gar nicht zu spüren, sondern er feixte und bockte dazu vor hellem Vergnügen und eitel Schadenfreude. „Warum hast du zweimal geniest, du Untier?“ jammerte der Müller, als ihm der Arm lahm geworden war. „Warum hast du mich in der Nase gekitzelt, du Unmensch?“ gab der Esel zur Antwort. Nun fiel der Müller auf den Hosenboden und starrte den Esel an wie ein Weltwunder. Aber er erholte sich bald, legte den Finger an die Nase und dachte äußerst pfiffig: „Ein Tier, das spricht? Und dazu noch ein Esel! Das ist ein gutes Geschäft! Ich werde mit ihm auf die Jahrmärkte ziehen und ihn für teures Geld sehen lassen.“ Sodann befahl er seinem Knecht, den Esel in den Stall zu tun und ihm das beste Heu aufzuschütten. „Ich fresse kein Heu, nur lauter Gebratenes und Gebackenes!“ brüllte der Esel den Mühlknappen an, daß dieser davonsprang, als ob ihm die ganze Rückseite brenne. „Gib ihm, was er verlangt!“ befahl der Müller. Nun fraß der Esel fünf Schinken, zwölf Hammelschlegel, siebzehn Bratwürste, vierundzwanzig Sauergurken, und einundreißig Rosinenwecken, das Stück zu zweieinhalb Pfund, und war noch lange nicht satt. Als der Müller solches erfuhr, raufte er sich das Haar und wimmerte: „Um Gottes und aller Heiligen Willen!“ In diesem Vieh steckt der Leibhaftige Teufel.“ Und schleunigst schickte er seinen Knecht nach Hohenelbe. Dort lebte im Benediktinerkloster ein wohlbeleibter Prior, der zum lebhaften Kummer seines aufgeklärten Bischofs im ganzen böhmischen Lande einen großen Ruf als Teufelsaustreiber und Satansbanner genoß. Schon am nächsten Tage brach er auf, um die Künste seines geheimnisvollen Handwerks dem verhexten Esel angedeihen zu lassen. Und sehr viel Volk zog mit ihm und begleitete ihn zur Mühle. Als sie dann in den Stahl traten, hub der Esel an zu singen: „Gloria! Viktoria! Der Müller beschummelt alle Leute, er soll nun werden, des Satans Beute.“ Dabei schüttelte er sich, daß das Glöcklein erklang, hüpfte auf und nieder wie ein junges Füllen und schlug mit dem Schwanz den Takt dazu. Und alle entsetzten sich. Der Müller aber bekam einen knallroten Kopf, lief davon, als sei die ganze Hölle hinter ihm her, stürzte über den steilen Felsen ab und brach sich in seinem eigenen Bache den Hals. „Das ist Satans Finger!“ rief der Prior und setzte sich, um im Triumph heimzureiten auf den Esel, der nun so fromm wie ein Lämmchen tat. Aber zwischen Marschendorf und Freiheit blieb er plötzlich stehen, nieste dreimal und sprach: „Auf die Dauer, Herr Prior, seid ihr für mich kleinen Esel doch etwas zu schwer!“ Damit bockte er, daß der Reiter in den Graben kollerte, und er sprang lachend auf und davon. Drei Tage später wurde der Prior abberufen und in die allerdunkelste Gegend versetzt, woher er gekommen war.

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