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Märchenbasar

Rübezahl

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Er bewegt einen Eichbaum

Kurz vor der Hochstadt im Böhmischen wohnte ein Edelmann, der ein Schloß und ein Dorf besaß, den Rotwein über alles liebte, an der Leber und an den Steinen litt und ein ganz übler Tyrann und Wüterich war. Er unterdrückte seine Bauern mit strengen Verboten und schweren Roboten und machte ihnen das Leben so sauer wie nur möglich. Auch seinem einzigen Sohn tat er nichts Gutes, sondern hielt ihn streng, so daß er gar bald sein Herz von seinem Erzeuger abwandte und zu den Unterdrückten hielt. Zuerst tat er es nur heimlich, aber je älter er wurde, umso stärker und offener wurde sein Trotz. Nun hatte der Schulze eine Tochter, die sehr schön war, sodass der Junker sich in sie verliebte und ihr die Ehe versprach. Solches Übertreten der Standesgesetze blieb dem Edelmann nicht lange verborgen, und als er erst dahintergekommen war, erboste er sich und darob über die Maßen und fluchte lauthals los, wie ein türkischer Pascha mit sieben Rossschweifen. Sodann fuhr er zwischen das Pärchen, schickte den Junker schleunigst auf die hohe Schule nach Prag und gebot dem Dorfschulzen, die so überaus feuergefährliche Tochter in ein Nonnenkloster zu sperren und den himmlischen Freuden zu überantworten. Jedoch der Schulze weigerte sich standhaft, solches zu tun, dieweil seiner Tochter der Sinn nach den irdischen Freuden stand und sie von ihrem geliebten Junker um keinen Preis der Welt lassen wollte. Nachdem der Edelmann das vernommen hatte, ergrimmte er sich wie noch nie, leerte drei Flaschen in einem Aufsitzen, knirschte mit seinen zwölfeinhalb Zähnen, die er noch hatte, ballte die Fäuste und sann darüber nach, wie er den ungehorsamen Schulzen gehörig ducken und kurz und klein kriegen könnte. Indessen zog ein Gewitter vom Gebirge heran, und ein schrecklicher Blitz fuhr in die beiden Eichen, die ganz dicht vor dem alten Schloss standen, spaltete die eine bis auf die Wurzel und legte sie, weil sie von oben bis unten hin kernfaul war, fein säuberlich nach beiden Seiten um, ohne weiterhin Schaden anzurichten. Am nächsten Morgen schritt der Edelmann mit dem Schulzen in den Wald, suchte die dickste und höchste Eiche heraus und befahl, sie mit allen Wurzeln auszuheben, vor das Schloss zu fahren und sie daselbst an Stelle des zerschmetterten Baumes einzupflanzen. „Euer Gnaden“, vermaß der Schulze mit schuldigem Respekt zu vermelden, „solch ein Werk geht über Menschenkräfte.“ „Halt er das Maul!“ schnauzte ihn der Edelmann an und wurde vor Gift und Galle buttergelb im Gesicht. „Und tu er, was befohlen ist. Also steht es im Gesetz geschrieben!! Und wer sich wider seinen Lehnsherrn empört, der kommt an den Galgen!!!“ Jetzt holte der Schulze die Bauern vom Felde, grub mit ihnen die Eiche aus und ließ alle Zugtiere des Dorfes vorspannen. Allein der Riesenbaum rührte sich keinen Zoll von der Stelle. „Unser Herr ist ein Narr!“ sprachen die Bauern leise untereinander. „Die barmherzigen Brüder sollten ihn holen, denn er hat einen solchen Sparren, dass er ihn nimmermehr loswerden wird.“ Der Schulze aber begab sich ins Schloss und sprach: „Gnädiger Herr, wir sind viel zu schwach, die Eiche zu bewegen.“ „Faul seid ihr wie Mist!“ brüllte der Edelmann hinter der Rotweinflasche und schüttelte drohend die Fäuste. „Ohne Hilfe bringen wir sie nicht aus dem Loch“, fuhr der Schulze unbeirrt fort. „Ihr Hunde, lasst euch vom Rübezahl helfen!“ tobte der Edelmann und wies ihn vor die Tür. Der Schulze aber begab sich zurück zu den Bauern und sprach: „Der gnädige Herr hat befohlen, daß uns der Rübezahl helfen soll. So wollen wir denn auf diesen Befehl hin unsere Mützen heben und laut rufen: Rübezahl helft uns!“ Aber er kam nicht. „Wohlan, liebe Leute und Nachbarn!“ sprach der Schulze nach einer Weile und setzte sich die Mütze wieder auf. „Er hat es nicht eilig. Warum sollen wir uns daher das Leder zerreißen? Laßt uns die Pferde ausspannen und heim zu Mittagessen gehen.“ Und es geschah also. Des Nachts aber kam ein Sturm vom Gebirge her und warf die zweite Eiche um, die nicht minder kernfaul war als die erste. Und sie fiel auf das Dach des Schlosses, zertrümmerte den ganzen Mittelbau bis ins Erdgeschoß hinab und traf dabei den Edelmann an der linken Schläfe, daß er die Besinnung verlor und drei Tage lang kein Auge öffnen und kein Glied rühren konnte. Als er wieder zu sich kam, stellte sich heraus, daß er alles vergessen hatte, auch das Einmaleins und das ABC und sogar seinen Namen. Er wußte nicht einmal mehr, was ein Edelmann war und wie er sich zu benehmen hat, um sich von dem gewöhnlichen Volke zu unterscheiden, und mußte gefüttert werden wie ein kleines, hilfloses Kind. Einen Monat später brachte ihn sein Sohn, der inzwischen von Prag zurückgekehrt war, zu den Barmherzigen Brüdern nach Reichenberg. Weiterhin fand sich auch ein armer, alter Adliger, der gegen ein gutes Trinkgeld die schöne Schützentochter adoptierte. Und so konnte aus den beiden Liebesleuten doch noch ein glückliches Ehepaar werden. Von Rübezahl aber hat man seitdem nichts mehr gehört. Es raunt im Gebirge, er sei nach Norden gefahren und werde bald wiederkehren.

Sage aus Deutschland

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