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Erlkönigs Tochter

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»Edda,« sagte Hiolm am vierten Tage zu seiner schönen Gefangenen, »du irrst, wenn du glaubst, daß ich dich noch länger gegen deinen Willen hier behalten wollte; du bist frei wie die Luft, die dich umgibt. Nenne mir das glückliche Land, wo du geboren bist, und meine Segel richten sich augenblicklich nach dieser Gegend, und sollten es die cimmerischen Inseln oder das mittägliche Feuerland sein. Aber wenn du nun wieder bei den Deinigen bist, wenn nun diese Augen dich nicht mehr sehen, was soll dann aus mir werden? O Edda! Edda! welche Gewalt übst du über mein Herz! Sage, wer bist du, daß dein erster Blick mich so mächtig bezauberte? Du bist meiner Seele verwandt, ich sah dich heute nicht zum erstenmal! Sage, wo haben dich diese Augen zuerst erblickt? – Mir ist es, als wenn ich dich mein ganzes Leben hindurch rastlos gesucht hätte, und da ich dich nun endlich gefunden habe, soll ich dich denn so gleichgültig wieder hingeben, um dich für immer zu verlieren?«

Edda beantwortete diese Rede mit einer Thräne, die aus ihren schönen Augen rollte. Eine zweideutige Antwort, die Hiolm vielleicht nicht zu seinem Gunsten deutete, zu deren Erklärung sich jedoch Edda selbst bald verstand und dadurch unsern Helden in einen Himmel von Freuden versetzte.

»Hiolm,« sagte das reizende Mädchen, »ob ich dich zuvor gesehen, ob ich dich gesucht und nun gefunden habe, das weis ich nicht, aber daß es mir in deiner Nähe wohl ist, daß mir wehe wird, wenn ich an’s Scheiden denke, das fühle ich; auch möchte ich wohl gern bei dir bleiben, wenn ich wüßte, wie ich das mit gewissen Dingen vereinigen soll, über die ich mich noch nicht aussprechen kann. Hilf mir aus meinen Zweifeln und ich will dir danken!«

»Deine Zweifel sind leicht zu lösen,« sagte er, »du fürchtest dich wahrscheinlich, gegen den Willen deiner Eltern mein zu werden! Laß uns deshalb zu den Deinigen ziehen! Ich bin Hiolm von Seeland, ich hoffe, kein Fürst wird mir seine Tochter versagen!«

»O nein! o nein!« rief sie mit ängstlicher Stimme, »willst du mich an einen Ort zurückbringen, den ich nie wieder verlassen dürfte?«

Diese Worte legte Hiolm als unbedingte Einwilligung aus, und da man also in der Hauptsache einig war, so wurde bald eine Verbindung geschlossen, die in den damaligen Zeiten eben so gut für die Ewigkeit geknüpft wurde, als in den unsrigen, die man aber in jenen einfachen Zeiten nie mit großen Ceremonien begleitete.

Als Hiolm des Jaworts seiner Geliebten gewiß war, führte er sie auf das Verdeck des Schiffs, und schwur ihr im Angesichte des Himmels, der sie gränzenlos umwölbte, und der Sonne, die eben in die westlichen Fluthen wie in ein Feuermeer hinabsank, ewige Treue. Thulis, die Gespielin der Braut, und Hiolms Schiffsvolk waren Zeugen; erstere beobachtete während der ganzen Scene ein nachdenkliches Schweigen, aber letztere ließen ein lautes: Es lebe Hiolm von Seeland und Edda sein Weib! in die Lüfte ertönen, daß von dem lauten Jubelgeschrei die Wallfische aus dem ersten Schlummer auffuhren, die Meergötter die grünen Häupter hervorsteckten, zu sehen, was es gäbe.

»Was hast du gethan?« sprach Thulis zu ihrer Gefährtin, als sie wieder mit ihr allein war. »Ist dies eine Verbindung, die deiner Abkunft entspricht? Und wie denkst du solche vor einem strengen Richter zu verantworten, den du wohl kennst, und dem sie doch endlich kund werden muß?«

»O schweige, schweige!« rief Edda, »daß nicht irgend ein wandernder Geist dich höre und ihm bekannt mache, was er nie spät genug erfahren kann. Was Liebe that, kann vielleicht Liebe entschuldigen.«

»O Edda! Edda!« erwiederte die Gespielin, »was ist aus dir, die sich früher zu gut dünkte, Scandinaviens Königin, oder Fürstin der Insel Mona zu werden, jetzt geworden?«

Nicht Neid oder menschenfeindliche Tadelsucht war es, was aus dem Munde der schönen Fremden sprach, sondern Liebe für ihre Freundin Edda; diese wußte sie indeß bald mit ihrer Wahl auszusöhnen, und da Thulis gestehen mußte, daß Hiolm von Seeland ein Mann ohne Gleichen sei, dessen Vorzüge wohl allenfalls eine Misheirath entschuldigen konnten, so war das vertrauliche Einverständniß zwischen den beiden Gespielinnen bald wieder hergestellt, und eine gelobte der andern, in Lieb und Leid, in Noth und Tod bei einander auszuhalten.

Hiolm wußte nichts von dem, was im Rathe der Damen vorgegangen war, und wäre ihm auch ein Wörtchen davon zu Ohren gekommen, so würde er doch so wenig von diesen Räthseln verstanden haben, als unsere Leser zur Zeit noch davon verstehen. Er fühlte sich an der Seite seiner Edda, die ihm die zärtlichste, liebevollste Gattin war, ganz glücklich, und obgleich heftige Stürme fein Schiff weit hinaus in die nördlichen Gewässer verschlagen hatten, wo in jetziger Zeit, weil es dort gar nicht lieblich zu schiffen ist, kein Segel weht, so achtete er doch die Mühseligkeiten, die Edda mit ihm theilte, wie nichts, und die lange Rückreise in das Vaterland dünkte ihm so kurz, wie die ehemaligen Fahrten nach der Erleninsel.

Ach, wie oft dachte er jetzt der dort verträumten himmlischen Stunden! Was damals seiner kindlichen Seele wie im Schatten vorschwebte, schien ihm jetzt im Arme seiner Edda ein weissagender Traum, der seine Deutung nicht verfehlte. Wie Edda und die Erleninsel zusammen paßten, wußte er eigentlich nicht, aber seine Phantasie verband gern Beide mit einander, vielleicht, weil Edda das, was er ihr von der Erleninsel sagte, so gut zu verstehen und zu beantworten wußte. Nicht Jedermann kann sich in solche Schwärmereien finden, und wenn Hiolm zuweilen einem Freunde Winke von diesen Dingen gegeben hatte, so war er nicht selten verlacht worden. Seine Freundin verlachte ihn nicht, und sie war ihm deshalb um so theurer.

Bei der Eheverabredung zwischen Hiolm und der schönen Edda waren gegenseitig nur sehr wenig Bedingungen gemacht worden, doch war eine darunter, die Edda ihrem Verlobten mit großem Ernste vorgetragen hatte und von der sie durchaus nicht abgegangen war.

»Der Tag,« sagte sie, »der mich zuerst in die Sclaverei brachte, aus welcher du mich rettetest, wird mir ewig unvergeßlich sein! Ich habe gelobt, zu seinem Andenken immer den acht und zwanzigsten jedes Monats mit Beten und Fasten zu feiern. Vier und zwanzig Stunden vor, und vier und zwanzig Stunden nach dieser Zeit werde ich dir stets unsichtbar sein, mich auf mein Zimmer verschließen, und ich verlange es als einen Beweis deiner Liebe, daß du nie einen Versuch machst, mich zu stören. Wärst du im Stande, hiergegen Einwendungen zu machen, so müßte ich auf eine Verbindung mit dir verzichten.«

Wo ist der Bräutigam, der bei solcher Bedrohung nicht zugesteht, was seine Verlobte fordert? Auch Hiolm that es, obgleich es ihm als eine harte Forderung erschien, auf diese Weise jährlich fast einen Monat des Anblicks seiner Geliebten beraubt zu sein. Eifersüchtig war Hiolm zum Glück nicht, auch hatte er, wenigstens während der Schifffahrt, keine Ursache sich etwas Arges unter dem Beten und Fasten seiner Gattin vorzustellen; der Schlüssel zu ihrer Kajüte war in seinen Händen, das Meer war Vormauer gegen alle verbotenen Wanderungen, und die treue Thulis, vor deren tugendhafter Strenge Hiolm große Achtung hegte, schlummerte als Hüterin in dem Vorzimmer der andächtigen Edda.

Endlich ging die lange Seereise zu Ende, und Hiolm sah wieder die weißen Küsten seines Vaterlandes. Er erzählte seiner jungen Gemahlin viel von der Liebe seines Volkes, viel von der Zärtlichkeit, die sein Vater für ihn hege, und von dem frohen Empfange, der daher für ihn und sein anderes Ich zu erwarten sei. – Was das Erstere betrifft, so wurden seine Erwartungen auch einigermaßen erfüllt. Als in Siölund der Ruf erschallte, daß der angebetete Wohlthäter des Vaterlandes, daß der lang erwartete Hiolm vor Anker liege, da strömte alles Volk hinaus, ihn willkommen zu heißen, und wo möglich etwas von der reichen Beute zu erhaschen, die er immer von seinen Streifzügen mit zu bringen pflegte. Als sie aber sein Schiff sahen, das zuletzt noch einen großen Sturm ausgestanden hatte, und jetzt fast mast- und segellos im Hafen einlief, als sie in ihm und seiner Schiffsmannschaft mehr die Gestalten ermatteter Seefahrer als reicher Sieger erblickten, als sie erfuhren, daß Hiolm diesmal ganz arm zurückkehre, weil man dem Meere, um das Schiff zu erleichtern, alle Schätze hatte aufopfern müssen, da ließen sie bald eine gewaltige Verminderung der ersten Freude spüren, und der, der sonst fast keinen Schritt ohne jauchzendes Volksgedränge thun konnte, wurde nicht gehindert, mit seiner Edda und deren Gespielin Thulis, der einzigen Beute, die er mitbrachte, ruhig nach dem Hause Hinrichs von Röschild zu gehen. Ihr Aufzug war freilich nichts weniger als glänzend, denn ihre Kleider waren durch die lange Seereise unscheinbar geworden, und Edda’s Schönheit war ihr einziger Schmuck, die aber, wie bekannt, im geringen Gewande immer nur wenig Aufsehen macht.

War Hiolm schon von dem Volke schlecht empfangen worden, so war dies bei seinem Vater noch mehr der Fall; ersteres war unzufrieden, daß der sonst so beutereiche Held nichts, und Hinrich zürnte, daß er zuviel mitgebracht hatte. Die Schwiegertochter, welche der junge Mann seinem Vater vorstellte, stand demselben gar nicht an; abgetragene Kleider und ein leeres Schiff waren ja keine Zeichen von reicher Mitgift. Der gewinnsüchtige Kaufmann hatte auf eine glänzendere Verbindung für seinen Sohn gerechnet. Die stolze Bemerkung, die Hiolm bei seiner Bewerbung um Edda gemacht hatte, daß Hiolm von Seeland wohl auf eine Fürstentochter rechnen könne, war dem alten Hinrich einleuchtender als irgend Jemand; wie mußte es ihm nun schmerzen, daß sein Sohn alle seine großen Erwartungen um einer Sclavin, einer Bettlerin willen zu nichte gemacht hatte!

Dies waren die Namen, die er der schönen Edda beilegte, sobald er mit seinem Sohne allein war; sie in das Angesicht zu beschimpfen, dazu war der alte Herr doch nicht unhöflich genug, auch hatte sie Etwas an sich, das Ehrfurcht und Schonung gebot.

Hiolm war über das Mißvergnügen seines Vaters tief bekümmert, aber er vermochte nicht, deshalb seine Gattin zu verlassen, wie es sein Vater von ihm verlangte. Er that alles Mögliche, um Hinrich von Röschild mit seiner Wahl auszusöhnen, aber dieser blieb der Mann, der Gold und Größe für das höchste Gut der Erde hielt, und Schönheit und Tugend nur dann eines Blicks würdigte, wenn sie mit dem ersten verbunden waren.

Edda war über den kalten Empfang tief betrübt, aber sie wußte ihre Gefühle gegen ihren Gemahl zu verbergen. Dieser brachte sie und ihre Freundin nach einem kleinen Hause am Ufer der See, welches ihm gehörte, und wo er seine Wirthschaft so sehr einschränkte, als es seine jetzigen Umstände erforderten. Edda ließ sich alles gefallen, und fügte sich mit bewundernswerther Geduld in ein Leben, zu welchem sie wahrscheinlich nicht geboren war. Thulis weinte im Stillen und hütete sich, ihrer Freundin Vorwürfe zu machen, aber Hiolm war immer frohen Muthes und guter Hoffnung. »Meine Umstände,« sagte er zu sich selbst, »müssen sich ändern, es sei auf die eine oder die andere Art. Mein Vater kann nicht ewig hart gegen einen Sohn sein, den er ehemals vergötterte, und säumt er, mir seine helfende Hand zu bieten, so kann ein einziger Zug in die See mir soviel Beute bringen, daß Edda keinen Mangel mehr kennen, das die Liebe meines Volkes, vielleicht auch die Liebe meines Vaters zurückkehren wird.«

Die Hoffnungen, die sich Hiolm machte, täuschten ihn indeß abermals. Zwar nahm er die Trümmer seines kleinen Vermögens zusammen, sein Schiff wieder auszurüsten, zwar wagte er mit demselben verschiedene Streifzüge wider die Seeräuber, die sich in seiner Abwesenheit ziemlich gemehrt hatten, aber er kam immer als der Besiegte zurück, und an Beute war gar nicht zu denken.

Liebe und Achtung sind immer der Schatten des Glücks, und da dieses von ihm gewichen, so war es natürlich, daß auch die beiden andern nicht wiederkehrten. Das Volk sah seinen ehemaligen Retter ruhig an seiner Seite darben, und Hinrich verhärtete sein Herz immer mehr. Weder Hiolms Leiden, noch Eddas Schönheit, noch das Lächeln eines Enkels, den sie ihm um diese Zeit in die Arme legte, konnten zärtliche Gefühle in einem Herzen erregen, das für nichts Sinn hatte, als für Reichthum und Größe.

Zu jener Zeit hatte Edda wieder ihre Bet- und Fasttage abzuhalten; Hiolm gönnte ihr gern die Einsamkeit ihres Zimmers, um auf dem Seinigen gleichfalls einem Grame ungestört nachzuhängen, den er aus Schonung in ihrer Gegenwart nie freien Lauf ließ.

Der hartherzige Vater benutzte die traurige Lage seines Sohnes, um ihn zur Einwilligung in gewisse Pläne zu vermögen, die er ausgebrütet hatte. So wie das Haus des Reichen von Schmeichlern und Augendienern umlagert wird, so schlich um die Hütte des Armen unablässig ein Heer von Spähern und Austrägern, die Alles auskundschafteten. So geschah es, daß Hinrich bald alles wußte, was in Hiolms vier Mauern vorging, und er verstand es, die erhaltenen Nachrichten bestens für seine Pläne zu benutzen.

»Was säumt Hiolm,« ließ er ihm sagen, »das Joch der Armuth und des väterlichen Zornes abzuschütteln, das er um eines Weibes willen trägt, welches keine Aufopferung verdient? Wer ist Edda, daß ihr Gemahl ihr zu Liebe sich dem Elende hingiebt? Hat sie ihm genügende Auskunft über ihre Geburt und ihr Vaterland gegeben? Kann er sich nur der kleinsten freundschaftlichsten Vertraulichkeit von der Falschen rühmen? Was beginnt sie in den Tagen und Nächten, da sie ihn von ihrer Gegenwart verscheut? Sie betet und fastet? – Ha des Wahns! Hiolm belausche sie nur einmal in ihrer Einsamkeit, so wird er die Sachen ganz anders finden!«

Wer weiß, was diese Vorstellungen, mit welchen man dem unglücklichen Manne täglich in den Ohren lag, endlich würden gefruchtet haben, wenn nicht eine weise, freundschaftliche Hand das Unheil abgelenkt hätte.

Die treue Thulis sah das Ungewitter aufsteigen, und hielt es für Pflicht, ihre Freundin zu warnen. »Edda,« sagte sie, »ein böser Geist ist geschäftig, dich und deinen geliebten Hiolm zu entzweien. Ich weiß, daß du es deinem Gatten nicht verzeihen könntest und dürftest, wenn er es wagen sollte, dir deine Geheimnisse zu entreißen, und doch hat er schon freventliche Versuche dazu gemacht. Ich scheue seine Gegenwart, weil er immer jene Geheimnisse zur Sprache bringt, die ich ihm wahrscheinlich enthüllen soll. Den kühnen Fragen werden bald kühne Handlungen folgen, wenn du nicht etwas thust, diesen vorzubeugen.«

Edda verfiel in ein tiefes Nachsinnen. »Wohlan,« rief sie nach einer langen Pause, »der Streich sei gewagt, den ich noch eine Zeitlang aufzuschieben gedachte; es ist besser, das Räthsel zu einer Zeit zu lösen, wo Hiolm noch des für ihn daraus entspringenden Glückes würdig ist, – es ist besser, die verdrüßliche Lage, in der wir sind, jetzt zu ändern, ehe uns die Geduld ausgeht, als die Sache auch nur um einen Augenblick zu verzögern. Was mich betrifft, so fühle ich zwar die Kraft in mir, noch Jahre lang um Hiolms willen zu dulden und ihm Alles zu opfern, aber besitzt er Kraft und Muth, gleich mir auszudauern? – Und was hast du, gute Thulis, verschuldet, um ohne Nutzen und Zweck noch länger mit mir zu leiden?«

Die Freundinen überlegten hierauf mit einander, wie das, was sie im Sinne hatten, am füglichsten einzuleiten wäre, doch konnten sie nicht ganz einig werden; aber am folgenden Morgen mußte Hiolm selbst zu einem Anschlage die Hand bieten, der ohne Zweifel der beste war.

Dieser treue, zärtliche Gatte, der noch keinesweges so nahe daran war, wortbrüchig zu werden, als die ängstliche Thulis meinte, redete seine Gemahlin folgendermaßen an. »Edda,« sagte er, »ich vermag es nicht länger, dich im Elend und Unglück zu sehen, diese Arme müssen dein Schicksal ändern; geht es auf dem bisherigen Wege nicht, so laß uns einen andern wählen; ich gehe nächster Tage wieder in die See, um unser Glück auf andere Weise zu versuchen.«

»Wie?« fragte Edda ein wenig spitz, »kann Hiolm sich entschließen, seine Gattin auf Wochen und Monate sich selbst zu überlassen, die er kaum im einsamen Zimmer sich und der Tugend sicher glaubt?«

»Höre, was ich vorhabe,« erwiederte Hiolm, der ihre Rede nicht verstand oder nicht verstehen wollte. »Du weißt, daß ich nichts besitze, als jenes Schiff, das zu schlecht bemannt, zu schlecht mit Allem versehen ist, als daß ich nochmals einen von meinen gewöhnlichen Streifzügen wider die Seeräuber wagen könnte, die mir überdieß nicht mehr glücken wollen. Ich habe mich daher entschlossen, mich in die Dienste irgend eines großen Königs zu begeben. Noch ist der Name Hiolm von Seeland berühmt genug, mir günstige Aufnahme und großen Sold zu verschaffen, und dieß genügt mir vorläufig. Für die Zukunft haftet mein Schwert; der Himmel wird ihm ja endlich wieder günstig werden, und es mit der alten Stärke wirken lassen! Bete für mich, du fromme Dulderin, daß dein Hiolm wieder das Schrecken der Feinde werde, was er vormals war.«

Edda wurde von Hiolms Erklärungen bis zu Thränen gerührt. Wie konnte sie wider diesen Mann Zorn oder Verdacht im Herzen hegen? Widerlegten nicht seine Worte alle ihre Besorgnisse? – Sie fühlte, daß diese wenigstens vor der Hand ganz unnöthig gewesen, doch was sie für den wankenden Hiolm zu thun entschossen war, das konnte sie dem standhaften noch weniger versagen.

»Mein Gemahl,« sagte sie, indem sich die gewöhnliche Holdseligkeit über ihr schönes Gesicht verbreitete, »darf deine Edda fragen, welcher König so glücklich sein wird, Hiolms Schwert für sich fechten zu sehen? – Doch nicht der König von Scandinavien? – O scheue den Dienst des blutgierigen Kriegers! Ehre, Ruhm und Beute gönnt er nur sich selbst, seinen Dienern Wunden und Tod.«

»Und wem sollte ich sonst meine Waffen widmen?« fragte Hiolm. »Der König der nordischen Reiche hat das nächste Recht auf dieselben!«

»Es giebt noch mehr nordische Fürsten, mein Theurer! Kennst du den König von Thule? Fürwahr ein tapferer und weiser Fürst, würdig, den ersten Thron der Welt zu besitzen, und doch zufrieden mit seinen rauhen Gebirgen, die die Natur so stiefmütterlich bedachte.«

Hiolm wunderte sich, seine Gemahlin mit so vielem Feuer von einem Fürsten sprechen zu hören, dessen Name in diesen Gegenden nicht allzubekannt war, denn der stille Ruhm guter friedfertiger Fürsten fliegt nicht weit über die Gränzen ihrer Reiche. Edda gab vor, unter den grönländischen Seeräubern, aus deren Gewalt sie Hiolm gerettet hatte, viel von dem König von Thule gehört zu haben, und erzählte noch so viel Rühmliches von ihm daß Hiolm, begeistert wie sie, bei seinem Schwerte gelobte, es für keinen andern, als ihn zu ziehen.

Als sie ihn so entschlossen sah, fuhr sie fort: »Darf ich dir rathen, mein Gemahl, so diene dem Fürsten, dem du dich widmest, ehe du ihm noch deine Dienste anbietest. Die Grönländer beunruhigen die Küste von Thule jetzt sehr, du wirst in diesen Gewässern unbestellte Arbeit finden. Laß den Ruf deiner Thaten vor dir hergehen, und du wirst dem tapfern Könige der nördlichen Insel desto willkommner sein; und noch eins: – In dem Lande, wo ich geboren bin, ein Seeland wie das Deinige, hält man viel auf ein glückliches Schiffszeichen; ich glaube, es hat dir bisher an einem solchen gemangelt, und du hast darum weder Sieg, noch Beute erlangen können. Nimm deshalb den alten Wallfischkopf von dem Hintertheile deines Schiffes und scheue die Kosten nicht, mich, deinen Sohn und meine Freundin Thulis nach dem Leben auf dasselbe malen zu lassen; du wirst sehen, welchen großen Nutzen dir dies bringt, und mir ewig dafür danken.«

Der Vorschlag der schönen Edda ließ sich hören, aber es bedurfte großer Vorbereitungen, um ihn auszuführen. Hiolm that indeß sein Mögliches, sein Schiff zu einem solchen Zuge herzustellen, und hatte die Freude, Unterstützung von einer Seite zu erhalten, woher er längst nichts mehr erwartet hatte.

Hiolms Vater sah es nämlich aus verschiedenen Ursachen gern, daß sich sein Sohn von Siölund entfernte, und mit seiner Hülfe war er in sehr kurzer Zeit so weit, in See zu gehen. Auch das Gemälde war von einem guten lombardischen Meister, den ein Zufall nach Norden geführt hatte, gefertiget; zwar fand man es ein wenig seltsam, aber Edda hatte es ja so gewünscht, und ihr zur Liebe wurde es ihrem Gemahl sehr leicht, sich über das Gerede der Leute hinweg zu setzen.

Als Hiolm von seiner Gattin Abschied nahm, zeigte sich diese standhafter, als er selbst; ihr schien irgend etwas Großes vorzuschweben, das sie tröstete. Ach, dämmernde Hoffnung winkte ihr vielleicht von fern, und sie übersah darüber den Abgrund, der sich zu ihren Füßen öffnete!

Hinrich von Röschild hatte nur auf die Abreise seines Sohnes gewartet, um seine feindseligen Anschläge wider die unschuldige Edda auszuführen. Kaum hatten sich seine Segel am Horizont aus dem Gesicht verloren, so nahm der hartherzige Vater die schöne junge Frau, ihren Sohn und ihre Freundin, setzte sie in einen Nachen, und ließ sie mit den nothdürftigsten Lebensmitteln versehen, auf die Erleninsel bringen, um dann Weiteres über die drei unglücklichen Personen zu beschließen. Seine Neider sagten ihm nach, er habe im Sinne gehabt, sie an einen chinesischen Sklavenhändler zu verkaufen, dergleichen in den damaligen Zeiten, da alles anders war als jetzt, viele in Siölund einzusprechen pflegten.

Nicht alle Einwohner der Stadt, welche wir hier eben genannt haben, waren hartherzig oder undankbar; es gab viele, die Hiolms Gemahlin aufrichtig beweinten, als sie sie hinüber nach der übelberüchtigten Erleninsel führen sahen, und Hinrichs böse Absichten muthmaßen konnten. Sie aber lachte und suchte die schöne Thulis, die etwas weniger heiter war, als sie, zu gleicher Fröhlichkeit zu bewegen. »Merke,« sagte sie leise zu ihr, »wie gut es das Schicksal mit uns meint; ist es doch, als hätte es unserm Feinde den Ort unserer Verweisung selbst in den Sinn gegeben!«

Während man auf diese Weise mit Hiolms Angehörigen verfuhr, durchschnitt sein Schiff den Ocean, und peitschte die Wellen, bis es in die Gegend kam, wo es laut der Weissagung seiner klugen Gemahlin bestellte Arbeit finden sollte, und sie wirklich fand. Der Seeräuber Naddock beunruhigte zur damaligen Zeit das atlantische Meer; seine Absicht war vornehmlich auf Thule gerichtet, und es wäre vielleicht um die Schneeinsel2 und ihren guten König geschehen gewesen – denn Naddock war sehr mächtig – wenn das Schicksal nicht einen Retter herbeigerufen hätte.

Wie es dem Helden von Seeland möglich war, mit einem einzigen Schiffe einen so mächtigen Gegner zu besiegen, darum befrage uns Niemand, denn wir wissen nichts anders zu antworten, als daß die alte Fabelgeschichte, besonders die nordische, reich an wohl noch ungläubigern Ereignissen ist. Genug, Hiolm siegte, wenigstens in so weit, daß er den Feind von Thule auf eine lange Zeit entkräftete, und ihn nöthigte, sich mit den Ueberbleibseln seiner Macht auf die große Insel zu flüchten, die man in den damaligen Zeiten Atlantis nannte, und wo es ihm wenigstens nicht an Raum fehlen konnte, wieder zu Kräften zu kommen, um einst doppelt fürchterlich zurückzukehren.

Hiolms Absicht war es nicht, ihn auf seiner Flucht zu verfolgen, wozu es ihm überdies an Macht fehlte; er ließ ihn im Besitze der goldenen Brücke, die laut dem Sprichwort jeder fliehende Feind verdient. Er lief, wie ihm Edda vorgeschrieben hatte, in den großen Hafen bei der Hauptstadt der Schneeinsel ein, wo ihm schon der Ruf von seinen Thaten vorausgeeilt war, und wo sich bei seiner Ankunft das ganze Land regte. »Ist das Hiolm von Seeland,« rief Jedermann, »dessen Namen uns unsere durch ihn geretteten Schiffe mit so viel Achtung nannten? Ist das der Ueberwinder des mächtigen Naddock, der Beschützer von Thule? – Mensch oder Halbgott, wer er auch sei, wir müssen ihn empfangen und ihn ehren, wie es Pflicht und Dankbarkeit erheischt. Wenn wir auch nicht vermögen, ihn für seine Thaten würdig zu belohnen, so wird er doch gewiß nicht unempfänglich für die geringen Beweise unsers Dankes sein und unsre gute Absicht nicht verkennen.«

Hiolm war weder Halbgott, noch irgend ein anderes über menschliche Vergeltung erhabenes Wesen, und es erfreute ihn daher der glänzende Empfang, den man ihm bereitet hatte, ungemein. Man brachte ihm außerdem noch werthvolle Geschenke als ein Zeichen der Erkenntlichkeit dar, die Hiolm jedoch ausschlug, und durch diesen Beweis seiner Großmuth sein Ansehen sehr vergrößerte. Auch bedurfte er solcher Geschenke nicht, denn in den Kämpfen mit Naddock hatte er reiche Beute gemacht. Der alte König von Thule war von seinen Thaten, von seinem edlen Betragen, von seiner Heldenfigur, von Allem, was ihn umgab, ganz bezaubert. Hiolm begehrte in seine Dienste zu treten, und der gute Fürst erklärte mit vieler Rührung, er wolle ihn lieber zum Sohn als zum Diener annehmen.

Der alte Herr, der den Wein und die Freuden einer nach nordischer Art gutbesetzten Tafel sehr liebte, veranstaltete zu Ehren unsers tapfern Helden zahlreiche Gastmähler, indem er glaubte, ihm hierdurch einen besondern Beweis seiner Achtung zu geben. Nachdem Hiolm oft und köstlich genug auf des Königs stattlichem Meerschloß bewirthet worden war, hielt er es dem Wohlstand gemäß, ihn und seine Großen auch einmal in sein Schiff auf Seemannskost einzuladen. Die Einladung wurde angenommen, und es ging bei Hiolms Feste schier noch stattlicher zu, als beim Mahle des Königs.

Als die Gäste sich an seiner gutbesetzten Tafel sehr ergötzt und den von Naddock erbeuteten Wein köstlich befunden hatten, kam ihnen die Lust an, Hiolms Schiff, an welchen ihnen, wie natürlich, alles fremd und neu erschien, zu besichtigen. Der Held von Seeland zeigte ihnen bereitwillig den ganzen innern Bau des schwimmenden Hauses, und schlug zuletzt eine Fahrt um das ganze Schiff vor, damit man seine Schönheit und Stärke auch von außen beurtheilen könnte.

Es wurde eine Schaluppe ausgesetzt, man stieg ein, und bewunderte, weil man einmal im Bewundern war, fast jeden Nagel, fast jede künstliche Fügung der Breter und Bohlen; aber Erstaunen bemächtigte sich Aller, als Hiolm das Fahrzeug ein wenig weiter in die See führen, und dann auf das Hintertheil des Schiffs in gerader Richtung zusegeln ließ, als das herrliche Gemälde, dessen wir schon erwähnt haben, sich dem Auge in voller Schönheit darstellte.

Man kann sich in der That nichts Reizenderes denken, als die wohlgetroffenen Portraits der zwei schönsten Personen, die damals leben mochten, und das Bild eines Kindes, schön wie der Liebesgott. Die lächelnde Edda wiegte den kleinen Hiolm auf ihren Knieen, und ihre Freundin, die sich über ihre Schulter lehnte, schien sich an dem Anschauen der Mutter und des Sohnes zu weiden, ohne zu ahnden, wie viel sie selbst zur Vollkommnung der bewundernswürdigen Gruppe beitrug. Alle drei waren so treffend abgebildet, daß der, der sie einmal im Original gesehen hatte, sie in dieser Kopie nicht verkennen konnte; auch hatte der Künstler die Farben so gut aufgetragen, daß Wind und Wetter ihnen nicht geschadet, ja sie vielmehr gehoben hatten.

Als dem König das Wunderbild in die Augen fiel, da bemeisterte sich seiner ein solches Erstaunen, daß er mit Hintenansetzung des königlichen Anstandes die Arme weit auseinander breitete, und einen lauten Ruf der Ueberraschung ausstieß. Seine Minister schienen ebenso ergriffen zu sein als er, sie wußten sich aber besser zu fassen. Sie wechselten bedeutungsvolle Blicke mit ihm, da sie aber sahen, daß ihr Gebieter die Worte, die ihm auf den Lippen schwebten, zurückhielt, so schwiegen auch sie, und ließen es bei stummen Zeichen des Erstaunens bewenden.

Hiolm war nicht viel weniger bestürzt, als seine Gäste; er besorgte aus der schnellen Veränderung aller Gesichter, daß hier etwas sein müßte, was einen nachtheiligen Eindruck machte. Er äußerte seine Furcht in einigen angstvollen Worten, denn er hatte den alten König von Thule liebgewonnen, und hätte ihm ungern zu Mißvergnügen Anlaß gegeben.

»Beruhigt euch, mein Sohn,« antwortete der gute Fürst, »ich bin mit euch zufrieden, und habe keine Ursache, auf euch zu zürnen; aber ich wiederhole nochmals meine Bitte, meinen Befehl, wenn ihr es so nennen wollt, diese Küste nicht eher zu verlassen, bis ich über gewisse Dinge ausführlich mit euch gesprochen habe.«

Nach diesen Worten gab der König Befehl, mit der Schaluppe nicht erst an das Schiff zu fahren, sondern sogleich zu landen, weil Dinge vorgefallen wären, die seine sofortige Rückkehr nöthig machten.

In der That war der gute Fürst so ergriffen, daß er kaum seiner Sinne mächtig und deshalb genöthigt war, die Einsamkeit zu suchen. – »Was ist das?« sagte er zu sich selbst, als er allein war, »welche Deutung soll ich jenem so seltsamen Gemälde geben, und was soll ich beginnen? Meine Leute, – sie haben alle gesehen, was ich sah; werden sie schweigen? Und gleichwohl ist Schweigen noth, denn wer weiß, was unter dieser äußerst seltsamen Erscheinung verborgen liegt. – Nein, die Sache leidet keinen Aufschub, ich muß mir Aufklärung darüber zu verschaffen suchen!« – Nachdem der König durch dies Selbstgespräch sein Herz etwas erleichtert hatte, befahl er, Hiolm von Seeland herbeizurufen, den er sogleich sprechen müsse.

»Sage mir, Hiolm,« rief der König, als der junge Seefahrer, durch den schnellen Vorbeschied doppelt bestürzt gemacht, eilig hereintrat, »sage mir, was bewog dich an dieser Küste zu landen?«

»Begierde nach Ehre und Ruhm, Begierde in eure Dienste zu treten, weil ihr mir als ein guter König gerühmt wurdet!«

»Warum zeigtest du mir heute das Gemälde am Hintertheile deines Schiffs, womit du mich so sehr überrascht hast?«

»Es war meine Absicht nicht, es euch zu zeigen; wie konnte ich glauben, das es euch interessiren würde? Ihr bekamt es zu sehen, wie ihr jeden andern Theil des Schiffs gesehen habt.«

»Unmöglich! unmöglich! dir ist gewiß alles bekannt! Ich beschwöre dich, eile, mich von dem Schicksale der Personen zu unterrichten, die jenes Wunderbild vorstellt!«

»Ich weiß euch nicht viel von ihnen zu sagen; das Bild stellt meine Gattin mit ihrem Sohne und ihrer Freundin vor!«

»Himmel! deine Gattin? deinen Sohn? – Soll ich trauern oder mich freuen? Freuen, freuen will ich mich! denn bist du gleich kein Fürst, so kannst du es werden; auch hat dir der Himmel bereits ein Fürstenherz, Fürstenthaten und Fürstenruhm gegeben.«

Hiolm wußte nicht recht, wie er mit dem alten Herrn daran war, und hielt es für gut, auf Dinge, die er nicht verstand, zu schweigen.

»Rede, rede nur!« fuhr der König fort, »welche von den beiden Damen ist deine Gattin?«

»Die Schönere!«

»Die Schönere! also die, welche sich über die Schulter ihrer Freundin lehnt?«

»Mit nichten, die, welche das Kind auf den Knieen hält!«

Bei diesen Worten nahmen die Gesichtszüge des Königs einen andern Ausdruck an, von dem man nicht sagen konnte, ob Freude oder Mißvergnügen ihn veranlaßt. »Schlag ein, Hiolm,« sagte er nach einer Weile, indem er dem bestürzten Seefahrer die königliche Hand hinhielt, »du bist mir nicht so nahe verwandt, als ich meinte, aber doch nahe genug, daß ich dir den Namen ›Sohn‹ bestätigen kann, den ich dir gleich Anfangs beilegte. Dich hat ein günstiger Zufall an diese Küste geführt, der dein Glück begründet, und mir zu dem Theuersten wieder verhilft, was ich auf Erden besaß. Seeräuber raubten mir vor mehr als Jahresfrist meine Tochter und meine Nichte, – du schenkst sie mir wieder. Thulis ist mein Kind; deine Gemahlin Edda zwar nur die Tochter des Erlkönigs, aber doch eine Prinzessin, auf deren Besitz du stolz sein kannst, wenn du denselben zu behaupten weißt.«

»Ihn behaupten?« rief Hiolm, »den Besitz meiner Edda behaupten? dafür bürgt mir mein Schwert. Auch unser Sohn bürgt mir dafür; wie kann man seine Mutter von ihrem Gatten reissen, ohne sie auf ewig zu beschimpfen!«

»Dein Sohn möchte vielleicht das Band sein,« fuhr der König von Thule fort, »das dir deine Gemahlin auf ewig sichert; aber auf dein Schwert traue nicht, du kennst den Erlkönig nicht, sonst würdest du nicht so reden. Aller andern Bedenklichkeiten zu geschweigen, so sind die kleinen Fürsten in gewissen Punkten kitzlicher, als die großen. Ich würde dir vielleicht meine Thulis nicht misgönnt haben, ich hätte mich vielleicht meines Enkels gefreut; aber der Vater der schönen Edda? – Doch fasse guten Muth, und gieb mir jetzt etwas nähere Nachricht von meinen Verlornen, damit ich sehe, wie Thulis wieder in meine Arme zu bringen, und wie dir und deiner Gemahlin zu helfen ist.«

Hiolm und der König brachten den ganzen Morgen in Gesprächen über diese wichtigen Dinge zu. Der Vater der schönen Thulis machte ihn etwas näher mit der Familie des Erlkönigs bekannt, die ihm allerdings nicht gefallen wollte, und er hingegen erzählte seinem neuen Oheim so viel von der mißlichen Lage, in welcher sich Edda und ihre Freundin zu Seeland befänden, daß der König sofort beschloß, gleich den andern Tag eine Gesandschaft abzuschicken, um die Prinzessinnen herüber zu holen. Daß sich Hiolm an der Spitze derselben befinden sollte, versteht sich; wie hätte er die Abholung seiner Gemahlin einem andern anvertrauen sollen? Er eilte auf sein Schiff, die nöthigen Vorkehrungen zu treffen, und sagte unaufhörlich zu sich selbst: »Deshalb also, weise Edda, sandtest du mich nach Thule! Dies war das Glück, das mir dein Bild bei dem besten aller Fürsten bringen sollte!«

Als der König seiner Seits auch mit allen Vorbereitungen zur Heimholung der Damen, die er so glänzend als möglich machte, fertig war, und ein günstiger Wind die Segel schwellte, da stießen die Schiffe endlich vom Lande, und der Vater der schönen Thulis rief seinem Neffen ein herzliches Lebewohl nach. »Sei getrost Hiolm,« sagte er, »und beschleunige deine Reise; ehe du mit meinen Töchtern zurückkommst, habe ich euch das Herz des Erlkönigs gewonnen, und gewiß kommt er euch selbst entgegen, dich als Sohn, seine Edda als Tochter zu umarmen.«

Ein günstiger Wind trug Hiolms Schiff, nebst denen der Gesandten von Thule, auf schnellen Flügeln nach Seeland, wo die glänzende Erscheinung kein kleines Aufsehen erregte. Hiolm’s Flagge kannte man wohl; wer waren aber die andern? – Und als jetzt die Gesandten an das Land stiegen, als der Name des Königs, der sie abschickte, und der Zweck ihrer Ankunft bekannt wurde, welche Verwunderung, welches Erstaunen! auf einer Seite, welche Beschämung! auf der andern. – Der alte Hinrich von Röschild vermochte kaum die Augen vor seinem Sohne aufzuschlagen, als er ihm gestehen mußte, in welcher Absicht er die unschuldige Edda nach der Erleninsel hatte bringen lassen. Der gutmüthige Sohn konnte indeß dem grausamen Vater doch nicht zürnen, und verzieh ihm gern das seiner Edda zugefügte Unrecht. Zufrieden, nun aller Verfolgungen enthoben zu sein, warf er einen Schleier über das Vergangene, und suchte die Gesandten von Thule glauben zu machen, man habe die Prinzessinnen nur aus guter Vorsorge auf die Erleninsel geschickt, und diese schlichten, geradsinnigen Leute fanden hierin auch nichts Unglaubliches.

Die Ueberfahrt nach der wüsten Insel wurde mit großer Pracht vollzogen. Zu den königlichen Gesandten gesellten sich alle Patrizier von Siölund, an deren Spitze sich Hinrich von Röschild befand, der nicht wußte, wie er seine begangenen Fehler wieder gut machen, und sein Entzücken über die hohe Verwandtschaft, zu welcher ihm Edda verhalf, ausdrücken sollte.

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