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Rübezahl

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Er verschenkt Stöcke

Zwei arme Handwerksburschen, ein Seiler und ein Schlosser wanderten einst zusammen über das Gebirge, um im Böhmischen Inland ihr Glück zu versuchen. Der Schlosser, ein finsterer, mürrischer Geselle, war immerdar schlechter Laune und hatte an allem und jedem etwas auszusetzen. Der Seiler dagegen war alleweil vergnügt, ließ fünf gerade sein und nahm das Leben auf die leichte Schulter. Um den Weg abzukürzen, erzählte er dem Schlosser allerhand lustige Schwänke und Schnurren und kam zuletzt auf den Berggeist zu sprechen, wobei er sich wohl hütete, ihn mit dem Spottnamen zu bezeichnen Allein der Schlosser wollte dergleichen Märchen nicht hören und knirschte verdrießlich: „Der Teufel soll den Rübezahl holen!“ Im nächsten Augenblicke sahen sie eine prächtige Kutsche daherrollen. „Sieh da!“ rief der Seiler. „Was muß das für ein reicher, vornehmer Herr sein! Wir wollen ihn ansprechen. Vielleicht hat er etwas in seinem Beutel für uns übrig?“ „O du dreimal durchgesiebter Narr!“ sprach der Schlosser giftig. „Je reicher die Herren, umso geiziger sind sie, und umso schärfer drücken sie den Daumen auf den Beutel!“ Indessen war die Kutsche herangekommen, und sie sahen, daß ein wohlhabender Reisender darin saß. Nun schwangen sie ihre Mützen, die Kutsche hielt an, und der Seiler brachte nach altem, guten Handwerksbrauch in artigen Worten ihr Begehren vor. Daraufhin stieg der Herr aus der Kutsche, hieb mit seinem Hirschfänger aus dem Haselbusch am Wege zwei mehr als fingerdicke Wanderstecken ab und überreichte sie ihnen. „Ich habe kein Kleingeld bei mir“, sprach er freundlich. „Nehmt darum diese beiden Stöcke von mir an, verliert sie nicht. Laßt sie auch nicht in der Herberge stehen, sondern haltet sie lieb und wert, wenn ihr euch daran erholen und auf die Beine kommen wollt.“ „Schönen Dank, Euer Gnaden!“ sprach der Seiler und verneigte sich. Nun stieg der Reisende wieder ein, und die Kutsche rollte von dannen. Der Schlosser aber erboste sich ganz gewaltig über das sonderbare Geschenk, ballte wütend die Faust hinter der Kutsche drein und lachte gellend: „Ja, so sind sie, die hohen Herren! Hab ich es dir nicht gleich gesagt? Wir bitten um zehn Pfennig, und sie geben uns ein Stück Holz!“ „Ei, Bruder!“ suchte ihn der Seiler zu besänftigen. „Warum so arg? Ich möchte meinen Stock behalten. Er ist mir gar handgerecht, schicklich und gerade, und er soll mir bis Prag noch viele gute Dinge leisten.“ Dabei hieb er ihn gegen die Felswand, um seine Festigkeit zu erproben, und siehe da, er brach mitten entzwei und lauter Goldstücke purzelten heraus. Jetzt erkannten sie, wer der vornehme Herr gewesen war, und sogleich rannte der Schlosser Hals über Kopf davon, um seinen Stock zu suchen. Und er suchte und suchte, bis ihm der Kopf rauchte und die Zunge am Gaumen klebte. Aber es war alles umsonst. Der Stock war und blieb verschwunden. Inzwischen sammelte der Seiler die Goldstücke auf und verstaute sie in seinem Ranzen. Fluchend und mit leeren Händen kehrte der Schlosser zu ihm zurück. „O weh!“ sprach der Seiler voller Mitleid. „Jetzt bin ich ein reicher Mann geworden, und du bist ein armer Schlucker.“ „Bruder, halb und halb!“ schlug der Schlosser vor. „Wohlan!“ erwiderte der Seiler. „Nimm die Hälfte, die Last ist mir zu schwer.“ Und sie teilten den Schatz miteinander, bis zuletzt ein Goldstück übrig blieb. „Laß uns darum in der Herberge würfeln“, sprach der Schlosser, dessen Herz beim Anblick des Goldes plötzlich vor Arglist und Gier überfloß. Am Abend erreichten sie die Elbfallbaude. Hier zog der Schlosser seinen falschen Würfel aus dem Sack und gewann, gewann, gewann, bis der Seiler mit leeren Taschen dasaß. Aber davon wollte der Schlosser nichts wissen, sondern machte sich noch vor Sonnenaufgang schleunigst aus dem Staube. Das Gold brachte ihm jedoch kein Glück. Elf Jahre später baumelte er als ein ertappter Beutelschneider an dem Galgen von Trautenau. Und der Strick, an dem er hing, stammte aus der Werkstatt des ehrsamen Pragers Seilermeister, der damals, als Geselle mit ihm über das Riesengebirge gewandert war und weiterhin durch Fleiß, Frohsinn und Redlichkeit sein Glück gemacht hatte.

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