Er hackt Holz
Gen Schmiedeberg kam einst ein Magister gezogen, der sich hier mit Handwerk des Rechtsverdrehens, darauf er sich vortrefflich verstand, einen hübschen Batzen Geld und ein schönes Ausgedinge zu verschaffen gedachte. Es ging ihm auch eine Weile ganz nach Wunsch; denn es gelang ihm in wenigen Wochen alle dortigen Streithammel so heftig aneinander zu bringen, daß sie schwarz und weiß und rechts und links nicht mehr ohne seine Hilfe zu unterscheiden vermochten. So beschwatzte er sie denn von vorne und hinten, begleitete sie je nach Bedarf zum niederen, mittleren oder hohen Gericht und schröpfte sie wacker nach allen Regeln. Auf diese Weise wurde er geschwind reich, aber mit dem Reichtum wuchs seine Gier, immer noch reicher zu werden. Nun begann er in seiner listigen und hinterhältigen Art, auch die ehrsamen Handwerker und redliche Tagelöhner zu begaunern, die für ihn schafften. Wie denn das Sprichwort sagt, daß ein Betrüger am schnellsten unter ehrlichen Leuten auf einen grünen Zweig kommen kann und daß ein tüchtiger Advokat niemals um eine faule Ausrede verlegen sein darf. Besonders hatte er es dabei auf die Holzhacker abgesehen, die er allesamt für niederträchtige Faulpelze, Lasterbäuche und Tagediebe hielt. Dem ersten Holzhauer kürzte er den Lohn um ein Drittel, weil er die Scheite viel zu groß gemacht hatte. Den zweiten speiste er mit der Hälfte der ausbedungenen Summe ab, weil er die Scheite viel zu klein gemacht hatte. Dem dritten zahlte er nur ein Drittel des Geldes aus, weil er die Scheite viel zu spitzig gemacht hatte, daß sie das Ofenloch zerstießen. Und dem vierten hielt er den ganzen Verdienst zurück, indem er ihn fälschlicherweise beschuldigte, einen Teil des Holzes heimlich verschleppt zu haben. „Das nächste Mal laß dir von Rübezahl das Holz hacken!“ rief der vierte Holzhacker, schulterte die Axt und ging nach Hause. Als nun der Herbst herannahte, suchte der Magister vergeblich nach einem Holzhacker. Es begann zu schneien, und er hatte immer noch keinen Mann gefunden, der ihm die vier Fuder Buchenkloben und Eichenklötze klein schlagen wollte, an denen er sich im Winter über zu erwärmen gedachte. Da pochte es plötzlich an der Tür, und als er öffnete, stand draußen ein Mann im Schnee und fragte: „Könnt ihr wohl einen Holzhacker gebrauchen?“ „Ihr kommt wie gerufen“, erwiderte der Rechtsverdreher. „Wie viel Groschen wollt Ihr für die vier Fuder haben?“ „Geld brauche ich nicht“, meinte der Holzhacker. Gebt mir nur für meine Arbeit soviel Holz, wie ich auf einmal auf meinem Rücken forttragen kann.“ „Welch ein Narr!“ dachte der Magister, ließ sich aber nichts davon anmerken und rief: „Das sollt Ihr haben, guter Mann. Nun geht, und holt Eure Axt, und macht Euch geschwinde an die Arbeit, damit ich Holz in den Ofen kriege.“ „Die Axt ist schon da, und ich will sie bald haben!“ sprach der Holzhauer, ging in den Hof, wo die vier Fuder lagen, stellte sich hier auf den rechten Fuß, packte das linke Bein mit beiden Händen, riß es sich mit einem Ruck aus und hieb damit wie toll und rasend auf die Kloben und Klötze los, wobei sich das sonderbare Werkzeug tausendmal schärfer als die allerbeste Axt bewies. Der Magister, der solches alles von seiner kalten Stube aus genau beobachtet hatte, roch sogleich den Unrat, riß das Fenster auf und schrie: „Haltet ein, haltet ein, und packt Euch schleunigst vom Hofe! Aus dem Handel kann nichts werden!“ Aber der Holzhacker hörte nicht auf, die groben Holzklötze zu zerspalten und in kleine Scheite zu zertrümmern, und schrie dazwischen: „Wort ist Wort, und Handel ist Handel! So wahr ich hier auf einem Bein stehe, ich will nicht eher von der Stelle weichen, bis ich die vier Fuder klein gemacht habe und meinen ehrlichen Lohn davontrage.“ Jetzt erkannte der Magister, daß er doch seinen Meister gefunden hatte, wankte vom Fenster zurück, lehnte sich kraftlos an den eisigen Ofen und begann am ganzen Leibe zu beben und zu zittern. Indessen prügelte der Holzhacker unverdrossen auf die Buchenkloben und Eichenklötze ein, bis die Arbeit getan war. Darauf steckte er das Bein wieder in die Lende hinein, zog ein großes Fischernetz aus der Hosentasche, sackte die vier Fuder Kleinholz hinein, huckte sich die ganze Last auf den Rücken und trug sie zum Hofe hinaus, als sei sie nicht schwerer als ein Federbett. So schritt er über die Straße zu den geprellten Holzhackern, warf einem jeden ein Viertel dieses Holzvorrates vor die Tür und ging dann über den nächsten Berg. Am folgenden Tage packte der Magister seinen Sachen zusammen und machte sich auf und davon. Denn in einer kalten Stube friert selbst dem allertüchtigsten Rechtsverdreher die Paragraphenmühle ein. Und Schmiedeberg war um eine Landplage ärmer geworden.