Es waren einmal zwei junge Männer, die einen jungen russischen Bären aus dem Nest stahlen, ihm eine Zwinge durch die Nase zogen, ihn zum Tanzen abrichteten und mit ihm durch die Welt streiften, um fortan von seinen Künsten zu leben. Der eine blies auf dem Dudelsack und ging mit dem Teller herum, der andere hielt den Bären an einer Kette und schlug mit der Peitsche den Takt dazu. Und je mehr sie durch ihn verdienten, umso wüster, gröber und gieriger wurden sie.
Während sie wie zwei große Herren lebten und ihnen der Branntwein gar glatt zum Halse hinunterfloß, bekam der Bär immer mehr Prügel und immer weniger zu fressen, so daß er fast von den Knochen fiel und sein Fell immer dünner wurde. Endlich gerieten sie mit ihm auf die tschechische Seite des Riesengebirges und ließen ihn auch in Johannisbad tanzen, was dem Bären aber schon recht sauer wurde. Und er taumelte zu den Dudelsackpfiffen auf und ab, hin und her und brummte dazu in einer Bärensprache: „Die verfluchten Gauner werden mich noch zu Tode prügeln, wenn ich nicht vorher verhungere.“ Allein die vornehmen Badegäste, vor denen er tanzte, verstanden nicht seine Bärensprache, ergötzten sich weidlich an seinen plumpen Sprüngen und an seinem tiefen Gebrumme und spendeten danach einen Groschen oder auch zwei und drei. Ein ungarischer Edelmann gab sogar einen halben Taler und rief: „Ich wünschte, alle meine Bauern wären solche Bären, und ich könnte sie also vor den Leuten tanzen und für Geld sehen lassen!“ Solches geschah an einem Donnerstag. Wie nun auf solche Art und Weise den beiden bösen Menschen wieder ein besonders fetter Fischzug gelungen war, gingen sie ins nächste Wirtshaus und tranken sich dort einen besonders scharfen Rausch an, um am nächsten Morgen mit dem nötigen Mut über das steile Riesengebirge zu kommen. Denn da sie das Land Böhmen bereits abgegrast hatten, wollten sie sich nun nach Schlesien wenden, wobei sie zuerst das Warme Bad bei Warmbrunn heimzusuchen gedachten. Als sie am Freitag Mittag bei der letzten böhmischen Herberge anlangten, waren sie vom Steigen und Klettern so durstig geworden, daß sie wiederum einkehren mußten. Sie banden den Bären hinter dem Hause an, gaben ihm einige Fußtritte und brüllten dazu: „Laß dich von Rübezahl füttern, du Nimmersatt!“ Dann ließen sie ihn allein, setzten sich in die Gaststube und hießen den Wirt auffahren, was er in Küche und Keller hatte, bis sich der Tisch bog. Indessen fing es draußen an zu regnen und zu hageln, und der Bär schnupperte um sich und brummte vor Hunger und Kälte: „Hier riecht es nach Bären, hier riecht es nach Bären!“ Plötzlich kam ein Waldhüter um die Hausecke und fragte ihn in der Bärensprache: „Was wirst du tun, wenn ich dir die Freiheit schenke?“ „Oh!“ antwortete der Bär. „Alles was du willst.“ „Dann lauf in den Wald, und verstecke dich, daß sie dich nicht finden“, sprach der Wildhüter und löste ihm die Zwinge von der Nase. „Ich danke dir!“ rief der Bär. „Ich will lieber auf eigene Faust verhungern, als mich von den beiden Gaunern langsam zu Tode schinden lassen.“ Darauf trabte er schleunigst von dannen. Kaum aber war der Bär im Walde verschwunden, so nahm der Wildhüter die Gestalt des befreiten Bären an, legte sich selber an die Kette, schlief die ganze Nacht und trabte am nächsten Morgen mit den beiden Gaunern über das Gebirge nach Schlesien hinein. Und sie staunten sehr, daß ihn nicht wie sonst zu treiben brauchten, und freuten sich diebisch, daß er unterwegs Wurzeln und Tannenzapfen fraß und gar kein anderes Futter verlangte. So kamen sie in guter Laune am Sonntagnachmittag nach Giersdorf. Und da um diese Zeit die Bauern alle zusammen andächtig im Kretscham hinter den Bierkrügen saßen, fragten die Gauner den Wirt, ob sie zur Belustigung seiner Gäste ein Bärenstücklein zum besten geben sollten. Und der Wirt fragte die Bauern. „Sie sollen nur hereinkommen“, riefen die Bauern, „so es ein richtiger Bär ist!“ Denn die wenigsten von ihnen hatten einen lebendigen Bären von Angesicht zu Angesicht gesehen, und alle waren erpicht darauf, seine Künste zu bewundern. Als nun der Bär von den beiden Gaunern hereingeführt wurde und sich wie ein Mensch auf die Hinterfüße stellte, da war der Beifall groß. Und als er sich nach der Musik zu drehen begann, sperrten die guten Giersdorfer Augen und Mäuler auf, so weit sie konnten, und zogen gerne den Beutel als der Sammelteller herumwanderte. Nun gaben die Gauner noch ein Stücklein zu, und plötzlich begann der Bär nicht nur zu tanzen, sondern auch mit menschlicher Stimme zu singen: „Immer Hunger, immer Prügel! Bin ich denn ein Lauseigel? Länger laß ich mich nicht treiben von diesen bösen Beiden!“ Damit riß er an der Kette, daß die Zwinge zersprang, fuhr mit einem Satz durchs offene Fenster und verschwand spurlos hinter dem Düngerhaufen. Die Giersdorfer Bauern aber dachten nicht anders, als dieser richtige Bär nur ein verkleideter Mensch gewesen sei, machten einen starken Tumult und erhoben sich wie ein Mann gegen die beiden verdutzten Gauner, um sie für diesen schändlichen Betrug windelweich zu prügeln. Allein sie fanden mit Hilfe des Wirtes noch ein Schlupfloch hinter dem Ausschank. Und sie liefen und liefen und standen nicht eher still, bis sie hinter Warschau waren.