Er jagte zwei Jäger
Ins Warme Bad kam einstmals eine schöne Witwe, um sich nach dem abgelaufenen Trauerjahr daselbst zu erholen und nach einem Ehegefährten umzusehen. Ihr Mann, ein reicher Kaufmann, war auf der Reise nach Mähren am Fieber gestorben und hatte sie wohlversorgt und in guten Umständen zurückgelassen. Nun traf es sich, daß zur selben Zeit zwei schlesische Junker, ein junger und ein älterer, in Warmbrunn ihr Wesen trieben und auf einen glücklichen Zufall hofften, denn sie besaßen nur viele Schulden, einen Würfelbecher und ein Kartenspiel. Damit fristeten sie ihr Dasein, so gut es gehen wollte, und spielten recht und schlecht die großen Herren. Kaum war die junge Witwe angekommen, so drängten sie sich herzu, ihre Bekanntschaft zu machen und ihr aufzuwarten. Als ihnen das gelungen war, berieten sie sich heimlich als getreue Freunde und Blutsbrüder, wie dieser hübsche Goldfisch am sichersten ins Netz zu treiben und zu fangen sei, und kamen überein, gemeinsam auf diesen Fischfang zu gehen und die Entscheidung, wer die Braut heimführen solle, dem Knobelbecher zu überlassen.
Und da ihnen zunächst als das Wichtigste erschien, keinen andern Bewerber heranzulassen, gab einer dem anderen die Klinke in die Hand, so dass die Umworbene keinen Augenblick allein war. Allein sie war klug genug, das listige Spiel zu durchschauen und sprach eines Tages zu ihnen: „Ich nehme nur einen kühnen Jägersmann, der sich nicht nur auf die niedere, sondern auf die hohe Jagd versteht. Nur wer mir einen sechszehnendigen Hirsch erlegt und bringt, der darf hoffen.“ Worauf er hoffen durfte, das verriet sie nicht; denn sie hatte solches nur geredet, um sie auf eine gute Art für etliche Tage loszuwerden. Nun bestürmten die beiden Junker noch einmal ihre Gläubiger, von denen sie lebten, mieteten einen Kutsche mit drei Pferden, fuhren wie zwei echte Nimrode ins Gebirge und nahmen auch zwei Windhunde und einen Knecht mit. In Schreiberhau übernachteten sie. Am folgenden Morgen ließen sie den Wagen zurück, saßen mit dem Knecht auf und ritten bis zur halben Höhe des Gebirges, wo der Hochwald begann. Hier stiegen sie ab, banden die Pferde an einen Baum, hießen den Knecht warten und sprachen zu ihm: „Hier bleibst du, bis das Halali ertönt.“ Und da er das Halali noch nicht kannte, griffen sie zu ihren Waldhörnern und bliesen es ihm vor. Dann nahm jeder seinen Spieß zur Hand, und mit Hussa und hallendem Spiel drangen sie in das immergrüne Gehege ein. Bald witterten die Windhunde eine Spur, fanden sie auch, stürzten sich mit Gekläff darauf, und die beiden Junker hetzten hinter ihnen drein, um den Hirsch zu erjagen. So kamen sie immer höher und höher und mußten gar wacker klettern und schnaufen, um die beiden Hunde nicht aus dem Gehör zu verlieren. Plötzlich gerieten die beiden mutigen Jäger in einen dicken Nebel und sogleich verstummte auch das Gebell der Hunde. „Ha!“ riefen sie aus einem Munde. „Sie haben ihn! Sie haben ihn!“ Nun rafften sie alle Kräfte zusammen, stürmten mit langen Sprüngen durch den Nebel, der allmählich wieder etwas lichter wurde; verfolgten die Spur immer weiter und stießen schließlich auf die beiden Hunde, die hinter einer dicken Fichte standen, den Schweif einklemmten und so schauerlich winselten, daß sich den beiden Junkern sogleich die Haare sträubten, weil sie die Ursache solchen Benehmens nicht zu entdecken vermochten. Auf einmal hörten sie von der Koppe her das Geschmetter eines großen Jagdhorns, das immer näher und näher kam, und vernahmen dazwischen auch bald das scharfe Gekläff der gereizten Meute. Dazu heulte der Sturm in den Tannen, daß die Äste knarrten und aneinandertrommelten. Ob dieses wachsenden Gedröhns begann der Mut der beiden Junker zu wanken, und sie fanden es für geraten, zunächst etwas Fersengeld zu geben. So wurden die Hetzer zu Gehetzten und konnten zum ersten Male deutlich am eigenen Leibe spüren, wie das Gejagtwerden angenehm ist; endlich ging ihnen doch der Atem aus, und sie sahen nun durch den wirbelnden Nebel die anspringende Meute und den Jäger, der ihnen auf den Fersen war. Er saß auf einem riesigen Wildschwein, das auf türkische Art gesattelt war und das er mit goldenen Sporen antrieb. Dazu machte er eine gar zornige Miene. In der Rechten hielt er einen Wurfspieß, der war so dick wie ein Weberbaum. Damit bedrohte er die beiden Junker von vorne. „Was tut ihr da in meinem Revier?“ hörten sie ihn rufen. Aber sie gaben keinen Laut von sich, um ihn nicht noch mehr zu reizen und duckten sich wie zwei scheue Hasen ins Unterholz. Dann galoppierte der Jäger mit dem Wildschwein dreizehnmal um sie herum und verschwand wie ein Wirbelwind nach Osten, woher er gekommen war. „Das war der Rübezahl!“ flüsterte der jüngere dem älteren ganz leise ins Ohr. Sie verblieben noch eine kleine Weile in ihrem Versteck, dann pfiffen sie den Hunden und machten sich kleinlaut auf den Heimweg. Kaum aber waren sie tausend Schritte weiter, roch es ihnen sehr stark nach Bock, und gleich darauf brach ein riesiger Hirsch aus dem Gebüsch. „Den schickt uns der Rübezahl!“ rief der ältere Junker. Und sogleich hetzten sie die Hunde hinter ihm drein, jagten ihn in ein dichtes Gebüsch, darin er mit allen sechzehn Enden hängen blieb, erlegten ihn gemeinsam und bliesen dann gar fröhlich das Halali, bis der Knecht mit den drei Pferden daherkam. Noch an demselben Tage brachten sie die Jagdbeute nach Schreiberhau, legten sie auf das Dach der Kutsche und deckten sie mit einer großen Plane sorgsam zu. Und da es inzwischen wiederum Abend geworden war, setzten sie sich in die Herberge an den Tisch und begannen, da sie den Hirsch nun hatten, um den Goldfisch zu würfeln. Bei diesem Spiel gewann der ältere Junker, worauf der jüngere sehr traurig den Kopf hängen ließ. „Nur gemach!“ tröstete ihn der ältere. „Du bist mein Herzbruder und sollst es auch bleiben!“ Und er versprach ihm in die Hand, daß er noch vor der Hochzeit in der Verwandtschaft seiner Zukünftigen nach einem zweiten Goldfisch Umschau hallten wollte, worauf sie immer noch einen tranken, bis der letzte Heller dahin war. Am nächsten Mittag fuhren sie als stolze und glückliche Weidmänner vor das Haus ihrer Erwählten. Doch als sie ihr den Hirsch zu Füßen legen wollten, siehe, da hatte er plötzlich siebzehn Enden und sah einem alten, stinkenden Ziegenbock, an dessen Gehörn, ein geweihähnliches zackiges Wurzelgeflecht stak, zum Verwechseln ähnlich. So hatten sie zum Schaden auch noch den Spott.