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Märchenbasar

Iskender

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Der Kämmerer sah gedankenvoll auf den kleinen Knaben, der in seiner bunten Kleidung vor ihm stand, wie ein Spielzeug anzuschauen, und so vernünftig redete. Er entschloß sich, ihn zu behandeln wie einen Erwachsenen und ihn zu befragen um die Vögel. „ Was aber ist es, das die Vögel wollten? Warum plagten sie unseren erhabenen Sultan so grausam?“ Iskender überlegte kurz, sah zu dem Kämmerer auf, traute ihm zwar nicht, dachte aber, es könne gut sein, wenn er Bescheid wisse. So sagte er ruhig und klar sprechend: „ Sie suchten eine Krone, um die der Großverzier weiß, nicht aber der Sultan. Nun sind sie zum Großverzier geflogen.“ Diese ungeheuerlichen Worte ließen den Kämmerer nahezu erstarren. Ungläubig sah er auf das kleine Menschenwesen herab, das es wagte, den Großverzier, den mächtigsten Mann im Lande, anzutasten, und er stammelte endlich: „ Aber …aber …. Sagte mir, wie willst du das wissen?“ Iskender sah den Mann erstaunt an, antwortete ruhig und etwas befremdet: „ Ich, Herr? Ich weiß es doch nicht. Ich wiederholte dir nur, was die schwarzen Vögel mir sagten.“
Hier aber überwältigte die Neugier den hohen Würdenträger, und er hockte sich nieder auf seine Fersen, um in gleicher Höhe mit dem Knaben zu sein, fragte ihn eindringlich und sehr ernsthaft:“ Sage mir o Ifrit, du sprichst mit den –vögeln, wie wir jetzt miteinander sprechen?“ Die großen ernsten grauen Augen Iskenders sahen den Mann forschend an, und der wandte den Blick ab, er ertrug es nicht, so angeschaut zu werden. „ Ja, Herr, ich spreche mit ihnen, nur nicht in dieser gleichen Sprach, wie wir sie benutzen, vielmehr in der ihrigen.“

Der Kämmerer rückte noch ein Stückchen näher zu dem Knaben heran, fragte ganz hingerissen:“ Du kannst in ihrer Sprache reden, will sagen, du vermagst ihre Laute nachzuahmen?“ Iskender lachte und dachte daran, wie es war, diese Laute zu erlernen, antwortete dann heiter: „ Gewiß, Herr, sie würden mich doch sonst nicht verstehen, ist es nicht so?“ Der Kämmerer senkte den Kopf und überlegte. Welche Möglichkeiten waren hier gegeben! Was konnte man zur Zeit, da die Zugvögel auf ihrem Flug hierorts rasteten, nicht alles erfahren über die Länder, aus denen sie kamen! Welche fernen Völkerschaften und ihr Tun konnte man nicht erforschen, wenn das in Wahrheit sich so verhielt, wie der Ifrit es sagte!„ Ich bitte dich, o Ifrit, sage mir, vermagst du auch die Sprachen der fremden Vögel zu verstehen, derer, die nur kurz bei uns rasten auf ihrem ´Weg von Nord nach Süd… auch das?“ Iskender sagte heiter:“ Es gibt nur eine einzige Vogelsprache, Herr, auf der ganzen Welt, so sagten mir die Möwen, die weit über die Meere hin fliegen und es wissen müssen…nur eine, Herr.“ Der Kämmerer wiederholte:“ Nur eine einzige Vogelsprache auf der ganzen Welt, und du, o Ifrit, verstehst sie… Ya Allah, welch ein gewaltiges Kismet!“ Immer wenn sie ihn mit „Ifrit“ anredeten, verschloß sich Iskender ganz in sich selbst bemühte sich auch nicht, zu widersprechen. Mochten sie denken, was sie wollten von ihm, was machte es aus? Ihm lag jetzt und hier nur daran den Sultan zu beruhigen und bei ihm zu bleiben, um zusammen mit ihm dann später herauszufinden, was es mit jener Krone, die die Vögel „ Juwel“ nannten, auf sich habe und was mit dem Großverzier. Seltsamerweise kam der Kämmerer zu genau dem gleichen Schluß wie der kleine Knabe. Er dachte sich diesen Ifrit so zu sichern, dass niemand anders von dessen Fähigkeiten genau Bescheid wissen, und ihn späterhin für seine Zwecke zu verwenden. Was da vorhin von dem Großverzier gesagt worden war, einem Manne, der von allen am Hofe gehasst wurde, und dass die schwarzen Vögel nun ihn plagen würden statt des Sultans, das gab dem Kämmerer viel, sehr viel zu denken. Schnell von Entschluß, wie er war, hatte er seinen Plan schon fertig, als die Diener mit den Nahrungsmitteln für den Sultan zurückkehrten. Er war jetzt urplötzlich wieder des Herrschers ergebenster und getreuester Diener und zugleich der großmütige Beschützer des Ifrit.

In dieser doppelten Eigenschaft begann der Kämmerer nun nach allen Seiten hin Anordnung zu geben, wobei nicht vergessen wurde, immer wieder auf die unübertrefflichen Verdienste des Ifrit hinzuweisen, der dem Lande den Sultan erhalten hatte. Es wurde angeordnet, dass der Wunderknabe fürs erste in der Nähe des Sultans zu bleiben habe und dass er zu bedienen sei wie ein Schach. De weiteren wurde alles getan, um für den Herrscher ein neues Behagen zu schaffen und ihm die so lange vernachlässigten Ehren zu erweisen. Bewaffnete Wächter bezogen ihre Posten um den Kiösk herum, und Diener hielten sich in der Nähe auf, um auf das leiseste Zeichen hin herbeizueilen. In all diesem geschäftigten Treiben schlief der Sultan den Schlaf der Genesung, und Iskender stand abseits neben seinem grünen Vogel, sich mit ihm zu beraten. „ Es wird gut sein, o mein Freund“ sagte der Knabe, in seinen seltsamen Vogellauten redend, „ dass du herausfindest, ob die schwarzen Vögel den Großverzier aufsuchten und was weiterhin mit dem Juwel sich nun begeben wird.
Wir müssen wissen, wo und wie es zu finden ist, damit der Sultan, wenn er erwacht, nicht aufs neue geplagt werden kann. Suche du die Vögel. Ich bleibe hier.« Der grüne Vogel erhob sich mit schwerem Flügelschlag in die Lüfte und stieß seltsame Rufe aus, nach allen Seiten hin spähend. Es dauerte nicht lange, da gesellten sich einige der schwarzen Vögel zu ihm, kreisten schreiend in seiner Nähe und schienen vielerlei zu vermelden, worauf der grüne Vogel mit ihnen gemeinsam davonflog. Von dem, was sich in dieser Nacht begab und davon auch Iskender erst viel später erfuhr, wurde im Lande des Sultans noch lange gesprochen und berichtet. Es klang im Volksmunde solcherart, daß ein Ifrit erschienen sei, der dem Sultan das Leben rettete, das lange schwer gefährdet gewesen war, der dann seinen Dienern, die ihm untertan waren, einem Heer riesenhafter schwarzer Vögel, befohlen habe, denjenigen ausfindig zu machen- welcher das Leiden des Sultans verursachte. Solches sei dann geschehen, denn die Tochter des Verziers und ihr Gemahl, der Feldherr, den der Verzier insgeheim zum Nachfolger des Sultans bestellt habe, seien von eben- diesen schwarzen beflügelten Dienern des Ifrit mit dem goldenen Haar in der Nacht zu Tode gehackt und ihnen sei die kostbare Krone geraubt worden, welche Stolz und Freude beider gewesen war. Die Erzählung berichtete weiter, daß Hirten draußen in der Steppe gesehen haben wollten, wie ein großer Schwarm schwarzer Vögel unter dem Monde dahergeflogen sei und wie sie mit sich ein blitzendes und strahlendes Etwas führten, das einer Krone glich und das Licht des Mondes widerstrahlte. Daß der Großverzier aus Kummer über das schreckliche Geschehen sich selbst entleibte, das erweckte grö2ce Freude; denn es gab wohl niemanden im ganzen Volke, hoch, ob nieder, dem dieser Mann nicht ein Leid angetan hatte. Dieses war die Geschichte, die das Volk sich erzählte; doch barg die Erzählung viel Wahrheit. Der Tod der Tochter des Verziers und ihres Gemahls, der Raub der stolz gehegten Krone, die sich stets in der Nähe des Feldherrn und seiner Frau befunden hatte, entsprachen der Wahrheit. Doch hatte der Verzier sich nicht selbst getötet, war vielmehr in der. allgemeinen Verwirrung von einem Diener niedergestochen worden, der beglückt diese Gelegenheit der Rache ergriff. Nun, wie dem auch sei, die Plage der schwarzen Vögel war abgewandt, der verhaßte Verzier war verschwunden, der ehrgeizige Gemahl seiner Tochter ebenfalls, und nun konnte ein neues Leben für das Volk anheben. Es schien auch wirklich, als ob mit dem Kommen des goldhaarigen Ifrit sich alles gewandelt habe. Der Sultan genas, der Ifrit blieb bei ihm, und der große grüne Wundervogel horstete in den Gärten des Serails. Für den Sultan war das Erwachen aus seinem Traum der Qual zugleich das freudige Begrüßen seines jungen Erretters. Als er nach jenem erquickenden Schlafe zu sich kam, richtete er sich auf, fragte etwas angstvoll in das Schweigen um sich: »Wo bist du, goldener Knabe… oder warst du nur ein Traum?« Iskender, der zu Füßen des Lagers gekauert hatte, richtete sich auf, sah mit strahlendem Lächeln den Sultan an, sagte heiter: »Wenn du mich meinst, Herr, ich bin hier, und so du es erlaubst, bleibe ich bei dir. Jetzt aber wirst du erst einmal speisen, Herr. Sieh nur, was dir alles bereitet wurde… was wirst du zuerst genießen? Der Sultan richtete sich auf, sah den niedern reich besetzten Tisch neben seinem Lager, lachte leise und fragte erstaunt: »Das alles für mich? Und ist es ganz, ganz sicher, daß sie nicht wieder… ?« Er schauderte und schwieg, aber Iskender hatte ihn schon verstanden. »Die Vögel kommen nicht wieder, Herr, sie sind befriedigt fortgeflogen mit der Krone, die sie beim Großverzier fanden. Laß es nun dabei bewenden, Herr. Du mußt essen und an nichts anderes denken, Herr!« Von draußen her überwachten unsichtbare Diener und Höflinge das Geschehen im Kiösk, getreu dem Befehl des Kämmerers, vorerst den Ifrit allein mit dem Herrscher zu belassen, bis der Sultan wieder voll bei Kräften sei. Das war dem Kämmerer um so willkommener, als er in der Zwischenzeit nach dem Tode des Großverziers alle Muße hatte, sich so etwas wie dessen Herrschaft anzueignen und zunächst einmal alle Freunde des Toten zu vernichten. So konnte er dem Sultan, kaum daß der Genesene sich wieder mit den Regierungsgeschäften zu befassen vermochte, gute und frohe Nachrichten bringen. Und wem verdankte man dieses alles? Dem goldenen Ifrit, nur ihm! Was bedeutete es schon, daß Mahmoud All eine hohe Summe für ihn bekommen hatte.., vielfach, vierzig mal vierzigfach würde alles wieder einkommen, was um seinetwillen verausgabt worden war. Der Kämmerer war glücklich, der Sultan war glücklich, der »Goldene Ifrit« war glücklich. Kann man mehr vom Kismet verlangen? Es war eine schöne, eine friedevolle Zeit; denn anders als bei Günstlingen sonst, handelte es sich ja hier um einen kleinen Knaben, der nichts verlangte, als den von ihm geliebten Sultan zu hegen und zu pflegen, und keine Ahnung von den vielen Schleichwegen eines Hofes hatte. Iskenders einzige Frage an den Sultan blieb sich stets gleich; es war diese: »Darf ich bei dir bleiben, Herr? Schickst du mich nicht wieder fort?« Der Sultan pflegte ihm mit frohem Lachen zu erwidern, er denke gar nicht daran, seinen Wunderknaben fortzuschicken, und zauste dann den goldenen Haarschopf, bis Iskender lachend um Gnade bat. Es kam ein Tag, da sich der Herrscher wieder ganz erholt fühlte und nunmehr alle Erinnerung an die bösen Zeiten, die er im Kiösk verlebte, auslöschen wollte. Zurück ins Serail wollte er und gab Befehl, den Kiösk abzureißen und an seine Stelle ein Wasserbecken mit einem Springbrunnen setzen zu lassen. Iskender war nicht ganz glücklich über diese Entwicklung; denn er fürchtete sich vor geschlossenen Räumen und würde zudem den grünen Vogel entbehren müssen, wie er sagte. Aber der Sultan wußte auch dazu Rat und ließ seinem Wunderknaben nach den Gärten zu offene Gemächer anweisen, vor denen auf den hohen Bäumen der grüne Vogel horsten konnte. Als sie am ersten Abend in den weiten Sälen weilten, der Sultan wieder auf seinem niederen Thron sitzend wie ehemals und der Knabe klein und verloren ihm zu Füßen hockend, da neigte sich der Herrscher vor, zauste wieder in den goldenen Haaren und sagte heiter: »Mein kleiner Wunderknabe, weißt du, was ich zu tun gedenke? Ich werde dich vor aller Welt als meinen Sohn und Nachfolger erklären, habe ich doch nur einen Harem voll von Mädchen und keinen Sohn; einen lieberen aber als dich kann mir kein Weib geben. Was hältst du davon, mein kleiner Ifrit?« Iskender stand auf, kam nahe zum Sultan heran, lehnte an dessen Seite, sah ernsthaft zu ihm auf, fragte: »Wenn du das tust, Herr, dann bleibe ich immer bei dir?« Der Sultan, der ein kluger Mann war und auch nichts von der Vernachlässigung vergessen hatte, die ihm widerfuhr, als er der Pein preisgegeben war, beugte sich tief herab, fragte: »Warum denn willst Alu so gerne bei mir bleiben? Weil ich der Sultan bin?« Die großen Augen sahen ihn verständnislos an, und Iskender sagte leise: »Der Sultan? Ich weiß nichts davon. Aber ich möchte immer bei dir sein. Mir ist so gut zumut, wenn ich bei dir bin, Herr. Und ich wußte davon früher nichts; meine Mutter mochte mich nicht, mein Vater tat mich in die Kiste und schickte mich fort über das Meer. Bei dir ist mir so wohl, Herr, lieber Herr.« Diese lange Rede, vorgebracht nach der Art, wie vertrauende Kinder sprechen, griff dem Sultan ans Herz, da wo es am weichsten ist, und er schloß den kleinen Wunderknaben fest in die Arme, in einer ganz innigen Art beglückt. Iskender ließ sich ein Weilchen halten, machte sich dann los und sagte ernsthaft: »Ich habe eine Bitte, Herr, eine große, große Bitte!« Der Sultan sagte etwas betrübt: »Schon eine Bitte?« Von der Bedeutung dieser Worte merkte der Knabe nichts, sagte nur eifrig und vertrauend: »Ich möchte so sehr gerne, so gerne, wie ich nicht sagen kann, einiges lernen, ginge das wohl, Herr? Und dann dieses noch: Ganz früher hieß ich Osman, aber das ist mein Name nicht, ich heiße, wie der grüne Freund mich nannte, als er von oben zu mir herabflog, Iskender. Nun nennen sie mich hier oftmals Ifrit oder auch wie du, Herr, Wunderknabe… das klingt mir so fremd und fern im Ohr… würde es möglich sein, ich bitte darum, mich nur und immer Iskender zu nennen? Tätest du es, Herr?« Der Sultan hob den Knaben hoch, setzte ihn auf seine gekreuzten Beine, küßte ihn auf die Stirn und sagte feierlich: »Iskender, von nun an nur Iskender, ich verspreche es! Und lernen sollst du auch, du hast mein Wort, mein Sohn.« In sich verborgen schämte sich der Herrscher sogar ein wenig vor dem Knaben, dessen Bitte er mißtraut hatte und der um das Recht seines Namens und das des Wissens bat. Darum nannte er ihn zum ersten Male stolz »mein Sohn«. Und nun begann für Iskender die friedevolle Zeit einer behüteten Jugend. Sein Geist, auf so seltsame Art in die Weite gerissen durch das Verstehen der Vogelsprache, nahm Kenntnisse mit der gleichen Leichtigkeit auf wie die Erde das Wasser, und seine Klarheit der Menschensicht, die ihn damals schon dem Kapitän des Sklavenschiffes trotz dessen Freundlichkeit mißtrauen ließ, vermochte ihn, auch jene abzuweisen, die ihn nach den verschiedensten Seiten hin in ihre Pläne einbeziehen wollten. Das gelang ihm auch deshalb, weil er nach wie vor mit abergläubischer Furcht betrachtet wurde, die ihren Ursprung in seiner Gemeinschaft mit den gefiederten Tieren unter den Himmeln hatte. Besonders zur Zeit der Zugvögel, wenn sie, auf ihren weiten Reisen kommend und fortziehend, an den wasserreichen Plätzen des Landes rasteten und Iskender, dorthin getragen auf dem Rücken seines grünen Vogels, sich von ihnen berichten ließ, was in allen Gegenden der reichen Welt geschah — besonders zu dieser Zeit fürchtete man ihn, und heimlich wurde immer wieder vom Goldenen Ifrit geflüstert. Es darf bei all diesem nicht vergessen werden, daß in unsren Landen das helle Haar eine große Seltenheit ist und daß andere als dunkle Augen kaum vorkommen. Werden nun solche Zeichen einer Fremdartigkeit bei einem Menschen angetroffen, sei es in Haar- oder Augenfarbe, so wird sogleich angenommen, daß es sich um keinen natürlichen Menschen handelt, nicht wie der Nachbar oder der Freund, der über den Weg wohnt, und so entsteht etwas wie Scheu. Kommt zu solchen Seltsamkeiten nun noch hinzu, daß der mit den goldfarbenen Haaren und den grauen Augen als Freund und Gefährten einen grünen Vogel hat, größer als ein Adler, auf dessen I( er getragen wird, und außerdem noch dieser ungewöhnliche Knabe mit den Vögeln zu reden vermag, so kann es nicht wundernehmen, daß alles Volk glaubte, es mit einem freundlich gesinnten Ifrit zu tun zu haben, der unter ihnen erschienen war, um den Sultan von einem bösen Zauber zu befreien. Deshalb wob es sich um Iskender wie ein freier Raum, wie ein Bannkreis, den niemand zu durchbrechen wagte. Und aus all diesem entstand für den Knaben eine große Einsamkeit. Er besaß zwei Freunde: den Sultan und den grünen Vogel. Sonst kam er nur mit dem Manne zusammen, der ihm als Lehrer zugeteilt wurde und der ein hochgelehrter Derwisch war. Dieser ehrwürdige Mann hatte es zunächst als eine Beleidigung betrachtet, daß der Sultan von ihm verlangte, er solle einen kleinen Knaben unterrichten.

Doch sagte der Herrscher mit einem eigenartigen Lächeln: »Ich bitte dich, Ehrwürdiger, sieh dir den Knaben an, diesen, der jetzt mein Sohn ist; sprich mit ihm und teile mir dann mit, ob du bereit bist, ihm Lehrer zu sein, oder nicht Ich werde mich in jedem Falle deinem Entschluß beugen.« Dann hatte der Sultan den Raum verlassen und Iskender zu dem Derwisch hineingeschickt. Der kleine Knabe und der hochgewachsene Mann in der dunklen Kleidung seines frommen Ordens standen sich gegenüber und betrachteten sich von ferne, durch die ganze Breite des großen Raumes getrennt. Der Derwisch sah mit Erstaunen das goldrote Haar über des Knaben Stirn sich locken, und als ihn der Blick der grauen Augen traf, da mußte er schnell nach seinem Tesbieh* greifen und eine kleine Geistesübung der Sammlung in sich murmeln, denn er schaute nicht in die Augen eines Kindes, vielmehr traf ihn der Blick eines ernsthaft forschenden Menschen von reifem Geist. Erschreckt und befremdet fragte der Derwisch: »Du bist der Sohn des Sultans, dem ich Lehrer sein soll ?« Da erhellte ein freies, ein vertrauendes Lächeln das Gesicht des Knaben und gab ihm den kindlichen Ausdruck, der vorher fehlte. Iskender kam nahe zu dem fremden Manne, von dem er sich das Wunder des Wissens erhoffte, verneigte sich tief und sagte ehrfürchtig: »Wenn du mir die Gnade erweisen willst, Herr, mein Lehrer zu sein?« Er richtete sich auf und sah den Mann scheu fragend an, und jetzt stand in den grauen Augen so viel Bangen, daß der Derwisch nicht anders konnte, er ließ sein Tesbieh fallen und nahm (las Knabengesicht in die Hände, es weich umschließend, wobei er tief in jene seltsamen Augen blickte. »Ich will dein Lehrer sein, Knabe, doch will es mir scheinen, als hättest auch du mir etwas zu geben, das ich voll Demut annehme.«Diese Worte verstand Iskender zwar nicht, aber dennoch war ein Bund besiegelt worden, der durch Jahrzehnte unzerstörbar blieb und dessen Bestehen den Derwisch Hadj Mehmed in Geschehnisse verwickelte, davon heute noch in unseren Landen berichtet wird.

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